Als eine seiner letzten Amtshandlungen hat der scheidende US-Präsident Barack Obama (Demokraten) die Whistleblowerin Chelsea Manning begnadigt. Manning wird voraussichtlich im Mai freikommen, statt noch weitere 28 Jahre in Haft absitzen zu müssen. Damit wird für ihre zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützer ein lang gehegter Traum wahr. Eine Zeitenwende in der Behandlung von Whistleblowern ist das bei Weitem noch nicht – aber dennoch ein Grund zur Freude.
Begnadigung angekündigt
Schon vor einer Weile hatte Mannings Anwaltsteam, angeführt durch Chase Strangio von der ACLU, Präsident Obama um eine Begnadigung Mannings ersucht. Zum Ende ihrer Amtszeit sind US-Präsidenten traditionell für dergleichen Anliegen aufgeschlossen, wohl auch, um das Urteil der Geschichtsbücher milde ausfallen zu lassen.
Bereits in der vergangenen Woche hatte Obama angedeutet, dass eine Begnadigung Mannings durchaus im Bereich des Möglichen liege. Kurz vor dem endgültigen Ende seiner Amtszeit entschied er sich dann tatsächlich für diesen Schritt. Chelsea Manning wird von Obama begnadigt und muss von ihrer ursprünglich 35-jährigen Haftstrafe nur noch vier Monate verbüßen. Bereits im Frühjahr (geplant ist der 17. Mai) wird die 29-jährige Whistleblowerin, die bereits die letzten sieben Jahre im Gefängnis verbracht hat, voraussichtlich freikommen.
Leaks für die Menschenrechte
Chelsea Manning war 2010 als Analystin für die US-Armee tätig und zeitweise im Irak stationiert. Im Rahmen ihrer Tätigkeit hatte sie Zugriff auf eine Vielzahl von Geheimdokumenten und deckte dabei Verfehlungen der USA in den verschiedensten Bereichen auf. Nachdem sie auf dem „offiziellen“ Weg über ihre Vorgesetzten nicht weiterkam, beschloss Manning schließlich, die relevanten Dokumente an die Whistleblowing-Plattform WikiLeaks weiterzugeben. Dort wurden sie, teils unter großer medialer Aufmerksamkeit, veröffentlicht. Von Manning stammt unter anderem das Video ‚Collateral Murder‘, das die Tötung zweier Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters durch einen US-Kampfhubschrauber zeigt.
Auch hunderttausende Diplomaten-Depeschen aus aller Welt, bezeichnet als ‚Cablegate‘, spielte Manning den Aktivistinnen und Aktivisten von WikiLeaks zu. Sie belegten unter anderem fragwürdige Wirtschafts-Mauscheleien der US-Regierung. Zudem belegten Mannings Dokumente, dass im Irak-Krieg mehr Zivilisten starben, als offiziell behauptet, und deckten Folter und Schikane im US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf. Insgesamt kann Mannings Beitrag zur Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen also nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ihr erklärtes Ziel, den Menschen die Informationen zu geben, um sich eine informierte Meinung über die fragwürdigen Taten der USA zu bilden, hat die Whistleblowerin ohne jeden Zweifel erreicht.
Kriminalisiert und verurteilt
Die US-Regierung allerdings interessierte sich weder für die durch die Leaks verursachten positiven Veränderungen noch für die von Mannings immer wieder betonten idealistischen Motive. Nachdem Manning sich dem Ex-Hacker Adrian Lamo anvertraute und von diesem an die Behörden verraten wurde, verfolgten die US-Behörden sie gnadenlos. Für Regierung und Militär war die Soldatin eine Spionin und kriminelle Hackerin. Nach einem langwierigen Prozess wurde Manning zu einer 35-jährigen Haftstrafe verurteilt. Eine noch höhere Strafe konnte nur knapp verhindert werden.
