Mark Duffy ist der „Copyranter“ – ein Werbekritiker, der Bekanntheit erlangte und eine Anstellung bei Buzzfeed, die nun abrupt endete und viel über Buzzfeed und modernen Journalismus verrät // von Tobias Schwarz
Wir haben Anfang Oktober über Buzzfeed berichtet, ein von Jonah Peretti gegründetes Nachrichtenportal, dass sich sehr auf gewinnbringende Reichweite im Internet konzentriert und so schnell wachsen konnte. Allein in den letzten 18 Monaten hat sich die Zahl der Mitarbeiter von weniger als 100 auf über 400 mehr als vervierfacht. Einer davon war der Werbekritiker Mark Duffy, der als „Copyranter“ mit seinem Blog zu einiger Berühmtheit kam. Grund genug für Buzzfeed-Chefredakteur Ben Smith ihn einzustellen und jetzt zu kündigen, denn scheinbar lief es nicht zwischen dem dienstältesten Redakteur Duffy und dem jugendlichen Buzzfeed.
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„Copyranter“ Mark Duffy wurde nach 18 Monaten bei Buzzfeed wieder gekündigt und nennt zehn tiefblickende Gründe, woran das liegt.
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Die aufgezählten Konfliktpunkte verdeutlichen auch den Wandel von Journalismus und der Arbeit in einer Redaktion.
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Die wichtigste Lektion ist, dass moderner Journalismus, ohne Presseverlag im Rücken, den Umgang mit ihn finanzierende Werbung neu lernen muss.
Manchmal läuft es einfach nicht rund, selbst bei einem vermeintlich coolen Wunscharbeitgeber. Ich selber habe für Unternehmen wie McKinsey und Tumblr gearbeitet und gedacht, dass es cooler nicht sein könnte, aber so cool war es dann erstens nicht und zweitens ist cool nicht gleich glücklich. Ähnlich erging es Mark Duffy, der nach über 25 Jahren als Texter in einer kleinen New Yorker Agentur plötzlich die Möglichkeit bekam, bei einem aufstrebenden und interessanten Online-Nachrichtenportal wie Buzzfeed zu arbeiten. Sein Internet-Ego „Copyranter“ hat ihn berühmt genug gemacht, um attraktiv für das auch Reichweite achtende Buzzfeed zu sein.
Doch unter all diesen zwanzigjährigen, GIF-vernarrten Instagram-Nutzern kam Duffy wohl nicht so gut zu Recht. Dazu kam, dass seine Dienste als Werbekritiker immer weniger gefragt wurden. Am Montag hat er die Kündigung erhalten. Auf dem ebenfalls sehr interessanten und unkonventionellen Nachrichtenportal Gawker.com hat er 10 Gründe genannt, warum er gefeuert wurde. Ein sehr subjektiver Beitrag, stellenweise ironisch und witzig, aber zwischen den Zeilen sehr interessant. Nimmt man diesen Artikel und seinen Anfang September erst erschienenen Artikel „What It’s Like Being The Oldest BuzzFeed Employee“ bekommt man einen interessanten Einblick in Perettis Newsunternehmen.
Mit dem Journalismus haben sich auch Redaktionen gewandelt
Das Traffic wichtig ist, gilt nicht nur für Buzzfeed, aber das es ein internes Ranking gibt, wer der „viralste“ Autor ist, fand ich sehr interessant. In einem wöchentlichen Treffen werden die besten Autoren geehrt, die anderen motiviert, sich mehr ins Zeug zu legen. Doch die viralsten Beiträge sind noch lange nicht die besten Artikel, wie die Buzzfeed-Leserschaft weiß. Eigentlich nichts neues, denn wie früher der Sportteil einer Zeitung das Feuilleton finanzierte, so sind die GIF-überladenen Buzzfeed-Listen der Grundstein für durchaus interessante politische Beiträge.
Doch die neuen Mitarbeiter von Buzzfeed haben nicht wie Duffy analogen Journalismus studiert, dann 20 Jahre in einem schreibenden Beruf gearbeitet und dabei technische Entwicklungen von der Schreibmaschine bis zum iPad miterlebt, sondern sind mit dem Internet schon als Grundschüler in Kontakt gekommen, haben als Jugendliche gebloggt und haben die Schule beendet als Smartphones und soziale Netzwerke die Welt eroberten. Wenn Duffy aus einem journalistischen Ehrgeiz manchen Beitrag kritisch hinterfragt, wirkt das in der Redaktion scheinbar wie ein Stören, dass es auch sicher ist, aber der Mehrwert dessen wird nicht gesehen. Es scheint aber auch keine Diskussion „auf Augenhöhe“ zu sein, die Duffy mit anderen Redakteuren führt – zumindest nicht seiner Ansicht nach.
