Blogsprechstunde: Chatprotokoll mit Nahtod-Erfahrung

„Bestatter sind auch nur Menschen“

Am Mittwoch, dem 12. März 2008, war „Undertaker Tom“, der „bloggende Bestatter“ vom Bestatterweblog (http://www.bestatterweblog.de/) zu Gast in der Blogsprechstunde, dem Chat von politik-digital.de und den Blogpiloten. Er beantwortete Fragen zu kuriosen Bestattungen, dem Tod als Tabuthema sowie zur Geheimhaltung seiner Identität.

Moderator: Hallo und herzlich willkommen in der Blogsprechstunde, dem Chat von politik-digital.de und den Blogpiloten. Heute geht es um das Thema Bestattungen. Unser Gast heute ist Tom, der unter dem Pseudonym „undertaker“ bloggende Bestatter vom Bestatterweblog.
Ab Punkt 16 Uhr geht es los, Ihre Fragen können Sie gerne auch jetzt schon stellen.
So, Tom ist jetzt im Chat eingetroffen, wir starten also gleich!

Undertaker Tom: Hallo

Moderator: Hallo an unseren Gast Tom!
Die erste Frage aus dem PreChat, in dem User bereits Fragen stellen konnten:

Keiner: Wieviel Zeit geht wöchentlich durch den Blog drauf?

Tom: Die Frage wird mir oft gestellt und der zeitliche Aufwand wird deutlich überschätzt. Ich schätze, dass ich jeden Tag eine gute Stunde dafür brauche.

tim: Siehst Du Dich eigentlich als Teil der Blogosphäre oder ist dir der Gossip und der Klüngel der deutschen Promi-Blogger egal?

Tom: Ich bin kein Freund irgendwelcher Vereinsmeierei, keinem solchen Verein beigetreten und mache mein Weblog, weil es mir Spaß macht und nicht weil ich ein Teil von irgendwas bin.

Verbandsmeister: Welchen Trick muss man anwenden, damit man beim Begriff „Bestatter“ bei Google auf Platz 1 landet?

Tom: Man muss ein Weblog schreiben in dem ganz oft das Wort Bestatter vorkommt und dann müssen recht viele Leute mit diesem Begriff einen Link aufs Weblog setzen. Ein Trick ist da nicht dabei.

Moderator: Die Frage, die unsere User im PreChat am Meisten interessierte:

Renate: Welche Bestattung ist Ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?

Tom: Die meines Vaters.

Moderator: Und welche, die Sie selber durchgeführt haben?

Tom: Eine, die ich auch im Weblog schon beschrieben habe. Hier gehörte die Familie einer kirchlichen Gruppe an, die ihre Verstorbenen sehr abenteuerlich kleidete und eine Trauerzeremonie abhielt, bei der die aufgebahrte Verstorbene einem verkleideten Schneewittchen glich.

Traik: Welche Bestattungsart ist am außergewöhnlichsten?

Tom: Derzeit wohl die Weltraumbestattung. Hierbei wird für sehr viel Geld ein kleiner Teil der Asche ins All geschossen.

Moderator: Und wieviel kostet das?

Tom: Etwas 8.000 Euro, denke ich. Wir hatten zwar schon mal eine Anfrage, aber der Preis war dann schließlich doch zu hoch. Die Angehörige hat sich dann für das Austreuen vom Heißluftballon entschieden.

Me: Du blogst ja unheimlich viel pro Tag – wie verträgt sich das zeitlich mit Deiner Arbeit?

Tom: Die Frage hatte ich ja weiter oben schon beantwortet. Ich tippe recht schnell und brauche gar nicht so viel Zeit dafür, wie manche glauben. Und etwas Zeit ist zwischendurch immer.

Moderator: Noch eine Rückfrage zum Thema Weltraumbestattung:

miomi: Wer führt denn überhaupt Weltraumbestattungen durch? Da kann man ja wohl kaum zum Bestatter nebenan gehen, oder?

Tom: Mittlerweile bieten das sehr viele Bestatter an. Die Asche wird an ein Spezialunternehmen überstellt, das dann den Rest erledigt. Zum Programm vieler Bestatter gehören inzwischen außergewöhnliche Bestattungen der verschiedensten Art. Das geht dann aber oft über große Anbieter.

tara: Welches war denn ihre schlimmste Bestattung bzw. die kurioseste?

Tom: Was ist schlimm? Schlimm sind für mich Bestattungen, bei denen es um kleine Kinder geht oder grundsätzlich um Menschen, die noch sehr viel vorhatten. Aber schlimm war für mich persönlich mal eine Bestattung, bei der die Angehörigen sich am Grab geprügelt haben.

grabstein: Gibt es auch Wünsche, die Sie bei einer Bestattung keinesfalls erfüllen würden? Irgendwelche Verkleidungen, Grabsprüche oder ähnliches?

