Readmill ist zunächst ein Reader für ebooks, aber auch eine Art soziales Netzwerk rund um das Thema eBook, das nicht auf Empfehlungen sondern dem tatsächlichen Gebrauch, also dem realen Lesevorgang basiert. Das Thema Quantified Self lässt grüßen, hier geht es aber eben nicht um das Einchecken in Kneipen und Büros sondern um das Einchecken in eBooks…
Jennifer: Ich spreche heute mit Henrik Berggren, einem der Gründer der Social reading Plattform Readmill, die vor zwei Wochen gestartet ist. Henrik, danke, dass Du Zeit für uns gefunden hast.
Henrik: Kein Problem, mach‘ ich doch gern.
J: Erzähl uns doch bitte etwas über Dich und den anderen Gründer von Readmill. Ihr habt vorher für das bekannte Berliner Startup SoundCloud gearbeitet?
H: Ja, das ist richtig, Ich habe Readmill zusammen mit einem meiner besten Freunde gegründet, David [David Kjelkerud]. Wir sind übrigens auch aus Schweden und gingen zur selben Schule wie Eric und Alex, die Gründer von SoundCloud. Daher kennen wir sie schon lange und kamen im Jahr 2008 zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu ihrem Projekt. Ich arbeitete dort für fast ein Jahr als Plattform- und Partner-Entwickler. Ich habe Engineering and Entrepreneurship am Royal Institute of Technology in Stockholm studiert und war schon lange mit Computern per Du. Meinen ersten Rechner bekam ich mit 11 Jahren und habe seither weiter gemacht. Ich habe mich dann auch für Computer-Kultur und solche Sachen interessiert, für das Web erst recht. Ich bin wirklich leidenschaftlich, was das Web angeht.
J: Woher kam die Idee für Readmill und wie hat sie sich entwickelt?
H: Ich wollte schon lange eine Buch-Website machen und nachdem ich bei SoundCloud aufgehört hatte und meinen Abschluß an der Uni in Schweden machte, war ich viel unterwegs um in mich zu gehen und vor allem, um das nächste große Ding zu drehen. David und ich stolperten über iBooks (App für das iPad) als wir etwas für Kunden erledigten. Das iPad war gerade draußen und eBooks waren in einer frühen Phase, gerade in Schweden. Das Ganze wurde für uns sehr schnell sehr interessant, aber als wir iBooks selbst ausprobierten, waren wir enttäuscht, weil es einfach schlecht war. So als ob einer das an sich fantastische reale Buchregal aus der Wohnung genommen hatte und daraus eine wirklich schlechte digitale Kopie angefertigt hatte und die auf den Monitor knallte. Es gab dort keine Verbindung zu den Erfahrungen aus dem Web. Yeah, da waren so viel Sachen, die einfach fehlten. So fingen wir an Ideen zu sammeln und auszuprobieren, wie man die Erfahrungen im Umgang mit Büchern mit dem Web verbinden könnte und wie das Ganze sich im Design auf einem Monitor spiegeln würde. Dann sprachen wir mit einem alten Freund von mir, Jyri Engeström, der Jaiku entwickelt hatte, einen Wettbewerber von Twitter, was er später an Google verkauft hatte. Er sagte mir, dass wir nach San Francisco komme müssten. Wir müssten mit unserer Idee dort herumlaufen und einige Leute treffen, er würde uns dort einführen. Eine der Personen, denen er uns vorstellte, war Caterina Fake [flickr]. Und ich denke, das im Moment jeder der irgendwie an Readmill interessiert ist, das Bild mit Caterinas Ulysses-Ausgabe kennen, die voller Notizen und Markierungen und Marginalien ist, so nennen wir diese persönlichen Zusatzinfos. Das war irgendwie der Startpunkt für Readmill. Wir hatten verstanden, dass man so etwas digitalisieren müsste und zwar als social software, sodass man diese Notizen mit anderen teilen kann. Das ist es, was Readmill im Kern darstellt.
