Vom Verrat der Großen an der Community

e8_merkel_zuckerberg_schmithEs zeichnet sich bei fast allen großen Dienstleistern und Entwicklern im Netz ein Trend ab, der nur noch auf die Vermarktung von Daten sowie Services und komplett gegen die Nutzerfreundlichkeit ausgerichtet ist. Dabei ist der Datenschutzdiskurs in sozialen Netzwerken, der in immer wiederkehrenden Wellen die Nachrichten bestimmt, nur ein kleiner Teil der Diskussion. Fehlende Navigation, unendlich viele Verifizierungen, fehlerhafte Systeme und beständige Datenabfragen im Wochentakt verderben die Lust an Social Media und inzwischen sogar an Gadgets. Es scheint als haben die Nerds von gestern, die mächtige Unternehmen anhand von Innovationen, Rebellion und dem Mut zu etwas Neuem aufgebaut haben, vergessen wer sie sind und was den Erfolg Ihrer Visionen ausmacht(e). Nicht mehr der User in Person ist es, der angesprochen werden soll, sondern der Käufer seiner Daten ist die eigentliche Zielgruppe. Dabei laufen die Gründer Gefahr, alles zu verlieren, was sie einst aufgebaut haben. Der Internet-Nutzer und die Fans drum herum sind eine eigenwillige Gattung Mensch, die schon so manchem erfolgsversprechendem Konzept den Garaus gemacht haben, aufgrund von klaren Fehlentscheidungen.

Facebook, der nervende Kuppler

Bewegt man sich beispielsweise auf Facebook und erinnert sich daran, wie einfach und überschaubar das soziale Netzwerk noch vor ein paar Monaten war, so ist heute nicht mehr viel davon übrig. Auf einmal bekommt man News in seinen Feed von Leuten, die man nicht kennt und muss über zehn Ecken erfahren, dass eine nie zuvor gesehene Person auf der Karnevalsparty als Streichholz ging, nur weil der bekannte Arbeitskollege dieser Person ein Foto von ihm geliked hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich nur über eine Freundschaftsanfrage oder eine persönliche Nachricht kennengerlernt hat; oder wenn man zuvor eine gemeinsame Party besucht hatte und sich bei einem Bier auf ein Wiedersehen auf Facebook verständigen konnte. Heute funktioniert das anders: Die Party wird ersetzt durch die bloße Verbindung einer Person über Dritte. Das Facebook-Bombardement, das uns morgens schon im Newsfeed erwartet, grenzt an ein Strohfeuer von neuen Anfragen. „Dein Freund Sven Müller mag Robert Meiers Foto“, den du nicht kennst, aber kennen lernen solltest. Die Message ist eindeutig: sprich Ihn an und teilt gemeinsame Dinge mit euren Freunden. „Ähm.. Nein! Ich verzichte!“. Doch wenn das mal so einfach wäre. Um auf diese Art von Messages zu verzichten, muss man nämlich die Statusupdates der Freunde aus dem Newsfeed schmeißen. Das geht allerdings nur wenn man den Freund aus seinem Newsfeed schmeißt, denn die anderen Funktionen wie „nur wichtige Aktualisierungen“ oder „die meisten Aktualisierungen“ verbergen, bringen mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Wir wollen alle soziale Kontakte und wollen folglich auch Kontakte in Facebook sammeln und pflegen. Allerdings wollen wir nicht verkuppelt werden und regelmäßig von Individuen erfahren, die uns nichts bedeuten und mit denen man augenscheinlich versucht über Verbindungen gezieltere Profile anzulegen. Diese Strategie der diktatorischen Bestimmungen á la „folge allem oder verliere alles“, ist eigentlich nicht die Mentalität die uns Zuckerberg noch vor einigen Jahren mit seinem Facebook injiziert hat. Facebook war mal COOL! Und das war das Erfolgsrezept und der Garant warum die VZ-Netzwerke durchgereicht worden. Heute allerdings bekommt man schon nach zwei Minuten surfen auf Facebook, den Drang jemanden gewaltig in den Allerwertesten zu treten.

Google, der Freund der Innenminister

Ein anderes Beispiel für den Verlust zum Bezug der digitalen Welt, lieferte Google noch bis vor ein paar Wochen. Die Klarnamen-Debatte machte das Unternehmen und sein soziales Netzwerk Google+ für einige Nutzer äußerst unbeliebt. In der Debatte ging es Google darum zu verhindern, dass die Nutzer Pseudonyme auf deren Plattform nutzen können. Eine Haltung, die den Grundpfeilern und dem Gedanken an ein freies Netz, so hart entgegen standen, dass sich kurzerhand und wild entschlossen einige einflussreiche Netzaktivisten mit dieser unlauteren Einstellung des Unternehmens auseinander setzten und Google ins Gericht nahmen. Nach wöchentlichen Debatten, einem offenen Brief an das Management und dem Fernbleiben der User auf Google+ ist das Unternehmen zum Schluss zwar eingeknickt, doch bleibt der Imageschaden bestehen. Das Unternehmen Google, das einst in einer Garage in Menlo Park gegründet wurde und das zum Mekka aller Entwickler, Programmierer und Internet-Nerds schlechthin wurde, hat hier bewiesen, wie stark es sich marktwirtschaftlichen Strategien ausgeliefert hat und wie sehr die Community und die Garanten für Googles Erfolg dem Unternehmen eigentlich egal waren. Mit dem Ziel, genauere, personifizierte Daten zu sammeln, die Google für sein Werbenetzwerk nutzen will, wurden sogar die alten Ideale verraten. Anonymität im Netz? Fehlanzeige! Bundesinnenminister Friedrich und Konsorten hätten Larry Page und Sergej Brin dafür sicher das Bundesverdienstkreuz verliehen. Doch hat der User hier noch einmal eingelenkt. Ob er so schnell vergessen und auch verzeihen kann, hängt sicher davon ab wie Google sich zukünftig verhalten wird. Bei vielen hartgesottenen Nutzern jedenfalls spielt Google nicht erst seitdem keine besondere Rolle mehr.

