Im aktuellen Netzpiloten Boarding Call fragen wir Personaler und Branchenprofis nach dem Status Quo zum Social-Media-Recruiting im Web.
Soziale Medien haben Karrierepotenzial. Das haben viele Personalmanager in den letzten drei Jahren mehr und mehr erkannt. Doch wie stellen sich Unternehmen inzwischen an, wenn es um die Talentsuche im Netz geht? Welche Probleme haben sie und welche Chancen ergeben sich, wenn sie diese überwunden haben? Welche Kampagnen haben besonders beeindruckt? Diese Fragen beantworten uns heute die beiden HR-Profis Robindro Ullah und Steve Fogarty.
Robindro Ullah – DB
Ich fasse die Frage mal kürzer zusammen: ist Social Media in der deutschen Unternehmenslandschaft angekommen? Meine Antwort dazu ist: NEIN. Natürlich gibt es überall Ansätze, gute Ideen und Best Cases – aber wenn wir mal ehrlich sind, in welchem Unternehmen hat Social Media bereits den „Everyday“-Status erreicht? Meinen Blick richte ich bei dieser Aussage in Richtung Konzerne und KMUs. Eine Facebook Fanpage reicht da nicht. Ebenso wenig reicht mir da ein Twitterkanal oder aber eine voll integrierte Karriereseite. Mein Anspruch besteht in einer vollumfänglichen crossmedialen Strategie, die insbesondere auch die Geschichten umfasst. Was bringen mir Top-Kanäle und Karriereseiten, wenn ich nicht weiß was ich wie erzählen soll?
Die Ursache hierfür sehe ich überwiegend im „Sich-selbst-im-Weg-stehen“. Die Hürden, von denen wir alle sprechen sind hausgemacht. Von internen Regelwerken über Endlos-Prozesse: viele Unternehmen weisen Strukturen und Instrumente auf, die ich als untauglich einstufe im Zusammenhang mit den neuen Medien. Überwindet man diese Hürden und damit meine ich explizit nicht abreißen, denn viele der Instrumente haben auch eine Daseinsberechtigung – schließlich ist nicht alles plötzlich Social Media – kann man ein neues Level des Recruitings erreichen. Die Chance besteht im Wechsel von einem administrativen, passiven Personaleinstellungsprozess hin zu einer aktiven, beziehungsgetriebenen Personalgewinnung. Unternehmen bekommen mit den neuen Tools die Möglichkeit, Beziehungen zu managen. Dies trägt nicht nur den Ansprüchen der zukünftigen Bewerber am Markt Rechnung sondern entspricht auch stärker den Anforderungen an die zukünftige Personalentwicklung. Denn Talente findest du hoffentlich nicht nur außerhalb deines Unternehmens.
Als Best Case möchte ich die VBZ benennen. Vielleicht ist Jörg Buckmann nicht unbedingt derjenige, der immer als erster auf jede Straßenbahn aufspringt, aber er ist aus meiner Sicht einer der Personaler, die ihre Kampagnen ernsthaft durchdenken und nachhaltig gestaltet.
Robindro Ullah ist studierter Wirtschaftsmathematiker und hat das Personalmanagement erst Mitte 2007 für sich entdeckt. 2005 bei der DB Fernverkehr AG als Trainee im Bereich Revenuemanagement eingestiegen, baute er ab Anfang 2008 das Thema Social Media im Kontext HR bei der DB auf. Ende 2009 gründete Robindro Ullah den Bereich ZusatzServices für den Konzern, welcher sich mit der Beschäftigungssicherung überwiegend älterer Mitarbeiter der DB über innovative neue Wege auseinandersetzte. Parallel zur Leitung des Bereichs ZusatzServices trieb er weiterhin das Thema Social Media und HR voran. Seit Anfang 2012 leitet Robindro Ullah den Bereich Personalmarketing und Recruiting Süd der Deutschen Bahn, wo er Themen wie den „Recruiter 2.0“ oder „Recruiting the next Generation“ treibt.
Steve Fogarty – adidas
Ob man soziale Medien braucht um Talente auf Organisationen aufmerksam zu machen, sie anzustellen und an sich zu binden, sollte keine Frage mehr sein. Die gegenwärtige Frage muss vielmehr lauten, wie man soziale Medien am besten nutzen kann, um diese Ziele zu erreichen. Als erstes muss man dazu die Unterschiede zwischen den verschiedenen sozialen Medien kennen, verstehen wie Benutzer diese Plattformen nutzen, und auch, wie unterschiedliche Zielgruppen diese Plattformen nutzen. Weiß man das, muss man diese Kenntnisse mit den eigenen Strategien und Zielvorstellungen abgleichen, wozu man wiederum wissen sollte, welche Zielgruppen man erreichen möchte.
