And now for something completely different
Neuer Wein in alten Schläuchen!
Wir haben uns 3,76 Gedanken gemacht, was man machen kann.
Jetzt wo Blogger von der Fachbehörde für Amtlichen Zeitungsqualitätsjournalismus (FAZ) in den Junk-Bond Status CCC abgestuft wurden, ist es offiziell. Blogger sind sowas von out. Denn in einem lustig verfassten Fanal der FAZ über einige deutsche Blogger steckte eine wahre Einsicht: Das Bloggen ist zunehmend eine Sache der reiferen Semester zwischen 30 und 50 Jahren. Zugegeben, der holprig geschriebene Text von Marcus Jauer erfüllt auf über 20.000 Zeichen nur ein einziges Vorurteil: Ihr seid lächerlich! Das hätte man kürzer haben können. Es hätte auch weniger sprachliche und grammatikalische Fehler geben können. Auch ein Fact-Checking hätte nichts verschlimmert. Aber geschenkt, der Autor ist noch ganz jung, die FAZ zu arm für eine Schlussredaktion und musste sich zügig des unbeliebten Themas unabhängige Blogger entledigen.
So bot es sich an, das Thema einfach über ein argumentum ad hominem mit sechs Durchschlägen vom Tisch zu bekommen. Aber die vom Ressortleiter vorgegebene Linie ist trotz der handwerkliche Unreife nicht von der Hand zu weisen. Das deutsche Bloggen ist ein Thema von gestern. Ich füge hinzu, dass es sich auf eine andere Weise und in anderen Ländern enorm weiterentwickelt. Es wird reifer. Aber das weiß man nur, wenn man die internationale Entwicklung des Web im Auge behält. Aber wer hat auch behauptet, die Holzmedien seien ein Hort der Heterogenität.
Denn es ist nicht das Bloggen, was den Zeitungsverlagen eine so große Furcht macht, dass sie zum Angstbeisser werden. Es ist die offensichtliche Erkenntnis, dass Referenz im klassischen Sinne nur noch über transparente Informationen gelingen kann. Und ich kenne keinen Qualitätsjournalismuspriester, der im besten Sinne aufgeklärter Diskussion sein Quellenmaterial zur Diskussion mit der community of scientist oder der community of readers zur Verfügung stellt. Oder gibt es schon Papier mit Hyperlinks? Im Fall des Jauer-Artikels würden dann 50% der Behauptungen des Autors von den Betroffenen als Falschaussage entlarvt, die Aussagen zu Facebook und Twitter als Ausweis mangelnder Recherche offenbart und die vielen handwerklichen Mängel penibel aufgezählt. Außerdem würden die Leser auf die vielen tollen anderen Blogs verweisen – auch und gerade von jungen Bloggern und Bloggerinnen. Ich kann mich erinnern, Jauer zwei oder drei junge gute Beispiele genannt zu haben – und hatte ihm sogar deren twitter-account/E-mail zugesandt. Aber eine Zeitung bedient eben nur das Weltbild einer kleinen homogenen Leserschaft. Genau dieses uralte Verhalten der Medien versuchen wir bei uns anders handzuhaben: Wir öffnen uns für Veränderungen. Deswegen überprüfen wir uns seit 1998 ständig, um viele Einflüsse zur Geltung zu bringen, vor allem welche aus dem Ausland, die nicht unsere Leser in ihrem Selbstverständnis bestätigen. Wir versuchen zu unterhalten, aber auch zu verstören, damit neue Gedanken Platz greifen und altes Denken neu verifiziert werden kann.