Der Umgang mit Journalismus finanzierender Werbung muss neu gelernt werden
Duffy ist 53 Jahre alt und hat eben eine ganze andere Ausbildung als seine Kollegen und ein anderes Nutzungsverhalten, ganz einfach weil er andere Erfahrungen gemacht hat. Anonyme Internettrolle scheinen seine Kollegen einfach zu ignorieren, während er diese in die Redaktion einlädt. Ein wesentlicher Punkt ist aber das eigentliche Fachgebiet von Duffy: Werbung. Dafür war er geholt wurden, er sollte weiterhin der „Copyranter“ sein, nur eben mit ein paar weniger F-Wörtern und mehr Hand und Fuß bei der Kritik. Doch Werbung ist die wichtigste Einnahmequelle für Medien, vielleicht für etwas wie Buzzfeed, ohne alternatives Finanzierungsmodell, sogar noch wichtiger.
Scheinbar kam es zu ein paar seltsamen Vorfällen, in dem zum Beispiel ein schon vier Wochen alter Artikel, der sich kritisch gegenüber dem Frauenbild in Werbungen von Axe äußerte und laut Duffy gelöscht wurde, weil Axe Druck auf die Redaktion ausübte. Duffy hat Werbekunden verärgert und Smith hat die Konsequenzen gezogen. Das hat nichts mit Journalismus zu tun, wie vieles bei Buzzfeed, es ist aber eine lehrreiche Lektion, denn dieser Druck wird zunehmen. Für Zeitungen wahrscheinlich keine neue Erfahrung, für junge Online-Medien aber schon. Ihnen fehlt oft dieses gewisse Bewusstsein von Journalisten, bei denen die Nachricht im Vordergrund steht. Sie kennen dafür die Zwänge, die die Marketingabteilung und Presseverlage bisher spürten. Moderner Journalismus, in Blogs und losgelöst von traditionellen Presseverlagen, muss deshalb den Umgang mit die Redaktion finanzierender Werbung und kritischer Berichterstattung neu lernen. Moderne journalistische Produkte müssen und können neue Wege der Finanzierung finden, sie müssen dabei aber die gesellschaftliche Erwartung eines unabhängigen Journalismus ebenso erfüllen.
Teaser & Image by Buzzfeed
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Schlagwörter: Buzzfeed, Copyranter, journalismus, Mark Duffy, werbung
4 comments
Voll auf die Zwölf, auch der Link auf die zehn Gründe des Copyranters. Wir erleben hier einen Zusammenprall von Old School und New Economy, denn die allermeisten Geschäftsmodelle des Digitalzeitalters beruhen doch auf einer möglichst geschickten Verzahnung von redaktionellen Inhalten und kommerziellen Produkten.
Das Dilemma: Nur wenn die Medienorganisationen die Unabhängkeit ihrer Journalisten/innen respektieren, können letztere ihren Job erfüllen. Wenn sie das aber wiederum zu konsequent tun, gefährdet das vielleicht die wirtschaftliche Existenz ihres Arbeitgebers.
Der „Umgang mit Journalismus finanzierender Werbung“ muss übrigens immer wieder neu gelernt werden. Egal ob im analogen oder im digitalen Kontext. Ideale Lösungen gab es bislang noch nicht.
Viel wäre jedoch schon erreicht, wenn alle Beteiligten an dieser Stelle sensibel sind. Gibt es dieses sensibilisierte Rollenverständnis bei den neuen, volldigitalsozialsierten Journalisten/innen überhaupt noch? Falls nein, hätten wir ein Generationen-„Problem“. Oder neutraler, einen Generations-„Wandel“.
Interessanter Artikel. Allerdings hätte ich erwartet, dass ein Projektleiter im Bereich Journalismus seine Beiträge vor Veröffentlichung auf Rechtschreibung und Orthographie hin überprüft – heutzutage vielleicht etwas anachronistisch, aber dennoch unverzichtbar.