Apple, der Verräter der eigenen Werte

Den absoluten Super-Gau in Sachen Verbraucher-Politik setzte vor kurzem Apple um. Wenn das Unternehmen aus Cupertino je für irgendetwas gestanden hat, dann für edles Design und für ein narrensicheres Betriebssystem, das allen menschlichen Bedürfnissen entgegen kommt. Schön waren die Zeiten in denen man sein iPhone nutzte und sich der gesamten Tech-Arroganz anderer Hersteller entziehen konnte. iOS und seine abgestimmte Hardware lief zuverlässig und darauf war so manch ein Fanboy stolz. Seit vor kurzem allerdings iOS 5 herauskam hat Apple sich so einige Patzer geleistet. Der Abruf von Mailkonten, die Synchronisation von Notizen und die Abschottung der iCloud vor Upgrades ließ und läßt jeden Apple-Kenner zweifeln. Der Fehler lag anscheinend an dem starken Download-Volumen der Nutzer, die bei dem Release fast das Netz durch das Herunterladen gekappt hätten. Der Fehler, dass die Server schwächelten, wurde aber nicht in den eigenen Reihen gesucht, sondern kurzerhand auf den Downloader geschoben. Dabei wird es sich das Unternehmen doch wohl leisten können mehrere Server mit den notwendigen Kapazitäten bereitstellen zu können, oder? Die Gadgets immerhin, sind doch teuer genug. Wer es dann irgendwann geschafft hat, sich die Betriebssoftware herunterzuladen, der bekam jedoch schnell einen weiteren Dämpfer. Die iCloud, die in der neuen Version ebenfalls verbreitet wurde, versuchte zum Beispiel bei einigen Nutzern, sich permanent mit dem Smartphone zu verbinden. Dadurch sind enorme Daten hoch- und runtergeladen worden, die sich mit den Standardvolumen einiger Mobilfunk-Tarife nicht vereinbaren ließen. Das Schlimme daran war auch, dass viele diesen Dienst nicht ausschalten konnten. Der geneigte Apple-Nutzer hat vergeblich nach dem gewohnten einfachen Feature oder Button gesucht, der das Problem behob. Die Lösung war Apple-untypisch. Man musste seinen Account zur iCloud löschen. Tolles Gerät und tolle Features, die teuer bezahlt wurden, konnten somit nicht genutzt werden. Von einfacher Usability fehlte jede Spur. Und somit hat Apple erstmalig alt ausgesehen in Bezug auf Qualität und fehlerfreie Systeme.

Vergesst nicht wer Ihr seid

Damit ein Konzept im Netz oder rund um das Netz erfolgreich wird, bedarf es immer einer Komponente für den Erfolg – den Kunden. Die Anzahl der User macht aus, ob Budgets für Vermarktungen Sinn machen oder ob Investoren sich für das Produkt begeistern können. Im Falle Apples sogar, ob ein Unternehmen überhaupt noch Releases finanzieren kann. Hat die Internet-Community rundum Blogger, Nerds und Techies aller Art einer Idee und einem Unternehmen erst einmal den Stempel „Prädikat: Besonders wertvoll!“ aufgesetzt, dann passiert der Rest meist von ganz alleine. Die Idee und deren Monetarisierung feiern Ihren Erfolg. So lief es bei Facebook, Google und auch bei Apple. Doch seit einiger Zeit sind es gerade diese erfolgsverwöhnten Helden der Szene, die keinen Wert mehr auf Ihren Ruf bei dem Nutzer legen. Sie denken anscheinend, es geschafft zu haben und wollen nur noch Helden der Branche werden. Dabei riskieren Sie ihr Gesicht und ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das was überhaupt erst zur Loyalität der Nutzer geführt hat. Vielleicht sollten die Unternehmen sich ein klein wenig wie Linus Torvalds verhalten. Der hat nämlich gestern in einem ZEIT-Interview gesagt, dass sein LINUX zu komplex geworden ist und es simpler werden müsse. Ein Eingeständnis, dass nicht nur bei Entwicklern vertrauen stiftet. Da hat sich jemand noch nicht komplett verkauft!

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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2 comments

  1. Schöne Zusammenfassung des „Verrats“.

    Zu Facebook ergänzen kann man die Entscheidung, die Persönlichen Angaben wie Wohnort, Uni und Arbeitsplatz prominent sichtbar und dauerhaft auf dem Userprofil zu positionieren.

    Es führte dazu, dass diese Daten (oft erstmals) von den Nutzern aktualisiert wurden.

    Zuvor war die grundlegende Datenbasis über User sicherlich zu ungenau und gering, um Werbung auf fb zu verkaufen. Die o.g. Änderung der Userprofile war keine Verbesserung der Nützlichkeit von fb für den user, sondern für die Userdatenbasis der sich die Werbetreibenden bedienen.

    Allerdings bewundere ich fb für diese kühlen Entscheidungen.

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