Die Timeline ist seit gestern auch in Deutschland und dem Rest der Welt erreichbar. Zuckerberg hat damit mal wieder eine Grenze gesprengt und ein weiteres Tabu gebrochen. Hier, in der Bundesrepublik, sieht man das Vorhaben noch skeptisch. Doch ist sich der Facebook CEO sicher: “Post-Privacy is the next big thing”. Diesen Gedanken muss man nicht teilen, doch gibt Ihn der bisherige Erfolg Recht.
Die Timeline sieht schön aus und gerade für Personen die ihr Facebook-Account auch beruflich, oder sagen wir „professioneller“ nutzen wollen, als der Otto-Normal-User, öffnen sie neue Sichtweisen. Denn: die Timeline funktioniert im Grunde nicht anders als ein Blog. Der Aufbau erinnert ein wenig an Scoop.it. Hier ein Textfragment, dort ein Textpart, ein nettes Video, das man mit der Funktion „besonders hervorheben“, prominent über all die anderen Bereich legen kann. Das Design ist ebenfalls gelungen. Und fordert Kreative regelrecht heraus. Schon seit längerem gibt es in den Staaten Wettbewerbe, indem es darum geht den Headbereich mit stylischen Kollagen zu verfeinern. Dabei versucht man das Titelbild mit dem Profilbild verschmelzen zu lassen und so für einen Aha-Effekt bei dem Betrachter zu sorgen. Das alles hat einen coolen Touch und wirkt geradezu anziehend. Auch ich habe mein Profil vor einigen Wochen bereits der Timeline zugänglich gemacht über Facebooks ebenfalls neuen Open Graph. Und ganz ehrlich. Es hat mir seitdem viel Spaß bereitet.
Doch ist nicht alles Gold was glänzt. Kritik an dem Roll-Out ist nicht ganz unbegründet. Die Timeline zeichnet dein ganzes digitales Leben auf Facebook auf. Und zwar nicht mehr nur im Backend, wie wir es bereits von Facebook kennen, sondern von nun an auch im Frontend. Die Lebenschronik ist binnen weniger Klicks erreichbar und man muss nicht mal lange scrollen um Beiträge, von vor drei Jahren, wieder aus der Versenkung zu holen. „Das Netz vergisst nie!“, war bisher immer nur so eine Phrase, die man gerne als Datenschützer in die Presche geworfen hat, doch liefert Facebook mit seiner Timeline jetzt den ultimativen Beweis. Dennoch, liegt der Teufel im Detail. Facebook geht mit seiner Timeline, bei aller Kritik, auch ein wenig auf den User ein. Die vollständige Offenlegung aller jemals geposteten Inhalte ist zwar möglich, aber nicht die Regel. Jeder Post kann beschränkt werden. Hier bitte nur für Freunde ausgeben. Dort bitte öffentlich posten. Wer sich selber Memos machen möchte in der Timeline, kann sogar sagen: diesen Post bitte nur für mich sichtbar machen. Alles kann, nichts muss.. ist hier die Devise. Es kommt auf den Nutzer selbst drauf an. Und ganz nebenbei kann man sogar den sogenannten Kahlschlag durchführen und die Funktion: „Beschränke das Publikum für ältere Beiträge“ anlegen. Selbst ist der Mann bzw. die Frau. Eigenverantwortung ist das Schlüsselwort und somit kommt man, wenn man sich denn nicht zurückhalten mag mit Posts, um ein wenig Arbeit nicht herum.
