Der Tesla-Schachzug: Gegen Patenttrolle, fürs eigene Ökosystem

Tesla-Firmengründer Elon Musk bietet Autoherstellern einen Nichtangriffspakt an, um die Elektromobilität weltweit voranzutreiben. „All Our Patent Are Belong To You„: Tesla-Motors-Gründer Elon Musk hat vergangene Woche mit der Ankündigung, dass andere Tesla-Technologie einfach nachbauen dürfen, wieder einmal für Aufsehen gesorgt. Was aber steckt hinter der medientauglichen PR-Meldung, und welche Ziele verfolgt der Elektroautohersteller wirklich mit diesem gefinkelten Schachzug?

Eigentlich galt Tesla immer als eher verschlossenes Unternehmen der Sorte Apple. Das von PayPal-Millionär Elon Musk (für den Verkauf an eBay bekam er 180 Millionen Dollar) gegründete Elektroauto-Unternehmen hat nun offenbar eine Kehrtwende eingelegt. „All Our Patent Are Belong To You„, schrieb Musk kürzlich in dem offiziellen Firmen-Blog in Anlehnung an das nerdige Internet-Meme, dem sich schon die Anonymous-Hacker bedienten. „Tesla will not initiate patent lawsuits against anyone who, in good faith, wants to use our technology.“ Anstatt die eigenen Patente als „Lotterielose“ in Gerichtsprozessen gegen all jene einzusetzen, die Teslas Technologien nachbauen, wolle man fortan anderen Autoherstellern erleichtern, ebenfalls mit Elektromotoren angetriebene Vehikel zu bauen.

Tesla allein schafft´s nicht

Musk, der sich selbst gerne als großer Innovator präsentiert (er baut auch Raumschiffe bei SpaceX und will den Hyperloop in Kalifornien als neuartiges Transportmittel einrichten), will so die Automobilindustrie in Richtung emissionsloser Antriebe bringen. Weniger als ein Prozent der Gesamtverkäufe von Neuwägen würden derzeit Elektroautos sein, und das bei 100 Millionen neuen PKWs weltweit und einer Gesamtflotte von zwei Milliarden Autos. „It is impossible for Tesla to build electric cars fast enough to address the carbon crisis”, so Musk. “By the same token, it means the market is enormous. Our true competition is not the small trickle of non-Tesla electric cars being produced, but rather the enormous flood of gasoline cars pouring out of the world’s factories every day.“

Das System E-Auto kriegt dadurch einen starken Schub„, sagte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen gegenüber der dpa. Andere Hersteller könnten nun die ausdauernden Akkus und hohen Reichweiten von Tesla, die ihren Elektroautos bisher fehlen, für sich verwenden, ohne fürchten zu müssen, dass sie von Tesla verklagt werden.

Patente sind von Natur aus offen

Nun ist es aber nicht so, dass Musk die Tesla-Patente im Sinne von Open Source offen gelegt hat. Patente sind von Natur aus offen, und jeder kann sie nachlesen – insofern hinkt der Vergleich. Tesla hält einige hundert Patente, die man sich einfach hier ansehen kann – vom Vehicle charge connector bis zum Battery pack venting system. Musks Ankündigung bedeutet eher, dass er keine anderen Autofirmen verklagen will, die sich dieser Patente „in guter Absicht“ bedienen. Sollte ein Unternehmen so dreist sein und einfach 1:1 ein komplettes Tesla-Auto nachbauen, hat Musk immer noch Markenrechte, Firmengeheimnisse etc. in der Hand, um zu klagen. Experten gehen deswegen aus, dass sich andere Autohersteller vorher trotzdem rechtlich absichern werden, bevor sie Tesla-Patente einsetzen. Außerdem kann Tesla seine Patente immer noch defensiv einsetzen: Wird man von anderen Firmen für die Verletzung ihrer Patente geklagt, kann Musk mit Gegenklagen kontern und eine Vergleich anstreben.

Der von Innovation getriebene Musk setzt aber, natürlich im Stil des Silicon Valley, trotzdem ein wichtiges Zeichen: Er will Patenttrollen (also Firmen, die andere Firmen auf Teufel komm raus verklagen) das Wasser abgraben. Patenttrollerei ist ein großes Problem und gilt als innovationshemmend. Eine Studie von Catherine Tucker an der MIT Sloan School Of Management kam zum Ergebnis, dass Risikokapitalgeber in den letzten fünf Jahren 22 Milliarden Dollar in Start-ups gesteckt hätten, wenn sie keine Angst vor Patent-Trollen gehabt hätten. Eine zweite Studie an der Boston University kam 2011 gar zu dem Schluss, dass Patent-Trolle Innovatoren seit dem Jahr 1990 gar 500 Milliarden Dollar gekostet hätten – also im Schnitt 83 Milliarden Dollar pro Jahr. Welche Zahl nun auch stimmt: Patenttrolle kosten der Wirtschaft offenbar viel Geld.

Google und Twitter als Vorbild

Dass Tesla nun auf Open Source macht, ist im Silicon Valley nichts Neues. Google hat Cloud-Patente frei nutzbar gemacht („Open Patent Non-Assertion Pledge„), Twitter verspricht seinen Entwicklern in einem „Innovator’s Patent Agreement“ (IPA), die von ihnen entwickelten, patentierten Technologien nur defensiv und nicht offensiv für Patentklagen einzusetzen. Der Grundgedanke bei Tesla, Google oder Twitter: Sie wollen die Ökosysteme stärken, von denen sie selbst leben. Tesla etwa könnte langfristig davon profitieren, wenn andere Autohersteller die eigenen Supercharger-Tankstellen nachbauen, weil dann die eigenen Wägen eine für sie wertvolle Infrastruktur bekommen. Heute betreibt Tesla weltweit nur etwa 120 Supercharger (vier in Deutschland, zwei in Österreich), dem gegenüber stehen Millionen Sprit-Tankstellen. Außerdem will Musk die „Gigafactory“ bauen und bis 2020 Akkus für 500.000 Elektroautos produzieren. Da kommt es ihm gerade recht, wenn die Autoindustrie mit Hilfe seiner Patente auf Elektro umsattelt – denn ihnen ist er ein paar Jahre in der Entwicklung voraus und kann ihnen diese Batterien im B2B-Geschäft verkaufen.

Wenn der Markt für Elektroautos so wächst, wie es sich Musk vorstellt, dann ist er auch bei neuer Konkurrenz bestens positioniert: mit einem Premiumauto, das in der Liga von Mercedes und BMW mitspielt und dessen Image, Design und nobles Interieur um viel Geld an die wohlhabende Kundschaft verkauft werden kann.


Image (adapted) „Elon Musk, Tesla Factory, Fremont (CA, USA)“ by Maurizio Pesce (CC BY 2.0)


ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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