Man teilt soziale Medien in drei Hauptkategorien ein:
1. Very High Touch-Sites auf denen 1:1 Kontakte stattfinden. Auf Seiten wie Linkedln können unsere Recruiter und Mitarbeiter in einem 1:1 Verhältnis auf unsere Zielgruppe zugehen. Das bedeutet, dass wir unsere Recruiter und Mitarbeiter in die Lage versetzen müssen, als überzeugende Botschafter unserer Marke auftreten zu können. Wir müssen sicherstellen, dass sie verstehen, was wir erreichen wollen und welche Qualitäten die Kandidaten für offene Stellen unbedingt mitbringen sollten. Wenn man hier alles richtig macht, ist der Erfolg durchschlagend. Dies ist eine sehr effektive Art talentierte Mitarbeiter anzuziehen und an sich zu binden.
2. Communities, in denen 1:Many-Kontakte stattfinden, Facebook zum Beispiel. In unseren Communities liegt der Fokus auf dem Firmen-Branding und der Erfahrung sowie dem „Erlebnis“ der einzelnen Kandidaten. Communities gestatten den Kandidaten, uns Fragen zu stellen, sich über die Arbeitskultur zu informieren und unsere Marken besser kennenzulernen. Hier ist es möglich, größeren Gruppen gleichzeitig eine immer wieder kehrende Frage zu beantworten, statt sie bei 1:1 Kontakten jedes Mal aufs Neue beantworten zu müssen.
3. Low Touch High Reach, Many:Many-Kontakte. Das ist Marketing via sozialer Medien. Hier hat man die Möglichkeit Botschaften zu erstellen und diese relativ mühelos an Millionen Menschen heranzutragen. Die vorhandenen sozialen Informationen führen hier dazu, dass wir ohne große Streuverluste an unsere Zielgruppe herantreten können. Das kann man dazu nutzen, traffic auf Anzeigen für offene Stellen, Karriere-Netzwerke oder auch unsere Community-Pages zu lenken.
Ich habe schon angesprochen, dass soziale Medien auch ein guter Weg sind, Mitarbeiter an ein Unternehmen zu binden. In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass Unternehmen, die Mitarbeitern gestatten sich untereinander zu vernetzen, zu kollaborieren und soziale Netzwerke zu nutzen, eine stärkere Mitarbeiterbindung haben. Ich bin mir sicher, dass soziale Medien sich in der nahen Zukunft zur einer der erfolgreichsten Kommunikationsformen innerhalb von Unternehmen entwickeln werden.
Meine bisherige Lieblingskampagne stammt von Google. Das Unternehmen hat eine verschlüsselte Webadresse groß plakatieren lassen: {first 10-digit prime found in consecutive digits of e}.com. Nur bestimmte Programmierer wussten etwas damit anzufangen. Was sie neugierig gemacht hat, sie dazu brachte den Code zu knacken und sich mit der daraus resultierenden Webadresse auf eine Seite einzuloggen, auf der ihnen mitgeteilt wurde, sie wären Top-Kandidaten für Google. Das ist kluges Marketing!
Steve Fogarty ist von der adidas Group mit der Aufgabe betraut, das Unternehmen als einen der Top 5 Arbeitgeber der Welt zu etablieren, eine Web 2.0 basierte, innovative Personalbeschaffungsstrategie zu entwickeln und eine industrieweit führende betriebsinterne Personalbeschaffungsstrategie aufzubauen. Da er gleichzeitig sehr sportbegeistert und an Mode interessiert ist, er sich aber genauso für die Akquise talentierter Mitarbeiter und innovativen Lösungen begeistern kann, ist seine Arbeit bei adidas zu seinem Traumjob geworden.
Bevor er zu adidas kam, hat er fast sieben Jahre bei Waggener Edstrom Worldwide gearbeitet. Seine dortige Aufgabe war die Entwicklung und Umsetzung ganzheitlicher Strategien zur Gewinnung von Spitzentalenten. Er war der digitale „trendspotter“ für die Personalabteilung und hatte entscheidenden Anteil daran, die Möglichkeiten, Beziehungen zu den wertvollsten Mitarbeitern zu pflegen mit CRM und Web 2.0/social networking-Strategien noch weiter auszubauen. Die ersten zwei Jahre seiner Karriere hatte er in Agenturen verbracht. Die schiere Anzahl seiner Erfahrungen dort und die Intensität mit der Agenturen ihre Personalpolitik betreiben, war der Grundstein für seine jetzige Position.
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Schlagwörter: adidas, Boarding Call, Recruiting, Robindro Ullah, social-medias, Steve Fogarty