Sinn und Zweck bleibt für die Meisten, dennoch verborgen. So wurde ich gestern auf diese Neuerung angesprochen, was das denn soll. Und warum man den User wieder mit so einer Neuerung konfrontieren muss. Nun ja. Wie mit allen Innovationen verknüpft, stehen natürlich wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Auch Facebooks Wachstum hat Grenzen. Und wenn man irgendwann nicht mehr mit den hochschnellenden Anmeldungen bei Investoren punkten kann, dann muss man mit anderen Argumenten überzeugen. Einer der Hauptgründe warum Zuckerberg die Timeline einführt ist, neben der ideologischen Sichtweise (Post-Privacy-Ära), dass Facebook zum Content-Manager werden will. Die Timeline zeichnet wie gesagt alles auf und spiegelt es in der Chronik wieder. In Verbindung dessen, möchte Zuckerberg auch, dass andere sehen, was der User so kuratiert. Online-Dienste-Anbieter können durch Social-Apps dafür sorgen, dass jeder gelesene Artikel oder jedes gehörte Musikstück in der Timeline erscheint und somit auch von den Freunden, Bekannten und Verwandten gesehen werden kann. Mit dem, in dem Zusammenhang, eingeführten Frictionless Sharing, kann man die Reichweite der Inhalte solcher Dienste stark erhöhen. Eine ausführlichere Erklärung des Ganzen habe ich einmal in einem älteren Beitrag: „Frictionless Sharing: eine neue Form des Teilens“ zusammengefasst.
Weiterhin möchte Zuckerberg natürlich wieder für mehr Entertainment in dem sozialen Netzwerk sorgen. Viele sind gelangweilt durch die inzwischen eingestaubte Funktion der Statusmeldungen. Das Kuratieren soll wieder mehr Spaß am Umgang mit Facebook bringen. Manche Leute mögen das „bei der Stange halten“ nennen. Doch ganz so zynisch möchte ich nicht sein.
Wer sich die Timeline installieren möchte kann dies also ab sofort tun. Im Moment ist das ganze Prozedere noch freiwillig. Doch kann man von ausgehen, dass es in naher Zukunft zum Konsens wird. Ausprobieren kann man das Livebook in dem man den Link: facebook.com/about/timeline folgt und die Chronik freischaltet. Was mich abschließend doch sehr interessiert ist, wie Ihr persönlich zu der Timeline steht. Findet Ihr es aufregend? Seht Ihr Vorteile für euch darin? Oder nehmt Ihr eher die Skeptikerrolle ein? Wenn ja warum?
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Schlagwörter: Chronik, facebook, Roll-out, Timeline
6 comments
Skeptikerrolle, aus dem Bauch heraus. Das liegt auch daran dass ich FB zwar gern und oft nutze, das Profil selbst aber so leer wie irgend möglich halte. Was es über mich zu erfahren gibt, das erfährt man aus der Interaktion, plus ein paar Bildern.
Meine Skepsis ist nun die, inwieweit diese neue „Timeline“ Altes gegen meinen Willen zur Verfügung stellen wird. Mal anschauen werde ich es trotzdem …
Lieber Ludwig, dann macht es natürlich auch Sinn, die Posts die dir widerstreben zu löschen. Ich hoffe du bist noch nicht allzu lange dabei… ;) Ich habe es auch gemacht und einiges einfach verbannt.
Die Timeline halte ich für vollkommenen Schwachsinn. Klar, mal wieder ein schönes Gimmick für die heutige Generation ab 15. Wer Bilder in FB reinsetzt, auf denen er/sie erbrechend über einem Klo hängt, der will natürlich die Welt wissen lassen, wann das genau war…
Was ist mit Journalisten, Künstler, Bloggern etc. die sich so eine Chronik ihrer Arbeiten anlegen können? Ich finde diesen Gedanken irgendwie interessanter, als die Timeline auf ein Gimmick für betrunkene Kids runterzubrechen.
Ja schon, aber es gibt wohl mehr betrunkene Jugendliche, als Journalisten, Blogger, usw.
Die Timeline ist halt ein gelungenes Werkzeug von Facebook, alles noch ein wenig detallierter zu dokumentieren…ob im positiven oder im negativen Sinn, das muss jeder für sich ausmachen. Für mich ists weitestgehend negativ.