Im Interview spricht Amen-Gründer Felix Petersen über die Startup-Szene in Berlin und was die Politik dafür tun muss. // von Jennifer Collins
Felix Petersen ist der Gründer der erfolgreichen Plattformen Amen und Plazes. Ich habe ihn vor einigen Tagen im Rahmen der NEXT12, zu der Berliner Startup-Szene interviewt, über die er dort mit Mike Butcher von TechCrunch, Edial Dekker von Gidsy und David Nöel von Soundcloud eine Podiumsdiskussion geführt hat. Felix beleuchtet unter anderem einmal, was die Berliner Szene heut von der Anfangszeit unterscheidet. Und was Politiker tun können, um Innovationen zu fördern. Auf ein Wort.
Jennifer Collins: Es gab dieser Tage eine Menge Gerede darüber, dass die Berliner Startup-Szene zwar eine sehr kleine, aber dennoch sehr aufgeschlossene und inzwischen sehr aufbauende Branche geworden ist. Ist das tatsächlich der Fall? Wie macht sich das deutlich?
Felix Petersen: Ja, es ist immer noch eine sehr kleine Szene. Sie startete aber aus dem nichts. Ich glaube so in etwa 2004… und hat seitdem viele Phasen durchlebt. 1999/2000 war da nur so etwas wie eine Community, als z.B. auch die Netzpiloten starteten. Aber es war auch eine andere Ära. Sie war weniger produktorientiert. Da waren nur einige Entrepreneure von Business Schools, Geschäftsleute die ein wenig Geld mit Internet-Dingen machten, aber dann auch recht schnell mit ihren Firmen pleitegingen oder deren Geschäftsmodelle änderten und dann irgendwann verschwunden waren.
Als ich, sagen wir mal 2004, mein erstes Unternehmen in Berlin startete, war da nicht viel. Dieser Tage ist es hier sehr pulsierend, doch immer noch klein. Ich meine alle reden davon, dass Berlin, dass neue Silicon Valley ist, aber wenn du auf die Zahlen schaust, im Vergleich zu London, sind hier nicht so viele Firmen aktiv, und dennoch wächst die Zahl ständig. Ich meine hier sind inzwischen 11.000 Jobs rundum die Startup-Szene in Berlin entstanden. Da sind über 1.000 neue Unternehmen, ich glaube überwiegend Tech-Startups, entstanden. Aber es gibt auch andere Branchen. Die Musik-Branche ist eine dieser. Da sind eine Menge Leute, die sich um sich herum bewegen, sich anziehen und die gleiche Idee davon haben, was für ein Unternehmen sie aufbauen und welche sie gerne erfolgreich sehen wollen. Was ich also sagen will ist, dass da heute eine mehr international-denkende Welle entstanden ist, die auch mehr produktorientiert agiert. So wie z.B. auch Amen.
Und dann sind da noch die vielen verschiedenen Inkubatoren, Gründungszentren, die es verstehen die Internationalisierung bereits existierender Unternehmen noch zu perfektionieren. Das sind sehr sehr gute Förderer. Ich persönlich glaube da gibt’s noch viel mehr… Ich weiß z.B. nicht viel über e-Commerce wenn ich ehrlich bin.
Man macht einfach die Dinge, die man mag und in denen man gut ist und das ist dann auch die Sorte Mensch, die idealerweise clevere, soziale Plätze schafft. Es ist einfach beides möglich. Entweder sie gehen pleite oder sie werden richtig groß. Aber genau das ist die Sorte von Unternehmen, die ich selber so mag. Dadurch hängt man auch mehr mit Menschen ab, die ebenfalls über Internet-Produkte etc. nachdenken.
Es gibt jedenfalls einige ähnliche Dinge die gerade aus Berlin kommen wie z.B. Moped oder Toast – interessante, kleine und clevere Dinge, die falls sie funktionieren durchaus auch Email oder ähnliche Sachen ersetzen können.
JC: Du sagtest, dass diese Entwicklungen in Wellen kamen und dass du selber dein erstes Unternehmen 2004 gegründet hast. Glaubst es war damals anders für dich in diese Szene zu kommen, als für Personen die jetzt dazu stoßen? Glaubst du es ist heute leichter, weil das Netzwerk jetzt größer geworden ist?
FP: Je reifer eine Szene wird, und Berlin wird immer reifer, desto mehr profitieren die Allerbesten. Das Geschäft in dem wir uns befinden, ist ein hartes Geschäft. Entweder du lieferst und es funktioniert oder es tut es nicht, richtig? Und, weißt du, erst mögen sie dich nicht und glauben nicht an deinen Erfolg und dann kommt die Kehrtwende und auf einmal tun sie es doch. Doch selbst der hochkarätigste Gründer, der vielleicht fünf erfolgreiche Unternehmen vorher gegründet hat, kann mit seinem sechsten Unternehmen floppen und auf einmal redet kein Mensch mehr von ihm.
