Mehr als 6000 Forscher hatte Vannevar Bush in den 40er Jahren koordiniert, um einen wissenschaftlichen Beitrag zur modernen Kriegs- und Militärführung zu liefern. Nach dem 2. Weltkrieg forderte er sie 1945 in der Zeitung The Atlantic Monthly unter dem Titel „as we may think“ auf, auch zu Friedenszeiten weiterhin zusammenzuarbeiten. Das Ziel sollte ein allgemeines Zugänglichmachen des gesamten Wissens und der Forschung sein:
Es gibt einen wachsenden Berg von Forschungen. Aber gleichzeitig wird zunehmend klar, daß wir uns in einer immer stärkeren Spezialisierung festfahren. Der Forschende ist überwältigt durch die Ergebnisse und Schlußfolgerungen tausender anderer Arbeitender – Schlußfolgerungen, die aufzufassen er keine Zeit findet, geschweige denn sie zu erinnern, wie sie erscheinen. Dennoch wird die Spezialisierung zunehmend wichtig für den Fortschritt, und die Bemühung zwischen den Disziplinen Brücken zu schlagen, ist entsprechend oberflächlich. Im professionellen Bereich sind unsere Methoden der Übermittlung und Durchsicht von Forschungsergebnissen Generationen alt und den gegenwärtigen Aufgaben in keiner Weise angemessen…
Der Ingenieur Vannevar Bush erlangte 1916 an der Harvard University sowie dem MIT den Doktorgrad. Da hatte er schon ein Patent in der Tasche für ein analoges Gerät zur Aufzeichnung von Geländetopographie namens profile tracer. Ende der Zwanziger Jahre baute Bush am MIT den seinerzeit leistungsfähigsten Analogrechner den Differential Analyzer. Unter Präsident Roosevelt wurde Bush zum Direktor des OSRD (Office of Scientific Reseaarch and Development). Er koordinierte also alle militärischen Forschungsvorhaben der Amerikaner während des Weltkriegs. Vorher hatte er ein Gerät namens Rapid Selector konstruiert, das in der Lage war große Datenbestände (in Bibliotheken) automatisiert zu verarbeiten.
Dies war eine wesentliche Grundlage seines Konzepts des Memory Extender, der eine der Grundlagen für das heutige Internet ist. Es handelt sich beim Memex um einen Analogrechner in Gestalt eines Tisches mit zwei berührungsensitiven Bildschirmen auf denen Mikrofilme dargestellt werden. Das „Blättern“ durch dieses Filme sowie das Speichern von bestimmten Dokumenten sollte möglich sein. Kern aus heutiger Sicht wäre die Funktion der Verknüpfung einzelner Dokumenten unter dem Begriff associations. So sollten sich bestimmte Pfade (trails) durch spezifische Dokumente ergeben, die die Nutzung einzelner Personen wiedererlebbar machen sollten und auf diese Weise vorherige Suchvorgänge abspeichern würden. Wie viele andere Forscher rund um den Computer auch, hatte auch Bush das Verständnis des menschlichen Gehirns im Blick beim Entwickeln dieser Maschine:
Der menschliche Geist arbeitet […] mittels Assoziation. Kaum hat er sich eine Information beschafft, greift er schon auf die nächste zu, die durch die Gedankenverknüpfung vorgeschlagen wird, entsprechend einem komplizierten Gewebe von Pfaden, das über die Hirnzellen verläuft. […] (Der Memex ist) ein Gerät, in dem ein Individuum alle seine Bücher, Aufzeichnungen und Kommunikation speichert und das mechanisiert ist, so dass es mit steigender Geschwindigkeit und Flexibilität zu Rate gezogen werden kann. Sie ist ein vergrößerter Anhang seines Gedächtnisses […]
Im Kontrast zu den Forschern der künstlichen Intelligenz sprach Bush nicht davon, das Denken im Rechner zu modellieren sondern nur das Gedächtnis. Wenn man das Konzept der mikrofilmbasierten Dokumentenmaschine auf die Ordnerstrukturen und Pfade des heutigen Computers bezieht, wird klar, dass abgesehen von der Vernetzung alle wesentlichen Komponenten des Hypertexts hier vorbereitet sind, so dass Ted Nelson einige Jahrzehnte später diese Neuheit in seinem Projekt Xanadu vorstellen konnte. Aber dazu später in dieser Reihe mehr.
Bildnachweis: Wikipedia (Public Domain)
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