Den meisten Menschen ist der Begriff des globalen Dorfes schon über die Lippen gekommen. Sein Schöpfer war ein kanadischer Philosoph und Kommunikationstheoretiker namens Marshall McLuhan, der als Professor für englische Literatur und Rhetorik in Toronto Weltruf erlangte als der Begründer der Medientheorie. Sein Lehrer war Harold A. Innis, der mit „Empire and Communications“ bereits 1948 den Grundstein für diese neue Wissenschaft legte. Eine kurze Vorstellung in unserer neuen Reihen Denker, die unser Verständnis des Mediums Internet bestimmen.
Das Medium ist die Botschaft.
Die berühmteste These von McLuhan war jedoch deutlich weniger historisch geprägt und wird heute als das Mantra vieler Webdiskussion wiederholt: „Das Medium ist die Botschaft“. Ganz wie sein Lehrer fühlte er sich jedoch der Betrachtung der Geschichte der Medien verpflichtet. So ordnete er den jeweiligen Kulturepochen bestimmte Aufgaben des Texts zu, sodass er beispielsweise dem Mittelalter die strenge Logik als zentralen Ankerpunkt der damaligen Texte beschrieb. Er selbst befasste sich jedoch mit der Gegenwart. In seinem ersten Buch „Mechanical Bride“ untersuchte er die Volkskultur des industriellen Menschen, die wir heute als Popkultur bezeichnen. Wie auch das nächste Buch „Gutenberg Galaxis“ war dieses erste Buch eine kaleidoskopartige Zusammenfassung einzelner Essays, die jeweils mit einem Zitat aus einem Zeitungsartikel oder einer Werbung beginnen. Danach wird dann eine Analyse dieses Textes vorgenommen. Es ergibt sich also keine aufsteigender Aufbau vom Einführenden zum Speziellen. Die Analyse umfasst die Ästhetik und die Hintergründe der behandelten Texte und Bilder. McLuhan wählte Werbungen und Artikel als Artefakte der Gesellschaft, um Symbole und Bedeutungen von Firmenidentitäten zu zeigen, und um die Aussagen der Werbungen über die Gesellschaft, an die sie gerichtet ist, zu freizulegen.
1967 erschien sein Hauptwerk the medium is the massage: an inventory of effects, desen Hauptthese heute so zusammegefasst wird: Das Denken (Kognition) ist einer starken Anziehungskraft durch neue visuelle Technologien wie beispielsweise den Druckerzeugnissen ausgeliefert. Anders als in der Sprache, gibt es in der Schrift aber keine Zwischentöne sondern nur die „reine“ Botschaft der Buchstaben.
Das globale Dorf.
Dieser Einfluß der Technologien auf das Denken wirkt sich über das Gehirn wieder auf die Gesellschaft aus, da ja jeder Einzelne von ihr beeinflusst ist und an der sozialen Organisation des Zusammenlebens beteiligt ist. McLuhan geht soweit, dass er Kulturleistungen wie die Demokratie, den Individualismus, aber auch die Revolte des Protestantismus oder gar den Nationalismus auf diesen Einfluß der Drucktechniken (und damit der weiten Verbreitung von Schrift) zurückführt.
McLuhan hat diese Theorie eingeleitet mit den revolutionären Gedanken, dass die Drucktechnologien bald durch eine „elektronische, gegenseitige Anhängigkeit“ ersetzt werde, falls die elektronischen Medien die visuelle Kultur durch die Hör- und Sprechkultur ablösen könnten. In dieser Periode würde die Menschheit sich vom Individualismus hin zu einer kollektiven Identität entwickeln, die wir als Stammesgesellschaft bezeichnen würden. Dieser Struktur gab er den Namen globales Dorf.
Der Druck ist das äußerste Stadium einer alphabetischen Kultur, die den Menschen in erster Instanz aus dem Stamm heraustreibt oder dekollektiviert. Der Druck hebt die visuelle Merkmale des Alphabets in die höchstmögliche Form einer Definition. Der Druck trägt die individualisierende Kraft des phonetischen Alphabets weiter, als es die Manuskriptkultur jemals tuen hätte können. Druck ist die Technologie des Individualismus. Wenn sich die Menschheit dazu entscheiden würde, diese visuelle Technologie durch eine elektronische Komponente zu modifizieren würde auch der Individualismus modifiziert. Dagegen Beschwerde zu erheben wäre, wie eine Kreissäge dafür anzuklagen, Finger abzutrennen.
Das Medium ist die Botschaft, basiert auf der Betrachtung der Gestalttheorie, dass eine Information immer ein Unterschied ist zwischen Gestalt (Figur) und Hintergrund. Dazwischen tut sich der Bedeutungsgehalt jeder Information auf. Der Hintergrund ist für McLuhan der Kontext in den die jeweilige Kommunikationstechnologie eingebettet ist und sich gleichzeitig von ihm abhebt.
Medium erklärt McLuhan als eine Ausweitung des menschlichen Körpers und der menschlichen Sinne im Raum – quasi ein Polyp aus Zeichen. Die Botschaft eines Mediums versteht er als die Summe aller Auswirkungen, mit denen ein neues Medium die Situation der Menschen von der Sinneswahrnehmung über die Psyche bis hin zum sozialen Zusammenleben voraussetzt und in der Folge verändert.
In den Laws of Media beschreibt er vier Grunddimensionen der Medien:
- Was verbessert das Medium?
- Was macht das Medium überflüssig?
- Was macht ein Medium wieder aktuell, das früher obsolet war?
- Was löst das Medium aus, wenn es bis zu seinen Extremen übersteigert wird?
Und noch ein Zitat, dass vor vier Monaten schon einmal hier stand. Aus meiner Sicht offenbart sich hier die Grenze von McLuhans Fähigkeit Medien in ihrer Funktion und in ihrer Potenz abzubilden.
Alle Medien sind Ausdehnung menschlicher Fähigkeiten – seien sie psychisch oder physisch. – Das Rad ist eine Ausdehnung des Fußes. Das Buch ist eine Ausdehnung des Auges, Kleider sind eine Ausdehnung der Haut, die Medien unserer Zeit sind eine Ausdehnung des Zentralnervensystems. Indem Medien die Umwelt verändern, schaffen sie in uns eine ganz bestimmte Konstellation sinnlicher Wahrnehmung. Die Ausdehnung nur eines Sinnes verändert die Art, wie wir denken und handeln, die Art, wie wir unsere Körper wahrnehmen. Wenn diese Verhältnisse sich wandeln, wandelt sich der Mensch.
Mehr zu McLuhan von im selbst in unserem Klassikertext: Das Playboy-Interview mit McLuhan
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Schlagwörter: Botschaft, Klassiker, McLuhan, Medientheorie, Medium