Spiele kommen und Spiele gehen. Manchmal erleben ganze Genres ein goldenes Zeitalter, nur um schließlich in der Versenkung zu verschwinden. Doch dann, völlig unvermutet, erwacht das Genre wieder aus seinem Winterschlaf. So ist es unter anderem bereits mit den CRPGs (Computer Role Play Games) geschehen. Nun zeichnet sich auch eine Renaissance der Echtzeitstrategie ab.
Während die CRPGs mit vielen Indietiteln wie Divinity: Original Sin, Pillars of Eternity oder Pathfinder: Kingmaker ihr Comeback hatten, sind es bei der Echtzeitstrategie vor allem die alten Schlachtschiffe, die wieder flottgemacht werden. Es erwartet uns ein neues Siedler und auch Age of Empires beglückt uns nach erfolgreichen Aufgüssen älterer Teile endlich mit einem ganz neuen Teil. Blizzard legt hingegen Warcraft 3 neu auf – optisch allerdings stark überarbeitet.
Doch auch an anderer Stelle tut sich etwas im Genre. Darum werfen wir einen genaueren Blick auf die heißesten Echtzeitstrategie Titel, die dem alten Genre neues Leben einhauchen sollen.
Siedler – Der Reboot einer Traditionsserie
Das Spiel mit dem „Wuselfaktor“ kehrt zurück. Die Siedler aus dem Jahr 1993 war eines meiner ersten richtigen Spiele, die ich gezockt habe – damals noch auf dem Amiga. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen kann ich mich noch immer so gut daran erinnern. Vor allem an das „Yippieh!“ der Geologen, wenn sie im Gebirge Kohle, Eisen, Granit oder Gold entdeckt haben. Bis zu Teil 4 der Reihe blieb es seinen Wurzeln relativ treu, wenn auch immer wieder um neue Mechaniken wie das Münzprägen ergänzt.
Danach begann es etwas wild zu werden. Man versuchte, sich neu zu erfinden und polarisierte damit stark unter den Fans. Danach folgten Remakes und neue Teile, die zwar gute Ideen hatten aber der Reihe keine neue Identität verleihen konnten. Siedler Online war schließlich der letzte Teil, der die Marke erstmals in ein Browserspiel goss. Für viele Fans der Reihe der Tiefpunkt.
Zurück zu den Wurzeln? Fast
Nun strebt Traditionsschmiede Blue Byte einen Reboot der Echtzeitstrategie-Serie an, der es in sich hat. Obwohl ein Neuanfang gemacht wird, besinnt sich Siedler trotzdem auf alte Stärken. Das zeigt vor allem eine Personalie: Volker Wertich.
Volker Wertich ist nämlich der Erfinder der Siedler-Reihe, der zuletzt bei Siedler 3 mitentwickelte. Dass der Schöpfer nun zum Reboot zurückkehrt, spricht für eine Besinnung auf alte Siedler-Tugenden. Vom Aufwärmen alter Geschichten kann allerdings kaum die Rede sein.
So generiert ihr neue Siedler beispielsweise nicht durch Wohnhäuser, sondern durch den Hafen. Da Geld die Welt regiert, kann man mit Goldmünzen locken, damit mehr Siedler in die neue Welt kommen. Auch der Bau sieht richtig schön aus. Das Spiel setzt da im Gegensatz zur Anno-Reihe auf Hex-Felder, die für einen viel organischeren Look sorgen.
Im Vergleich zu den ersten Teilen der Reihe haben übrigens alle Untertanen Hunger und wollen mit Essen versorgt werden. Bekommen sie nichts zu essen, legen sie die Arbeit nieder. Apropos Arbeit: Freie Träger können beim neuesten Teil auch in der Produktion unterstützen. So sah man bereits wie zwei Träger in einem Sägewerk aushelfen, um die Produktivität kurzfristig zu erhöhen – natürlich auch alles schön wuselig-liebevoll animiert.
Eine neue wichtige „Ressource“ ist übrigens der Ruhm. Diesen generiert ihr über das Veranstalten von Gladiatorenkämpfen. Während Ruhm die Moral eigener Siedler stärkt, schwächt sie die des Gegners, die irgendwann sogar sektorweise überlaufen – inklusive Gebäude. Allerdings: Siedler, die gerade einen Gladiatorenkampf besuchen, arbeiten in dieser Zeit nicht. Ein spannendes Element.
Iron Harvest – Dieselpunk? (1. September 2020)
Beim aktuellen Titel von King Art blicken wir auf keine große Historie zurück. Zwar hatten sie mit Black Mirror, The Book of Unwritten Tales und Die Zwerge durchaus schon größere Erfolge, jedoch mehr im Adventure und Rollenspiel-Segment.
Mit Iron Harvest nehmen sich King Art die retrofuturistische Alternativwelt 1920+ des polnischen Malers Jakub Różalski und gießen diese in Echzeitstrategie, die ein bisschen an Company of Heroes erinnert – eine der letzten erfolgreichen Strategiereihen. Das passt allerdings wunderbar zum Dieselpunk-Setting.