Tom: Wann immer es geht, versuchen wir die Wünsche der Angehörigen zu erfüllen. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ich irgendetwas im Streit mit den Angehörigen hätte ablehnen müssen. Allerdings sprechen oft behördliche Bestimmungen gegen bestimmte Wünsche, zum Beispiel Feuerwerk am Grab oder von innen beleuchtete Grabsteine.

Toura: Haben Sie manchmal noch Angst auf dem Friedhof, zum Beispiel nachts?

Tom: Nein. Ich habe dort nicht mehr oder weniger Angst als in einem verlassenen U-Bahn-Bahnhof.

Moderator: Die Kombination Blogger-Bestatter interessiert unsere User:

kitty: Wieviele Fundstücke und Hinweise erhältst du eigentlich mittlerweile? Was war das bisher merkwürdigste Fundstück?

Tom: Die Leser des Weblogs sind sehr aktiv. Ich bekomme täglich etwa ein Dutzend von Hinweisen auf Fundstellen die zum Thema passen. Die meisten veröffentliche ich ja auch.
Was das merkwürdigste Fundstück war? Ich weiß es nicht mehr, es sind viele Kuriositäten dabei.

Janson: Sie gehen kaum auf Kommentare in ihrem Blog ein. Warum ist das so?

Tom: Ich schreibe in meinem Weblog eine Menge Artikel. Die Diskussion darüber überlasse ich den Lesern. Nur hin und wieder gehe ich mal auf Fragen ein.

bla: Wie gehen Sie selbst emotional mit der Trauer der Angehörigen um? Lassen sich Beruf und Privates da trennen und Emotionen ausschalten?

Tom: Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut. Manche Schicksale machen auch mich betroffen und es kommt auch hin und wieder vor, daß ich mal mit den Angehörigen weine. Das ist aber eher selten, denn letztendlich ist der Bestatter ja derjenige, der einen klaren Kopf behalten soll und die Sache abwickeln muss. Man nimmt die Erlebnisse natürlich auch mit in den privaten Bereich, aber man muss auch eine Grenze ziehen können.

Galore: Wie kommt man denn auf den Berufswunsch Bestatter?

Tom: Irgendeiner muss es ja machen. Aber tatsächlich ist es ein sehr interessanter und abwechslungsreicher Beruf.

Raynor: Haben Sie als Bestatter einen Hang zum Morbiden? Sagen wir mal schwarzem Humor?

Tom: Schwarzen Humor liebe ich ja sowieso, unabhängig vom Beruf. Aber es sind vielmehr die anderen, die immer meinen, sie hätten den absolut neuesten Bestatterwitz auf Lager.

Moderator: Eine allgemeine Frage zum Beruf:

Klauserl: Welche Tätigkeiten übt ein Bestatter eigentlich alle aus?

Tom: Viele meinen, es sei mit dem Abholen der Leiche und der Überführung getan, tatsächlich ist ein Bestatter aber ein kaufmännischer Dienstleister, der unter anderem auch die gesamte Abwicklung mit den Behörden und Versicherungen übernimmt. Zunehmend gestaltet sich das Berufsbild aber auch so, dass man sagen könnte, der Bestatter ist der Eventmanager für die letzte große Familienfeier.

Galore: Welchen Bestatterwitz wollen Sie denn nie wieder hören?

Tom: „Was haben Golfer und Bestatter gemeinsam: Beide lochen ein…“

Moderator: Neben dem Beruf interessieren sich viele unserer User auch für die Identität unseres Gastes:

J3l: Hast Du Sorge, dass man irgendwann durch die Vielzahl der gebloggten Todesfälle einen Rückschluss auf Dich und Deinen echten Namen ziehen kann?

Tom: Die Namen sind verändert, die zeitlichen Abläufe sind anders und ein großer Teil der handelnden Personen ist mittlerweile selbst tot. Es sind Geschichten aus 20 Jahren.

tim: Ich habe Dein Buch gelesen. Wieso machst Du das alles anonym – aus Angst um die Kunden oder um die Kollegen?

Tom: Um die Kollegen mache ich mir keine Sorgen. Es ist ja kein Enthüllungsbuch über das Bestattungsgewerbe. Davon gibt es ja auch genug. Einer schafft mal drei, vier Wochen beim Bestatter und meint dann „die“ Sensationen enthüllen zu können. Es geht um die Menschen, die sich einem anvertrauen und deren Identität sollte geschützt bleiben.