Wenn du wirklich gut bist in einem mehr wettbewerbsorientierter werdenden Umfeld, bekommst du auch gute Leute und noch mehr dieser guten Leute kommen dann auch nach Berlin, aber der Wettbewerb wird dadurch natürlich noch stärker. Mehr Kapital wird verfügbar, aber es wird auch zunehmend nur verfügbar für die Unternehmen, die funktionieren. Wenn ein neues Ökosystem startet wie vor ein paar Jahren in Berlin, dann kannst du vielleicht Geld einsammeln einzig und alleine aus der Tatsache heraus, dass du in Berlin bist und daraus resultiert dass vielleicht auch viele nach Berlin kommen.
Damals war es mehr wie eine Investition in eine Chance und früher war man vielleicht nicht so kritisch wie mit anderen Unternehmen im eigenen Land oder mit Unternehmen aus dem Valley oder aus London.
Also ich denke es stehen mehr Ressourcen für die exzellenten Personen zur Verfügung, für die Hochrangigen unter Ihnen und sie bekommen mehr und mehr Möglichkeiten. Aber es ist inzwischen auch schwieriger herauszustechen. Die Szene ist ausgeglichener als zu Beginn, weil du heute nicht wissen musst das man Geld verdient, du musst wissen wie man Geld verdient. 2004 war es eher so, dass viele Leute gute Ideen hatten und Projekte starteten wie wir mit Plazes, aber keine Ahnung hatten, wie man diese Ideen in Unternehmen umwandelt.
Also allein der Fakt, dass wir eines der Unternehmen waren, die das herausfanden, hat uns einen großen Vorteil gebracht. Heute kann einfach jeder beginnen. Man weiß, wie es funktioniert etwas zu monetarisieren. Jeder kann es inzwischen nachlesen. Jeder hat den Zugang zu Investoren, sobald die Idee anfängt zu arbeiten. Die Infrastruktur kostet nichts. Da gibt es nichts, was dich stoppt, solange du mit deiner Idee aus der Masse herausstichst. Allein der Fakt, dass du ein Startup gründest, reicht nicht mehr aus. Während es 1999 zum Beispiel für die Medien eine interessante Story war, ist es heute eigentlich keine Erwähnung mehr wert.
JC: Da ist also so ein großer Hype um Berlin derzeit, vielleicht ist es auch ein aufgeblasener Hype. Aber gab es einen Punkt, deiner Meinung nach, an dem dieser tatsächlich losgetreten wurde?
FP: Ja, ich denke letztes Jahr wurde es richtig aufregend. Das muss ich schon sagen. Vorher war es eine interessante Stadt, aber Menschen wie Erik und Alex haben mit Soundcloud Berlin dann so richtig interessant gemacht, obwohl ich glaube, dass sie anfangs einfach nur einen coolen Platz zum Leben und Arbeiten gesucht haben, als sie herkamen. Aber weniger weil Berlin eine tolle Startup-Stadt war, weil dann wären sie mit Sicherheit eher nach London gegangen. Doch letztes Jahr hat sich das erst so richtig gewandelt. Ich glaube, da gibt es inzwischen keine strukturellen Unterschiede mehr sein Startup hier zu gründen. Der große Unterschied begann damit, dass Berlin mehr internationales Augenmerk erhalten hat und die Stadt dadurch ein wenig mehr Bestätigung erhalten hat. Wir haben das erstmals mitbekommen, als wir mit Leuten sprachen, die dann herkommen sollten und sofort sagten: „Oh Berlin. Natürlich! Warum nicht?“.
Und die VCs (Venture Capitals) hielten dann regelmäßig Ausschau nach Unternehmen in der Stadt. Drei bis vier Jahre vorher dachten sie gar nicht an Berlin.
Ich glaube das wurde alles massiv im vergangenen Jahr beschleunigt. Und natürlich kamen dann auch airbnb, Groupon und diese ganzen Unternehmen nach Deutschland, um die Leute zu finden, die wissen wie man Unternehmen internationalisiert. Ich meine da sind einige große große Sachen von Berlin aus gestartet. Die Internationalisierung der ganzen Daily Deal Seiten in Südostasien wurden von Berlin aus betrieben. Das wurde auch zum Jobfaktor und so sind dann auch die lokalen Politiker hier aufgewacht und haben begriffen was hier los ist. Sie begannen über uns eine Menge Ruhm auszuschütten und das beschleunigt momentan auch einiges, glaube ich.
JC: Nun existiert ja auch das Phänomen der Piratenpartei in Berlin. Wir haben u.a. auch einen neuen IT-Beauftragten und solche Sachen. Glaubst dieser Umstand hilft der Start-up-Szene in Berlin?
