Möchtegern-Debatte 2.0 auf N24

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Heute Abend wird um 23:30 Uhr auf N24 die Sendung Debatte 2.0 ausgestrahlt. „2.0“ deswegen, weil die Zuschauer dem Gast, Bayerns Ministerpräsidenten Günther Beckstein, im Vorfeld Fragen per Videoclip oder MMS stellen konnten. N24 definiert das als „interaktiv“, was es de facto aber eher nicht ist. Denn interaktiv wäre es, wenn es einen echten Live-Austausch geben würde, der aber offenbar nicht vorgesehen ist. Denn die Sendung wird „ausgestrahlt“. Von live ist nur in Bezug auf den entsprechenden Stream im Web die Rede und das hat mit live nun mal recht wenig im eigentlichen Sinne zu tun. „2.0-nullig“ wird es zwar durch den Einsatz der MyVideo-Plattform, aber das ist lediglich eine technische Finesse und hat mit Netzkultur im Web 2.0 noch nicht viel zu tun.

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Wirft man einen Blick auf die entsprechende MyVideo-Seite und schaut sich den Trailer an, bleibt das „Debatten 2.0“-Konzept weiter unausgegoren. Peter Limbourg duzt einem freundlich entgegen „Jetzt seid Ihr dran!“. Wenn ich dem Ministerpräsidenten Beckstein eine Frage stellen soll, will ich als User aber nicht unbedingt mit dem Kumpel-Du angesprochen werden, egal wie angemessen das für MyVideo vielleicht auch erscheinen mag. Auf MyVideo tummeln sich bereits einige wenige Fragensteller . Ob das für eine ganze Sendung trägt? Wohl weniger – und das ist auch gut so. Denn die im Grunde gute Idee hinter Debatte 2.0 verkennt, dass man zum Debattieren auch erst einmal eine starke Community aufbauen muss. Und da ist das Communitymanagement von N24.de gefragt. Es gilt eine Beziehung zu den Usern aufzubauen. Ein simpler Aufruf: „Bitte debattieren Sie jetzt“ reicht eben nicht.

An ähnlichen Modellen haben sich schon andere versucht und sind daran gescheitert. Als Reflex wird dann meist argumentiert, dass das ja nur zeigen würde, wie politisch desinterssiert die Deutschen sind. Nö, das Gegenteil ist der Fall. Man debattiert und diskutiert gerne, nur nicht auf Befehl und in der Regel eher in einem Kontext, in dem man einen eigenen Nutzen darin sieht z.B. ernst genommen zu werden. Darüber hinaus hat es etwas mit Vertrauen und Reputation zu tun. Welcher Politiker wird sich denn vor laufender Kamerea ungeschützt von x-beliebigen Menschen öffentlich befragen lassen? Und selbst wenn es ein Politiker machen würde, wird er genauso routiniert „nicht“ antworten, wie das in Nachrichtensendungen und Interviews mit Profi-Fragestellern der Fall ist. Debatte erfordert von allen Beteiligten den Willen zum Reden mit offenem Visier. Bei Debatte 2.0 ist das Visier schon dadurch „zu“, dass das Format keine direkte Interaktion zwischen Fragestellern und Befragtem ermöglicht. Interaktiv ist eben anders! Interaktiv ist live! Interaktiv ist spontan!

ist freiberuflich als Medien- & Verlagsberater, Trainer und Medienwissenschaftler tätig. Schwerpunkte: Crossmedia, Social Media und E-Learning. Seine Blogheimat ist der media-ocean. Außerdem ist er einer der Gründer der hardbloggingscientists. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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9 comments

  1. Auch wenn das jetzt hier als blöde Werbung rüberkommt: Interaktiv – und zwar nicht als Mogelpackung – ist die Sendung busch@n-tv schon lange, seit letzter Woche kann man auch live per webcam mitdiskutieren. Technisch möglich ist es, N24 hat sich aber anders entschieden.
    Jan Lerch, Redaktion busch@n-tv

  2. Das ist eigentlich das gleiche Prinzip wie bei Maybrit Illner, wo Fragesteller vorher bei YouTube Filme mit ihren Fragen aufnehmen können und auch nur sehr mühselig relevante und sendefähiges Clips auf dem „Maybrit Illner Youtube Channel“ auflaufen.
    Interaktiv wäre es dann, wenn z.B. die Nutzergemeinde entscheidet, welche Fragen es in die Sendung schaffen und der Fragesteller wirklich über die Webcam live mit dem Studiogast konfrontiert wird und auch Nachfragen stellen kann.
    Aber selbst live ist keine Garantie für interaktiv im Sinne von „auf Augenhöhe diskutieren“. Siehe „Townhall Meeting“ mit Merkel bei RTL…

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