Zurück zum Thema Blogs. Ob digital natives je die Zeit haben werden Statusupdates mit 500 Wörtern und mehr zu lesen zu lesen? Nichts anderes sind ja Blogs aus deren Sicht. On verra, wie der Gallier zu sagen pflegt. Es rasen die Zeiger der Uhr und wir rasen mit. Wir dachten, da das Netz etwas länger überlebt als Trends wie Blogs, hyperlocal news, oder hyperpersonalized news stream oder gar geolocation, nehmen wir was mit NETZ – also netzpiloten.de
Denn wir sind allein aufgrund unserer Herkunft anders als normale Blogs. Genau genommen stimmt der Begriff gar nicht mehr bei uns. Denn ein Blog ist ein Webtagebuch. Wir aber versuchen, zwei Phänomene des digitalen Publizierens zusammenzudenken mit der Idee eines Magazins: Da ist zum Einen der schöne Begriff der curation, dabei handelt es sich um das gemeinsam Verweisen und Zusammentragen von Inhalten. Wenn wir hier in den Linktipps einen Link zu einem Artikel setzen, jemand kommentiert, dass es dazu noch einen weit besseren Artikel gibt, dann ist das content curation at its best. Das Kuratieren kommt vom Auswählen, Verwalten und Zusammenstellen, wie es ein Ausstellungsmacher oder eben ein Museumskurator tut. Nur das wir hier Angebote machen und Inhalte sammeln, und Ihr hier und dort Ergänzungen einbaut – eben social media und nicht Klientelmedia. Der andere Begriff ist der link journalism, das ist im Grunde genommen das, was wir seit Beginn an tun mit den Linktouren bzw. den Linktipps. Denn früher dachte man, dass Journalisten nur Agenturmeldungen und eigene Recherche nach bestimmten Wünschen der Herausgeber filtern, moralisch oder politisch einfärben und schon ist der Journalismus fertig. Der link journalism überlässt die Aufgabe des Herausgebers (also das Einsortieren von Inhalten nach Weltanschauung) dem Leser.
Es wird sich also Einiges inhaltlich ändern, ohne, dass Altes verschwindet. Diesen langsamen Übergang begleiten wir mit einem moderneren Schnitt des Kleides, um das uns ja nun nicht wenige beneiden. Deshalb haben wir es auch grundsätzlich so gelassen, denn edle Stoffe vertragen auch einen neuen Schnitt. Aber nicht jeder Schnitt gefällt. Wenn Ihr Vorschläge oder Ideen habt, was wir inhaltlich oder äußerlich besser machen können, dann ran.
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5 comments
Wie ich schon in einem anderen Kommentar schrieb, war das unfairste an diesem ad-hominem-Argument, dass ausgerechnet jemand, der sich ständig um Erweiterung des Diskursfeldes bemüht, der nach neuen Stimmen für den Netzdiskurs sucht, als Beispiel für die Selbstbezogenheit herhalten sollte. Gut, dass du dir den Schuh nicht anziehst und weiter den Kurator machst! Besser, dass du weiter nach Wegen suchst, den Auswahlprozess und damit den Horizont möglicher Diskussionen zu verbessern. Am besten, dass du dabei offen für Vorschläge bist. Viel Erfolg.
Naja, Marcus‘ Text hat ja nun nicht durch Übersicht, Information, Diffferenz oder gar das Einholen verschiedener Meinungen geglänzt. All das hatte er auf der Journalistenschule gelernt. Insofern kann man schon einem Großteil der Bloggerschaft bescheinigen, mit den eigenen Waffen geschlagen worden zu sein: Voreingenommenheit. Leider entkräftet er seinen eigenen Artikel mit dieser Vorgehensweise damit im innersten Kern. Ich glaube daher nicht, dass es ein Angebot zur Abgabe einer Kommunikationsofferte darstellen sollte oder gar selbst eine darstellen soll. Ich kann mir daher keinen Schuh anziehen. Welche Informationen Marcus aus einem 2,5stündigen Gespräch wie zusammenknüpft obliegt eben seinem literarischen Geschick. Dass dabei das eigentliche Thema nicht fokussiert wurde liegt eher an der Ausrichtung der Holzmedien und soll uns nicht interessieren. Der Mantel der Geschichte wird seine Zuneigung über solche Erscheinungen decken. Das Jäckchen der Gegenwart wendet sich vom Thema zum Prozess, den es will noch gestrickt werden. Lassen wir also den Verfechtern der neuen Bürgerlichkeit ihre Xenophobie. „Ich bedaure nichts, ich schreite voran“, sagte einmal der Dichter Paul Eluard.
Vielleicht solltet ihr die Schrift umstellen. Die Serifen erinnern einfach zu sehr an die FAZ :-)
Nicht, dass die hinterher behaupten, Ihr hättet bei denen abgekupfert.
Weiter so!
Tja die was macht bloß die FAZ? Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los: dieses Blatt richtet sich selbst zugrunde. Jedenfalls die Qualität derer Beiträge bewegen sich ja langsam und fast unbemerkt nähe BILD-Zeitschrift Niveau. Schade schade…