FP: Ja, sicher. Aber am Ende können sie für uns gar nicht so viel tun. Ich denke zumindest nicht so viel wie ich selber tun könnte. Wenn ich etwas entwickle wie Amen, dann muss man einfach Bedingungen ausloten. Der Erfolg hat da nicht so viel mit Geschäftsentwicklungen, Marketing oder Politik zu tun. Natürlich beschweren sich Leute auch manchmal dass sie hier z.B. kein Visa zum Arbeiten bekommen. Das ist dann schon irgendwo eine politische Sache, aber es stoppt nicht den Erfolg eines Unternehmens. Das tut es wirklich nicht. Du musst hier auch einfach dein eigenes Ding machen. Und das Beste was die Politik tun kann ist unsere Arbeit einfach nicht zu behindern. Aber es ist schon ganz gut, dass Politiker wie der Bürgermeister unsere Branche anerkennt, sie ernst nimmt und zum Beispiel dafür sorgt, dass Jobs gut bezahlt werden, obwohl es vielleicht nicht so viele sind wie im Handwerk rundum Berlin. Aber die Jobs sind nun einmal die Zukunft und sie sind vielleicht auch ein wenig erträglicher in der Wertschöpfung.
Es ist schon sehr gut, dass die hiesige Politik nicht mehr nur die Filmindustrie umwirbt und auf Red-Carpet-Events geht, sondern inzwischen auch bei uns vorbeischaut und fragt: „Was können wir für euch tun?“. Andererseits gibt es hier auch einige die uns einfach nicht machen lassen wollen und zu viel reinreden. Das ist zumindest meine Meinung. Andere Gründer sehen das vielleicht ein wenig anders.
Es gibt so einige gute Sachen, was die Finanzierung angeht wie z.B. den Hightech-Gründer-Fond, der öffentliches Geld investiert anstatt nur subventioniert. So werden sie selber auch zu einer Art LP, also einem Limited Partner, in einem VC-Fonds. Ich finde, das ist ein interessantes Model. Ich glaube da geschieht politisch auch ein wenig. Aber ich glaube da braucht es noch ein wenig mehr Zeit. Denn es liegt eigentlich nicht am Mangel von Kapital. Interessant ist derzeit auch die Diskussion was sie nun mit dem Flughafen Tegel tun werden, weil sie den halt in eine Art Innovationscenter umwandeln wollen – irgendein Tech-Hub. Der Wirtschaftssenator fragte mich, was ich davon halte und ich meinte nur, schauen Sie was aus Berlin geworden ist nach der Anarchie und den Möglichkeiten nach dem Fall der Berliner Mauer. Aufgrund der Freiheit und dem strukturellen Mangel, dem Mangel an politischen Interventionen konnte die berlin-typische Szene erst entstehen, auch wenn sie ein wenig verzögert kam. Da woher diese Szene kam, gab es viel Platz. Viele Möglichkeiten. So ist die Clubszene entstanden. Die Startup-Szene, ist daraufhin dann erst als Produkt der Clubszene und der Musikszene entstanden, weil diese Umstände attraktiv waren für Menschen und Innovationen angezogen wurden.
Bevor Berlin zu dieser Startup-Hauptstadt wurde, war Berlin erst einmal nur ein Ort, wo es sich lohnte zu leben. Wo Menschen diese Energie liebten und daraus dieser Open-minded-Gedanken nach dem Fall der Berliner Mauer entstand. Es ging gar nicht darum, dass hier alles günstig ist. Es ging viel mehr darum, dass hier so wenig reguliert war. Du konntest dir einfach ein altes Warenhaus schnappen und damit etwas tun. Zum Beispiel einen Club eröffnen. Und selbst wenn ein halbes Jahr später der eigentliche Besitzer kam und sein Warenhaus wieder zurück haben wollte, war das egal. Dann ist man einfach weiter gegangen und hat sich ein neues gesucht. Das war möglich durch den fehlenden Eingriff der Berliner Regierung. Da war kein Masterplan Berlin zur Startup-Stadt zu machen. Nun wollen sie überall aufspringen und denken: „Oh großartig. Da ist etwas, dass wir benutzen können. Starten wir doch irgendein Programm damit.“ Das ist dann genau diese Art von Scheiße, die nicht klappen wird. Das wird nämlich genauso eine Weile dauern, doch anstatt sich auf die Dinge zu konzentrieren, die gerade irgendwo passieren wie die Startup-Szene, das Internet, das Mobile Business oder sowas, sollten sie lieber dafür sorgen, dass sie Möglichkeiten und Chancen schaffen, die die Belange der realen Welt berücksichtigt, also wie so eine Stadt eigentlich funktioniert. Dinge wie Carsharing, Dinge wie dezentralisierte Elektrizität geben den Menschen vielleicht eher Chancen neue Startups zu gründen. Weil das sind die Sachen die wirklich interessant werden in zehn Jahren. Nicht die Sachen, die gerade jetzt passieren. Da sind die Planer meistens immer zehn Jahre hinterher. Das ist das Problem.
JC: Eine Frage hätte ich abschließend noch: Du hast ja nun die Page Amen gegründet, welche du ja selber als eine Opinion-Making-Site beschreibst. Was ist das Gute daran ein Startup in Berlin zu sein und was ist schlecht daran?
FP: Das Gute ist in Berlin zu sein. Und das schlechte daran ist, nicht in San Franciso zu sein.
JC: Danke, Felix! (lacht)
FP: Immer wieder gerne! (lacht)
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