Alle tun es, das Urheberrecht schweigt: Remix

Remix gehört zum digitalen Alltag, aber das Gesetz erlaubt es eigentlich nicht. Ein neues Buch versammelt die Stimmen der Remix-Revolution.

 

Seit einem Jahr sammelt die Initiative „Recht auf Remix“ Interviews von Künstler, Musikern, Filmemachern, Medienwissenschaftlern und Veranstaltungsorganisatoren. Ihr Ziel ist es, ein Recht auf Remix im Urheberrecht einzuführen: „Remix und Remixkultur müssen als zentrale Ausdrucksform einer digitalen Gesellschaft anerkannt werden„. Das Buch „Generation Remix“ versammelt alle bisher erschienenen Interviews und ergänzt sie mit Aufsätzen von Künstlern und Rechtsexperten, die verschiedene Facetten des Themas vorstellen.

Künstlerische Formen analog und digital

Remix, Samples, Collagen, Cutups, Mashups – das Phänomen hat viele Namen und besteht nicht erst, seit Computer in den 1990er Jahren in die Haushalte einzogen. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts experimentierten Künstler damit, vorgefundenes Material neu zusammenzustellen: Im Dadaismus und Surrealismus klebten sie Zeitungsausschnitte, Drucke, Tapeten, Stoffreste und was ihnen sonst noch in die Hände viel, zusammen und schufen draus etwas neues. Musiker experimentierten mit Tonband-Loops und vorhandenen Sounds, die sie neu arrangierten – das beschreibt zum Beispiel der Soziologe Georg Fischer in dem Buch. Auch in der Literatur entstanden Textcollagen, die Texte unterschiedlicher Herkunft – Zeitungstexte, Liedtexte, Werbung – neu zusammensetzten, um damit etwas von der Vielfalt der umgebenden (Medien-)Wirklichkeit darzustellen.
Mit digitalen Daten ist alles noch viel einfacher geworden, und Remixe und Mashups sind von einem Verfahren der Avantgardekunst zur Alltagshandlung geworden. Heute remixen nicht nur professionelle Künstler, mit Computer und Internet können auch Semiprofis und Laien ein weltweites Publikum erreichen. Auf Blogs und sozialen Netzwerken teilen Nutzer tausendfach animierte Bilder (sogenannte Gifs, nach dem Format, in dem sie gespeichert werden), auf denen Ausschnitte aus Filmen oder Fernsehserien zu sehen sind; auf Youtube veröffentlichen Hobbymusiker ihre Umarbeitungen bekannter Songs, um damit Aufmerksamkeit zu erregen; Medienfans veröffentlichen Zusammenschnitte der besten Szenen aus Harry Potter oder Twilight; Studierende untersuchen ihren Gegenstand mit Videoessays. Und das sind nur einige Bespiele.

Keine rechtliche Ausnahme für Remixe

So vielfältig die Remix, Mashup und Sampling-Szene auch ist, eines haben ihre Schöpfer gemeinsam: In Deutschland ist das, was sie tun, nicht erlaubt. Sie verletzen damit in den allermeisten Fällen das Urheberrecht, denn man darf fremde Werke nur benutzen – und das eigene Video oder Musikstück dann im Netz veröffentlichen –, wenn man die Erlaubnis des ursprünglichen Urhebers hat. Der darf ja oder nein sagen, aber auch Lizenzgebühren dafür verlangen.

Für viele Remixer – Laien und Profis – ist das nicht zu leisten, aus finanziellen und aus logistischen Gründen. Die Schülerin, die ein Musikvideo mit ihren Lieblingsszenen aus Harry Potter macht, kann weder bei der Filmproduktionsfirma noch beim Musikverlag nach den Rechten dafür fragen, noch wird sie sich diese leisten können. Genauso geht es der aufstrebenden Remix-Musikerin, die ihre Werke bei Soundcloud veröffentlichen möchte, damit das Publikum auf sie aufmerksam wird. Diese Tatsache verhindert massenhaft Kreativität – oder treibt Künstler und Nutzer zum Rechtsbruch.

Daher fordert die Initiative „Recht auf Remix“ eine Ausnahme im Urheberrecht in Deutschland und europaweit, die genau diese Praxis aus der Illegalität holen soll. Wie genau sie ausgestaltet werden könnte, bleibt der Debatte überlassen: Wann die ursprünglichen Urheber Vergütung erhalten, ob es eine Bagatellklausel für Nutzer generierte Inhalte gibt oder wie es mit den Persönlichkeitsrechten steht. Rechtsanwalt Till Kreutzer stellt ein solches Modell im Buch zur Diskussion.

 

Nachgefragt: Was ist ein Remix, Dr. Till Kreutzer?

Die Generation Remix meldet sich zu Wort

Solange ich am gesellschaftlichen Leben teilnehme, sind Massenmedien unausweichlicher Bestandteil der Wirklichkeit. Um künstlerischer Freiheit gerecht zu werden, muss die Wirklichkeit Fundament einer Auseinandersetzung sein“, sagt der Videokünstler Ulu Braun. Und tatsächlich: Wir leben in einer Wirklichkeit, die medial getränkt ist. Eine Auseinandersetzung damit entsteht nur auf der Basis der Transformation und Übernahme.

Tatsächlich leistet „Generation Remix“ etwas, was schon lange überfällig war. Es gibt den Protagonisten der Szene das Wort. Gerade in der elektronischen Musik hat sich Remix und Sampling als Standard herausgebildet. Erstaunlich daher, dass so wenig darüber geredet wird. „Don‘t ask, don‘t tell“ schreibt Leonhard Dobusch (einer der Herausgeber) in seinem Intro. Die Rechteproblematik sorgt dafür, dass kaum jemand reden will, um nicht am Ende abgemahnt zu werden.

Gerade deshalb ist „Generation Remix“ so wichtig: Das Buch zeigt, wie unterschiedlich die Künstler sind, aber auch dass sie an ihre Kunst ernsthaft herangehen. Von mangelnder Originalität kann keine Rede sein. Die Grenze zwischen Remix und Sampling auf der einen Seite und „originärer Schöpfung“ auf der anderen ist willkürlich – Kunst entsteht immer aus anderer Kunst. „Die wirklich guten Jungs haben kopiert und rekombiniert„, bringt es David Wessel, der als Mashup-Germany populäre Songs mit einander kombiniert, auf den Punkt.

Generation Remix. Zwischen Popkultur und Kunst. Herausgegeben von Valie Djordjevic und Leonhard Dobusch, Verlag iRights.Media Berlin. Das E-Book erscheint am 4. Mai 2014 und koset 5,99 Euro. Die Printversion erscheint voraussichtlich Anfang Juni und kostet 15,90 Euro. Ein Euro des Verkaufspreises geht als Spende an die „Recht auf Remix“-Kampagne. Mehr Info bei iRights.Media.

Dieser Beitrag steht unter der Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen ((CC BY 2.0))


 


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