Westerwelle schmetterte im Herbst 2009 der versammelten internationalen Journalistenschar als Willkommensgruß sein „Wir sind hier in Deutschland“ entgegen als ein britischer Reporter eine Frage in englischer Sprache stellte. Die exakte Gegenbewegung fand gerade wieder drei Tage lang in München auf der DLD von Hubert Burda statt. Deutsche sprachen mit Deutschen in holprigem Englisch. Amerikaner sprachen mit Amerikanern in denselben Phrasen wie sie das seit Jahren tun, wenn es um die heilige Kuh der letzten verbliebenen Supermacht geht: Das Internet…
Wer auf solchen Veranstaltungen öfter zugegen ist, der wundert sich nicht darüber, dass außer eine paar mehr oder weniger zufälligen neuen Geschäftsmodellen, die vom frei flottierenden Kapital gehyped werden, wenig Neues zu hören ist. Denn man (Otto Normalbesucher) ist dort, um Leute zu treffen. CEOs treiben ihre Vortragskünste in immer neue Höhen und überflügeln in der Kunst der ästhetischen Bedeutungslosigkeit von Sätzen jeden gestandenen Politiker. Die jungen Gründer, selten länger als drei Jahre auf dem Posten eines Firmenlenkers von 20 bis 1000 Mitarbeitern, sind bis unter das Dach vollgepumpt von den Erwartungen der Venture-Capital-Geber, Business-Angels und neuerdings kommen auch wieder die IPO-Berater aus den Löchern, die sie seit der großen Blase 2001 nicht verlassen hatten.
Kunststück, die Banken müssen endlich wieder dreistellige Millionenbeträge aus Börsengängen erlösen wie sie das damals schon so toll vorgemacht hatten. Ich sehe schon die Hundertschaften an Beratern für Investor Relations durch die CeBIT 2012 ziehen, bevor am Ende von 2013 wieder Katzenjammer einsetzt und das große Kapital mit kleinen und großen Privatbanken via öffentlichen Kommunen in Public-Private-Partnerships dem Steuerzahler die Moneten aus dem Ärmel leiert. Die Kölner kennen das Spiel gut von vielen Projekten des Oppen***-Esch-Fonds. Aber auch jede andere Kommune hatte schon die Berater der Deutschen Bank im Haus und ist seither hoch verschuldet. Der AWD macht solche Optimierungen bei Privatkunden und alle sind glücklich. Naja, einige zumindest. Das Kapital eben. Burda hat zuviel Geld für solche Spielchen, er ist Mäzen einer Kaste technolibertärer Ewiggestriger, die sich selbst feiert und allem einen philantropischen Anstrich verleihen will, was neuerdings mit den Präfixen social ganz trefflich klappt.
Aktuell geht es perpetuierend um den Boom der digitalen Welt, den man sich herbeisehnt. Es muss doch klappen, andere können es doch auch, wie man durch den kometenhaften Aufstieg des todkranken Steve Jobs mit seinen iPhones und iPads beobachtet hatte. Der selbst ernannte Heilige der letzten Tage der Verleger, Matthias Döpfner, hatte ja von diesem Boom partizipieren wollen. Als er merkte, dass ein Steve Jobs sich geflissentlich die Schuhsohlen abwischt mit den Hoffnungen von kleinen Fischen wie Springer und Konsorten, da wurde es still um den Webstrategen Döpfner. So wurde er heuer auch nicht auf der DLD gesehen. Familie Burda hatte zu einer kleinen Privatparty als warm up und meet & greet für das WEF in Davos geladen. Keiner hatte eine Neuigkeit im Gepäck, niemand von intellektuellem Gehalt öffnete neue Horizonte oder verschob die Perspektive auf Bekanntes. Und so konnte man einfach das tun, was man in München so herrlich selbstsicher vortragen kann: Das Geld ausgeben, dass die Hamburger bzw. die Offenburger verdienen. Es war süß, und ich war gerührt als man Ende gemeinsam sang. Das erinnert mich an diese Kette von Eisshops, die ich in meiner Zeit in Stanford immer aufsuchte. Sie sangen immer ein Firmenlied. Mir war das peinlich als Gast. Den Mitarbeitern nicht, vielleicht. Ich hatte Assoziationen zu den Sklavengesängen als ich deren Stundenlöhne erfuhr. Amis sind alle ein große Familie. Burdas auch.
Aenne Burda war eine coole Frau. Ihr kleiner Sohn wird immer ihr kleiner Sohn bleiben. Das macht ihn ein bißchen sympathisch. Sohn einer derart dominanten Frau zu sein, ist ein hartes Geschäft. Er hat viel Geld und lässt sich daher leicht instrumentalisieren, um eine große Schar an Freunden zu kaufen. Leider war das Ganze eine Werbeveranstaltung einer weitgehend verantwortungslosen Industrie. Technolibertäre aus der Ecke von edge.org machten Werbung für Klein-Atomkraftwerke und genetisch veränderte Lebensmittel als Hilfe für die Weltprobleme. Oder sie erklärten mit biologistischen Strukturen aus den Achtzigern eine naive Technikphilosophie auf Sendung-mit-der-Maus-Niveau… Das Alterswerk vieler verdienter Männer zerstörte schon oft ihr Lebenswerk. Langsam verstehe ich, warum andere mit 60 eine 30jährige Frau nehmen und nochmal Familie spielen um dem Unabsehbaren zu entrinnen: sich selbst.
Ein süßes Event. Hobby eines Milliardärs. Harmlos. Ewiggestrig. In drei Jahren wird es inhaltlich sicher wieder was Neues geben, wenn einer der Hoffnungsträger mit seinem Lear-Jet und 26 Milliarden in der Tasche wiederkommt. Dann sind Millionen von Millionären auf der ganzen Welt wieder ein Stückchen ärmer geworden und ein Dutzend Milliardäre ist dann wieder Stückchen reicher. Was soll’s: es bleibt alles in der Familie.
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3 comments
Wieso verkommen alle diese Veranstaltungen nur immer zu einer Bussi-Bussi-Gesellschaft? Bäh!
Naja, es kann sich eben nicht jeder eine jährliche, dreitägige Party leisten und dafür noch eine eigene Firma gründen…Vielleicht wird die DLD ja im Jahr 2020 barcamp-Elemente enthalten oder sogar Denker und Intellektuelle anziehen. Sogar David Weinberger war mal da, der gilt nicht nur in der Webwelt durchaus aus veritabler Wissenschaftler aus Harvard, allerdinga war neulich auch Fräulein Meckel an seinem Berkman-Insitut.