Martyrium im Gefängnis
Insgesamt rund sieben Jahre saß Manning bislang in Haft (einschließlich der Untersuchungshaft). Für sie war dies eine jahrelange Leidenszeit. Dafür sorgten einerseits Schikanen der Offiziellen, die an Manning ein Exempel zur Abschreckung anderer Whistleblower statuieren wollten. So wurde Manning immer wieder in Einzelhaft genommen, was die UN schließlich als Folter einstufte. Kleine Verstöße gegen die Gefängnisvorschriften wurden unverhältnismäßig hart sanktioniert. Auch wurde Manning der Kontakt zur Außenwelt sehr erschwert – wohl auch aus der Angst heraus, die bekanntermaßen eloquente Whistleblowerin könnte gar zu viele Menschen von ihrer Sache überzeugen. Das gelang ihr sogar angesichts der Maßnahmen der Verantwortlichen, die genau das verhindern sollten, bemerkenswert gut. So scharten sich mit der Zeit zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer solidarisch um die WikiLeaks-Informantin, sprachen ihr Mut zu, sammelten Geld für die Anwaltskosten und setzten sich auf jedem nur denkbaren politischen und juristischen Weg für Mannings Entlassung ein.
Daneben machte auch Mannings persönliche Situation die Haft für sie schwerer. Als Trans-Frau im Männer-Militärgefängnis hatte sie es ohnehin schon alles andere als leicht. Hinzu kam, dass die Gefängnis-Offiziellen jegliche Rücksichtnahme vermissen ließen. Lange wurde Manning die notwendige medizinische Unterstützung komplett verweigert und sie durfte nicht als Frau leben.
Aufgrund dieser Situation versuchte Manning mindestens zweimal, sich das Leben zu nehmen. Schließlich trat sie in einen Hungerstreik, um ihre Rechte durchzusetzen. In einer Erklärung zeigte sie sich zum Äußersten bereit. Das hatte (zumindest teilweise) Erfolg. Manning durfte von diesem Zeitpunkt an immerhin (leichtes) Make-Up und weibliche Unterwäsche tragen und erhielt Hormon-Präparate. Allerdings wurde ihr – angeblich aus Sicherheitsgründen – weiterhin verweigert, sich die Haare wachsen zu lassen. Zu Beratungsgesprächen über eine mögliche geschlechtsangleichende Operation kam es nie, obwohl die Behörden dies zugesichert hatten.
Ein Tag der Freude
Schon bald werden Militär und Behörden Manning mit ihrer Rachsucht und Engstirnigkeit nichts mehr anhaben können. Vier Monate noch, dann kommt die mutige Whistleblowerin endlich frei und kann versuchen, ihr Leben neu aufzubauen. Hoffentlich werden ihre Unterstützerinnen und Unterstützer auch dabei (zumindest moralisch) an ihrer Seite sein.
Manning hat dieses Happy End mehr als verdient. Sie handelte, wie sie immer wieder betonte, aus idealistischsten Motiven. Die fehlgeleitete US-Politik bestrafte dies mit Haft und Schikane. Das ist tragisch genug, zumal bei einem so jungen Menschen, für den schon sieben Jahre Haft eine kleine Ewigkeit sein müssen.
So ist die Begnadigung Mannings persönlich wie politisch ein Grund zur Freude. Da spielt es kaum eine Rolle, dass es Obama wahrscheinlich mehr um seinen eigenen Ruf als um die Sache ging – in diesem Fall zählt vor allem das Ergebnis, und das gibt Hoffnung. Wohl auch durch den ständigen politischen Druck wurde Obama dazu bewegt, Manning zu begnadigen. Das zeigt, dass derartiges Engagement sich (zumindest manchmal) lohnt. Auch für diejenigen, die solidarisch zu Manning gestanden haben, gibt es etwas zu feiern und einen Grund, stolz zu sein. Der gestrige Tag wird als guter Tag für Freiheit und Menschenrechte in die Geschichte eingehen.
Image (adapted) „Postcard to jail“ by Ricardo Jose (CC BY 2.0)
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