J: Wann war das?
H: Letztes Jahr im Dezember.
J: Von da an ging es dann alles ziemlich schnell?
H: Ja, eigentlich zeigt ich auf der LeWeb Konferenz in Paris das Foto Travis [Kalanick], dem Gründer von Uber – und er sagte: “Henrik, Du weißt was das ist? Es ist eine Geldmaschine.” Und er konnte kaum richtiger liegen, denn wegen dieses Fotos haben wir unsere Investoren bekommen [lacht].
J: Du sagtest Readmill wäre ein Werkzeug, um Lesen als gemeinsames Erlebnis zu realisieren. Was sind also die Hauptfunktionen? Wie funktioniert es?
H: Es ist sehr einfach. Wenn Du ein Buch liest kannst Du einfach Stellen, die Dir gefallen markieren per Highlighting. Mit dem Highlight-Button kannst Du diese Stelle aber auch mit anderen teilen. Auch Kommentare sind natürlich möglich und dann kann man das Ganze via Twitter, Facebook oder Tumblr versenden, sodass es an Follower und Freunde verbreitet wird. Natürlich können auch sie wiederum ihre Meinung dazu kommentieren. Wir speichern alle Daten rund um das Lesen automatisiert, dann kannst Du sehen wie weit Du bist mit dem Buch, wie lange Du schon dran gelesen hast – und sowas eben. Jetzt erst, letzte Woche haben wir etwas ziemlich Cooles hinzugefügt, man kann nun in einer Art Sidepanel neben dem eigentlichen Buchtext durch die eigenen markierten Abschnitte browsen – auch die Abschnitte von anderen kann man so durchstöbern. Dann sieht man welche Stellen im Buch ihnen gefallen haben und welche sie mit andern geteilt haben und kommt schnell an diese Stellen im Buch.
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J: Was denkst Du sind die echten Vorteile für die Nutzer und wie unterscheidet sich Euer Tool von Goodreads und anderen Mitbewerbern?
H: Ich denke im Fall von Goodreads, dass sie es wirklich gut machen, aber es geht dort primär darum, die gesamte Lesehistorie einer Person abzubilden. Das ist es nicht, was Readmill ausmacht. Readmill fokussiert eher auf die Gewohnheit und den aktuellen Lesevorgang sowie das Teilen von Inhalten und Daten und mehr noch. Wir bauen daraus ein wirkliches soziales Objekt rund um die Erfahrung eines Buchs mit Daten, Markierungen und diesen Sachen. Sinn macht es dann, wenn man daran teilhat, was die Freunde und Bekannten lesen – und das eben besonders leicht zugänglich. Wir sind ja auch fokussiert auf eBooks. Wir sind eben nicht darauf aus, dass Leute Sachen manuell machen. Wir sind eher ein digitaler Service für ein digitales Produkt, der uns besser fokussiert und nicht so viele Dinge umfasst wie andere sie tun. Aber es gibt viele andere interessante Wettbewerber mit denen wir uns noch auseinandersetzen müssen.
J: Du hast erwähnt, dass Readmill benutzt werden könnte als ein Marketing-Tool für Verleger. Kannst Du uns dazu mehr sagen?
H: Klar! Zunächst nutzen heutzutage bereits alle Autoren der großen Verleger nutzen es um den eigenen Büchern Notizen hinzuzufügen. Das bedeutet, dass sie Kommentare hinzufügen, wie ein Regisseur das tut bei einer DVD-Produktion. Als Leser oder Interessent eines Buches kann es nun lesen mit einer Hintergrund-Story des Autors. Wir haben einen Autor namens Aaron Gustafsson auf der Website, der Kommentare zu seinem Buch “Adaptive Web Design”hinzugefügt hat. Es ist sehr cool die Hintergründe zu einigen Bereichen seines Buches zu erfahren. Er erzählt also eine Geschichte zwischen den Zeilen seines eigenen Buches. So kann man Mehrwert hinzufügen zu einem bereits erschienen Buch, das können die Verleger nun mit ihren Autoren gemeinsam realisieren.
