Veranstaltung verpasst, verworfen oder vorgemerkt fürs nächste Mal? Die Netzpiloten fragen Gäste, Mitwirkende und Macher wie es diesmal für sie gelaufen ist.
Heute im Netzpiloten Destination Check: Der 29. Kongress des Chaos Computer Clubs (29C3) im Congress Center Hamburg. Der 29C3 öffnete dieses Jahr das erste Mal seine Pforten in Hamburg, da die Veranstaltung in den letzten Jahren zu groß wurde für den alten Berliner Standort. Ob das der Qualität und der Atmosphäre einen Abbruch getan hat? Die Sprecherin Anne Roth und unser Projektleiter Andreas Weck, der als Gast vor Ort war, verraten es euch.
Anne Roth – Sprecherin: „Best of … Verfassungsschutz“
Wie ist dein Gesamteindruck?
Die beste Konferenz des Jahres. Als Berlinerin war ich sehr skeptisch, was den Umzug nach Hamburg anging, aber für den Kongress war das eine Verbesserung, das muss ich neidlos eingestehen. Allein, dass es nicht mehr nötig ist, zu den ‚großen‘ Talks eine Stunde früher zu gehen, um noch in den Saal zu kommen, macht einiges wett. Das bringt leider auch mit sich, dass sich alles ein bisschen verläuft – ich habe eine ganze Reihe von Bekannten während der vier Tage nicht einmal gesehen.
Haben Redner und Teilnehmer deine Erwartungen erfüllt?
Ja. Wie immer habe ich nicht wirklich viele Talks gesehen, weil die Gespräche ja mindestens so interessant sind, aber eben nicht hinterher angeguckt werden können (wie die Talks). Die Atmosphäre habe ich wie immer als sehr angenehm empfunden. Ich weiß aber, dass es auch unangenehme Begebenheiten gab, was natürlich blöd ist. Bei einem Kongress der Größe wahrscheinlich nicht zu verhindern, aber vielleicht liegt es auch daran, dass die Zahl der Besucher und Besucherinnen wächst und damit Leute kommen, die andere Erwartungen haben und etwa nicht witzig finden, wenn Frauen als Objekt und nicht als aktive Teilnehmerinnen gesehen werden. Ich habe den Eindruck, dass der CCC bzw. die Kongress-TeilnehmerInnen sich selbst schon ein ganzes Stück bewegt haben, was dieses Thema angeht, aber da ist sicher noch Luft nach oben.
Was war dein persönliches Highlight der Veranstaltung?
Der Talk „Hinter den Kulissen: Der NSU und das V-Leute-System“ von Heike Kleffner und Katharina König. Gutes Thema, gute Referentinnen, guter Platz im Programm: alles prima.
Wie würdest du die Teilnehmer einordnen?
Wunderbar schrullig. Es gibt kein anderes Event, bei dem Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf so sympathische Art und Weise ihre Spleens ausleben und die der anderen tolerieren. Kein Bug, sondern Feature. Und dann zahlt sich aus, dass es ein Kongress ist, der davon lebt, dass er von allen mitgestaltet wird. Es gibt viel technisches Wissen, ein großes Engagement, was die Organisation angeht und auch viel Kreativität. Das macht den Kongress schön und ich hoffe, dass das so bleibt, wenn er weiter wächst. Es ist keine Veranstaltung für Leute, die nur konsumieren wollen.
Andreas Weck – Gast
Wie ist dein Gesamteindruck?
Für mich war es der erste Kongress des Chaos Computer Clubs, weswegen ich schlecht Vergleiche ziehen kann. Fakt ist aber, dass mich der neue Standort in Hamburg nicht enttäuscht hat. Und das obwohl ja viele im Vorfeld ein wenig skeptisch waren, ob der Kongress in der Hacker- und IT-Hauptstadt Berlin nicht besser aufgehoben wäre. Der CCC hat sich nun aber wieder zu seiner Geburtsstätte begeben, was allein ja schon mal toll ist. Das Event an sich hat mich auf jeden Fall tief beeindruckt. Beim 29C3 erlebte man ein hohes Maß an Professionalität, politischem Aktivismus und ganz viel Nerdtum. Auch wenn man nicht unbedingt ein Spezialist in Sachen ACTA, Netzneutralität und Staatstrojaner ist, so fühlte man sich hier herzlich willkommen und geht auf jeden Fall nicht dümmer nach Hause!
Haben Redner und Teilnehmer deine Erwartungen erfüllt?
Ich habe nur einige wenige Vorträge und Talks gesehen. Die, die ich gesehen habe waren auf jeden Fall sehr interessant. Ganz vorne dabei – schon alleine aus privatem Interesse – war der Beitrag von Reto Mantz „Sharing Access“, der sich mit dem Stand offener Wlan-Netze von gestern, heute und morgen beschäftigt hat. Die Störerhaftung, in diesem Zusammenhang, wurde ja viel diskutiert in den letzten Monaten und ist mir persönlich echt ein Dorn im Auge. Die Teilnehmer des 29C3 waren auf jeden Fall mindestens genauso vielfältig, wie das Programm. Von Menschen, die im Stormtrooper-Kostüm durch die Location gelaufen sind, bis hin zum zugeknüpften, seriösen Politik-Journalisten ist mir dort so ziemlich jeder Menschen-Typ begegnet. Ich fühlte mich auch zwischen den Talks gut unterhalten!
Was war dein persönliches Highlight der Veranstaltung?
Mein persönliches Highlight kann ich nicht betiteln. Es war die Mischung aus allem, die mich beeindruckt hat. Leider war ich nur einen Tag da, was ich im Nachhinein sehr bedauere. Wie aber schon erwähnt, hat mich Reto Mantz mit „Sharing Access“ nachträglich noch sehr beschäftigt. Ich kann auch nur jedem den Talk „Enemies of the state“ ans Herz legen, den ich mir auf YouTube angeschaut habe. Hier haben die Whistleblower Jesselyn Radack, Thomas Drake und William Binney darüber gesprochen, welche Erfahrung sie mit der NSA und dem Justizministerium der Vereinigten Staaten gemacht haben, nachdem sie Geheimnisse weitergetragen haben. Da bekommt man auch vor dem Screen eine Gänsehaut.
Gehst du nächstes Mal wieder hin bzw. wem empfiehlst du die nächste Veranstaltung?
Ich will es mal hoffen. Auch wenn der 30C3 mit Sicherheit wieder eines der Events des Jahres werden wird, ist der Zeitraum doch schwierig gewählt. Leider ist man nicht selten zum Ende des Jahres und Anfang des neuen Jahres im Urlaub. Zumindest ist das bei mir so oft der Fall. Empfehlen möchte ich die Veranstaltung aber jedem der sich einmal von der Hacker-Mentalität, die über dem Event schwebt, mitreißen lassen möchte. Egal, ob als Teil der Aktivisten-Community, die das Bild des Kongresses prägt oder als Newbie, der hier einfach nur mal seinen Horizont erweitern will.
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Schlagwörter: 29C3, Andreas Weck, Anne Roth, Chaos Communication Club, events, hamburg, kongress