30C3: Der Journalist Glenn Greenwald als Freiheitskämpfer

Veröffentlichungen über die Überwachungsprogramme haben den Journalisten Glenn Greenwald zum Aktivisten und Teil einer “Pro-Privacy-Allianz” gemacht, die gegen das Machtstreben der US-Regierung ankämpft. // von Jakob Steinschaden

Greenwald beim 30C3 (Bild: Jakob Steinschaden)

„Die NSA und die Five Eyes (USA, Kanada, GB, Australien und Neuseeland, Anm.) wollen Privatsphäre auf der ganzen Welt abschaffen.“ Für Glenn Greenwald gibt es kein “Wenn” und “Aber”, die USA und ihre weltweiten Überwachungsprogramme würden nur ein Ziel kennen: absolute Macht. Als Hauptredner des 30. Chaos Communications Congress, kurz 30C3, der derzeit in Hamburg stattfindet, redete sich der Enthüllungsjournalist in Rage. NSA, US-Regierung, die Medien in Großbritannien und den USA – das sind für den Schreiber, der die Storys über Prism, Tempora und Co. veröffentlichte, die großen Feinde der Freiheit.


  • Glenn Greenwald ist federführend an den Veröffentlichungen über die Überwachungsprogramme beteiligt und engster Vertrauter von Whistleblower Edward Snowden.
  • Greenwald will mit einem von eBay-Gründer Pierre Omidyar finanzierten neuen Medium namens First Look Media maximale Freiheit für künftige Veröffentlichungen erreichen.
  • Greenwald sieht sich nicht nur als Journalist, sondern mittlerweile auch als Mitglied einer “Pro-Privacy-Allianz” und nähert sich den Ideen der Cypherpunks an.

Hoffnungen, dass die Regierungen die Überwachungsprogramme wieder zurückfahren, hat der Snowden-Vertraute keine. „Die USA wird die Überwachung nicht freiwillig einschränken„, er erwarte sich nur symbolische Gesten und Lügen. Egal, welche Gerüchte und Zugeständnisse auch zu hören seien, „die US-Regierung will Snowden ein Leben lang hinter Gitter bringen.“ Wer Greenwald zuhört, der hört nicht nur einem Journalisten, sondern auch einem Aktivisten zu. Dass er noch „viele weitere Storys“ über die Überwacher veröffentlichen wolle, wurde zur vielbeklatschten Kampfansage. Denn wie WikiLeaks-Gründer Julian Assange, Whistleblowerin Chelsea Manning oder Snowden ist Greenwald selbst zum Gejagten geworden. Die tausenden Seher seiner 30C3-Rede konnte er nicht live vor Ort, sondern nur via Skype-Video aus Rio de Janeiro zu Standing Ovations bewegen – denn seine Anwälte raten ihm mittlerweile, sein Heimatland Brasilien nicht zu verlassen, weil er sonst an Grenzübergängen von Behörden abgefangen werden könnte.

Der Bildschirm wackelte, der Ton brach: Tausende Kilometer entfernt redete sich Greenwald am Computer in Rage und wetterte neben NSA und Großbritannien auch gegen andere Staaten wie Brasilien, Frankreich der Deutschland. „Das Erstaunliche ist, dass es so viele Staaten gibt, die die Macht hätten, etwas zu tun, aber trotzdem nur zusehen„, sagte er in Bezug auf die große Zurückhaltung dieser Länder, auch nur ein Asyl für Snowden in Betracht zu ziehen. Selbst, wenn die NSA in ihre eigene Privatsphäre eindringe, würden führende Politiker nichts machen, meinte Greenwald in Anspielung an Kanzlerin Merkel.

Weil er selbst offenbar nicht länger nur zusehen, sondern für die Privatsphäre kämpfen will, sieht sich Greenwald bereits als Teil einer immer größer werdenden Pro-Privacy-Allianz. „Es gibt schnell wachsendes Netzwerk von Menschen, die ihre Energie, Ressourcen und Zeit in die Sache stecken„, sagte er. Er lobte neben Snowden („er zeigt, wie ein Einzelner die Welt zum Guten ändern kann„) auch WikiLeaks` Julian Assange („ein Pionier„), die zu 35 Jahren Haft verurteilte Chelsea Manning („mit ihrer Aufopferung ein Vorbild für Snowden„) sowie seinem eigenen großen Vorbild Daniel Ellsberg, der die geheimen Pentagon-Papiere veröffentlichte, seine journalistische Partnerin Laura Poitras. Diese brachte Snowden in Kontakt mit Greenwald, „ohne sie wäre das alles nicht passiert„. Poitras ist es auch, mit der Greenwald sein eigenes Medium, First Look Media, aus der Taufe heben will. Financier ist der eBay-Gründer Pierre Omidyar, und der Plan ist, dass die nicht gewinnorientierte journalistische Arbeit durch eine Techniksparte querfinanziert werden soll. Um welche Technik es sich handelt, die da verkauft werden soll, ist noch nicht bekannt.

Dass Vertrauen, dass die außer Kontrolle geratene Massenüberwachung durch Druck der Politik oder der Öffentlichkeit wieder in den Griff zu bekommen sei, scheint Greenwald verloren zu haben. „Die größte Hoffnung liegt in den Privatsphäre-Technologien„, sagte Greenwald und appellierte an die Hacker des 30C3, ihr Können doch bitte in den Dienst der Privatsphäre und nicht der Gehemindienste zu stellen. Bei First Look Media würde man die stärksten verfügbaren Verschlüsselungstechnologien zur Kommunikation einsetzen. Die seien heute zwar noch nicht perfekt, aber ernstzunehmende Hürden für die NSA-Überwachung. „Ich habe in den letzten sechs Monaten erst gelernt, wie wichtig Verschlüsselung ist„, sagte Greenwald, der vor sechs Monaten noch keine Ahnung von Kryptografie gehabt hat. E-Mail-Verschlüsselung via PGP fand er „nervend und zu schwierig„, und Snowden lachte ihn aus, weil er Truecrypt verwendete. „Ich bin kein Hacker.

Doch die Arbeit mit Snowden hätten ihn für den Rest seines Lebens verändert. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Greenwalds Argumentation immer mehr jener der Cypherpunks, zu denen auch Julian Assange und TOR-Entwickler Jacob Appelbaum zählen, gleicht: Das Individuum hat keine Privatsphäre mehr, während sich der Staat selbst zum Geheimnis, und dieses Missverhältnis müsse umgedreht werden. Bis dahin sehen Cypherpunks Verschlüsselung privater Kommunikation als einzige Möglichkeit, sich vor der Macht des Staates zu schützen. Zwar sagt Greenwald, dass man die Informationen, die man von Snowden habe, vorher filtere (keine Infos, die anderen Staaten die Möglichkeit geben, ihre Überwachung zu verbessern, keine Infos über Kommunikationen von Individuen, keine Leben gefährden), aber er hält auch fest: „Ich glaube an radikale Transparenz. Das Letzte, was wir machen würden, ist, auf einer Story zu sitzen und sie nicht mit der Welt zu teilen. Alles wird veröffentlicht werden.


Teaser & Image by Jakob Steinschaden


ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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3 comments

  1. Grennwalds Freiheitskampf in Ehren, wundert mich, dass eine Debatte darüber geführt wird, wie aktivistisch Journalismus sein kann. Denn Greenwald ist ein Aktivist geworden. Er hat eine Doppelrolle inne. Das ist eine ganz andere Diskussion, die notwendig ist.

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