Mina: Der Tod ist immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft – warum eigentlich? Was müsste man daran ändern?

Tom: Mein Weblog soll ja eben genau da entgegenwirken. ich bekomme täglich sehr viele Zuschriften, in denen die Leute mir schreiben, dass ihnen das Weblog den Umgang mit dem Thema erleichtert. Das ist eines der Ziele des Weblogs.

ida: Wie reagierte die Blogosphäre zu Beginn auf dein Blog? Gab es eine Reaktion, die Dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Tom: Als mein Weblog den User-Award der Deutschen Welle als bestes Weblog Deutschlands bekommen hat, das war eine Reaktion, mit der ich nicht gerechnet hatte und die mir sehr im Gedächtnis verhaftet ist.

Moderator: Eine sicher gut gemeinte Schätzung einer Userin:

Hermine: Bei wohl annähernd 60.000 Besuchern am Tag solltest Du inzwischen allein durch die Werbung Millionär sein.

Tom: Schön wäre es. Es sind keine 60.000 Besucher am Tag sondern in Spitzenzeiten nur halb so viele. Außerdem sind es offenbar Leute, die wenig Interesse an der eingeblendeten Werbung haben. Das lohnt sich kaum, weshalb ich die Werbung weiter reduzieren und abschaltbar machen werde.

grabstein: Hättest du damit gerechnet, dass dein Blog so viele Leser anzieht? Was meinst du interessiert sie so sehr am Thema Bestattungen?

Tom: Nein, mit dieser großen Reaktion habe ich nicht gerechnet. Aber ich weiß, dass das Thema viele interessiert. Kaum sagt man irgendwo, was man von Beruf ist, gehen die Fragen los. Es ist ein Tabuthema und endlich hat man jemanden, den man fragen und mit dem darüber reden kann.

Korros: Welche Bestattungsart wird denn von Bestattern bevorzugt?

Tom: Das ist mir egal. Ich nehme an, Du meinst ob wir Erd- oder Feuerbestattungen bevorzugen. Das ist für mich hier vom Ablauf gleich. Ansonsten würde ich die Frage beantworten: Die, die bezahlt wird.

Moderator: Und wie werden Bestatter selber am „liebsten“ bestattet?

Tom: Tot. Also ich persönlich möchte (derzeit) am liebsten eingeäschert werden und dann an einem meiner Lieblingsplätze verstreut werden.

Pauleboss: Glauben Sie an Geister?

Tom: Nein.

totmann: Du bist ja auch Gastkommentator auf einer Trauerwebsite – kann das Bloggen auch ein lukrativer Nebenerwerb für Dich werden oder ist das konkurrenzlos unterbezahlt?

Tom: Nein, das ist weder lukrativ, noch würde es zu einem Nebenerwerb reichen. Es macht mir Freude und kommt offenbar gut an. Und wenn man es dann nicht ganz umsonst machen muss, ist es ja noch besser. Jede Mühe verdient ihren Lohn.

jemand
: Wie würdest Du reagieren, wenn Du öffentlich enttarnt wirst?

Tom: Jeder weiß, dass selbst beim Kasperltheater dem Kasperl nur eine Hand im Hintern steckt. Der Reiz liegt doch auch in der scheinbaren Anonymität und den allermeisten Benutzern des Weblogs ist es vollkommen egal.

Moderator: So, das waren 60 Minuten Blogsprechstunde. Vielen Dank an unsere Nutzer für die vielen Fragen. Und natürlich vielen Dank an Tom für die Antworten. Das Protokoll dieses Chats können Sie in Kürze auf den Seiten von politik-digital.de nachlesen. Das letzte Wort für heute hat Tom – der gerne auch noch einen Bestatter-Witz zum Besten geben kann:

Tom: Witze über Bestatter sind doof, finde ich. Ich kenne keinen wirklch guten. Aber ich danke allen, die ihre Fragen gestellt haben und würde mich freuen, auch in meinem Weblog noch viele schöne gemeinsame Stunden mit meinen Lesern verbringen zu können.

Moderator: Das Chat-Team wünscht allen noch einen schönen Abend! Die nächste Blogsprechstunde findet am 19. März, also genau in einer Woche, von 16 bis 17 Uhr statt – Gast ist dann Peter Rehbein vom Blog „Schallgrenzen“. Vielen Dank und Auf Wiedersehen!

ist freiberuflich als Medien- & Verlagsberater, Trainer und Medienwissenschaftler tätig. Schwerpunkte: Crossmedia, Social Media und E-Learning. Seine Blogheimat ist der media-ocean. Außerdem ist er einer der Gründer der hardbloggingscientists. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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