Oder sie können andere Leute bitten ihre Meinungen abzugeben, zum Beispiel Kritiker. Wir machen oft Witze darüber, dass Stephenie Meyer Eward einige Kommentare abgeben lassen könnte zu einem der Twilight-Bücher. Das würde einige Leute wahrscheinlich irre machen [lacht]. Aber aus analytischer Perspektive gesehen, was Du wahrscheinlich meinst, kann man so erkennen, wie Leute heutzutage Bücher konsumieren, speziell elektronische Bücher. Denn da ist eine ganze Menge interessanter Daten, die Verlegern helfen kann, herauszufinden, wo man die Marketingausgaben hin tut. Vielleicht kann man ja in Zukunft bei einem interessanten Debutroman den frühen Entdeckern dieses Autors einen besonderen Rabatt geben, einen exklusiven Vorabdruck oder ähnliches. Wir wissen wer diese Leser sind und können diesen Kanal öffnen. Das sind nur zwei Beispiele.
J: Und was gibt es demnächst Neues bei Readmill? Ihr habt eine iPad-App und was ist mit Android?
H: Ja, es gibt nächstes Jahr vieles Neues. Es werden aufregende Monate Anfang des Jahres. Wir werden uns zunächst auf unsere Partner konzentrieren, mit denen wir Neues launchen werden, das Leuten unsere Funktionen ermöglicht, die andere Apps zum Lesen benutzen wie txtr beispielsweise (aber auch anderen Apps). Innerhalb dieser Apps gibt es uns dann auch, sodass man die Raedmill App nicht unbedingt nutzen muss, denn man kann sich dort kann man sich mit dem eigenen Readmill-Account anmelden. Das wird cool. Außerdem werden wir eine iPhone-App mit unserem Reader an Start haben, worauf ich sehr gespannt bin. Es ist schon eine Designherausforderung, um einen guten social reader zu bauen auf diesem kleinen Bildschirm, aber alles ist möglich. Und dann werden wir uns später auch um Android kümmern. Es wird also viel für uns zu tun geben, aber ich freu mich drauf.
J: Wieviele Leute arbeiten denn bei Readmill?
H: Wenn man jeden zählt – wir haben einige, die nicht ganztags arbeiten – werden wir neun Leute sein im neuen Jahr. Wir werden größer. Es macht echt Spaß.
J: Warum seid ihr eigentlich in Berlin?
H: Weisst Du ich lebte ja schon hier als ich für SoundCloud arbeitete. David und ich waren ja auch hier schon gemeinsam unterwegs. Wir sind große Techno-Fans und lieben die Kultur und das Drumrum hier. Ja und wie bereits gesagt, zwei unserre besten Freunde sind mit Eric und Alex bereits hier und machen tolle Sachen mit SoundCloud. Wir entschieden, dass wir ein Abenteuer beginnen würden und eine globale Firma von Beginn an im Auge hatten. Der beste Weg das zu tun ist es aus der Bequemlichkeit auszubrechen und das Ganze zu erleben indem man aus dem eigenen Land auszieht, wo man die eigene Sprache spricht und wo es auch noch echt kalt ist – also gingen wir südwärts. Bis jetzt ist es toll hier. Wenn mich weiner fragt wie man so viel Presse bekommt im eigenen Land, dann sage ich geh einfach ins Ausland und bau da was auf [lacht]. Das ist der beste Weg im eigenen Land bekannt zu werden.
(Übersetzung: Jörg Wittkewitz)
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Das Interview als WMA-Audio-Datei…
Interview: Henrik Berggren von Readmill
Und dasselbe als mp3…
Interview: Henrik Berggren von Readmill
Foto: Readmill
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Schlagwörter: Interview, Readmill, startup
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