Warte – Dieselpunk? Richtig gehört. Während Cyberpunk und Steampunk sich schon länger großer Beliebtheit erfreuen, ist Dieselpunk noch ein schwarzer Fleck auf der Gaming-Karte. Es handelt sich quasi um eine Mischung aus Diesel-Technologien und Postmoderne. Hier trifft der erste Weltkrieg auf Mechs mit Verbrennungsmotoren. Ein im wahrsten Sinne des Wortes dreckiges Setting, das intensive Kämpfe verspricht.
Als Fraktionen stehen den Spielern Die Republik Polonia, das sächsische Imperium sowie die Rusviet zur Verfügung. Die Republik Polonia nimmt ein Stück weit die Rebellenposition ein. Das weitreichend von den Rusviet besetzte Land startet gerade ein Programm, um seine Armee zu modernisieren. Die Rusviet hingegen sind schon hochtechnologisiert und mit zahlreichen Mech-Typen ausgestattet. Das sächsische Imperium war hingegen eines der mächtigsten Länder Europas, das nach seiner Aufgabe im Krieg jedoch mit großen inneren Spannungen zu kämpfen hat.
Iron Harvest ist mit seinem außergewöhnlichen Setting ein potentieller Hit und bietet drei abwechslungsreiche Fraktionen mit über 40 Einheitentypen sowie 9 Helden, die über einzigartige Fähigkeiten verfügen. Die Genregrößen der Echtzeitstrategie dürfen sich gerne warm anziehen.
Age of Empires 4 – Endlich ein richtiger Nachfolger
Die Rückkehr der Echtzeitstrategie bekommt neben den Siedlern noch ein weiteres Urgestein als Speerspitze: Age of Empires 4. Der erste Teil erschien 1997 und schickte den Spieler von der Steinzeit bis in die Eisenzeit. Die zwei Jahre später erschienene Fortsetzung siedelte sich hingegen im Mittelalter an und ist bis heute noch der bekannteste Teil der Reihe. Age of Empires 3 konnte 2005 nicht an den Erfolg anknüpfen. Seitdem herrschte mehr oder weniger Stille.
Auch wenn keine richtige Fortsetzung erschien, so erlebte Age of Empires trotzdem eine Renaissance. Nicht nur dass die Spielerschaft das Spiel noch gut weiter pflegte – es erschien auch eine HD-Edition sowie jüngst die Definitive Edition, die das Spiel nochmal auf Hochglanz polierte. Vor allem der Multiplayer in Age of Empires ist derzeit sehr beliebt. Über mehrere Jahre erfreute das Format Rage of Empires die Spielefans auf Rocket Beans TV.
Neben seiner Mehrspieler-Tauglichkeit überzeugte die Reihe aber auch stets mit ihren historischen Kampagnen, die uns unter anderem den Werdegang historischer Persönlichkeiten wie Saladin oder Johanna von Orleans verfolgen ließen.
Die Fortsetzung nach 15 Jahren
Angekündigt wurde Age of Empires 4 bereits auf der Gamescom 2017. Dann herrschte jedoch lange Zeit Stille. Erst im Sommer 2019 gab es dann wieder Lebenszeichen und im November dann ein erstes Gameplay-Video. Doch was wissen wir nach dem nur 70-sekündigen Video?
Age of Empires 4 bringt uns diesmal wieder zurück ins Mittelalter. Wie Entwickler Relic verriet gibt es dabei weniger Nationen als in Age of Empires 2 – diese sollen sich aber dafür umso stärker voneinander unterscheiden. Auch der Trailer deutet an, dass es diesmal nicht ganz so identische Einheiten gibt. In Age of Empires 2 hatte zwar nicht jedes Volk Zugriff auf alle Einheiten, doch diese sahen außer die jeweiligen Spezialeinheiten identisch aus. Im Trailer bekommen wir einen Vorgeschmack auf die Engländer und die Mongolen. Es gibt wohl auch Spezialfähigkeiten wie den Falken im Trailer zur Aufklärung.
Interessant sind die ersten Bilder einer Stadt im Trailer. Die Stadt ist kein rechteckiger Klotz sondern hat schön gezogene Mauern. Es gibt Straßen und Plätze mit Kopfsteinpflaster, aber auch unbefestigte Wege. Für einen Moment sieht man sogar einen Hof außerhalb der Stadt. Natürlich wird das eher eine Stadt sein, wie man sie im Einzelspieler zu sehen bekommt. Im Multiplayer dürfte alles etwas schneller und zweckdienlicher platziert sein. Für Echtzeitstrategie-Schönbauer ist das jedoch trotzdem ein erster Hoffnungsschimmer.
Richtung Multiplayer orientiert dürfte auch die deutliche Farbkennzeichnung der Mauern und Gebäude sein. Auch wenn das den Schönbauer eher stört, ist es im Multiplayer dann doch wichtig, schnell den zugehörigen Spieler zu erkennen.
Des Weiteren erkennt man übrigens auch stärkere Höhenunterschiede und realisitischere Schlachtordnungen als in den Vorgängern. Wir sind gespannt, wie sich das spielerisch auswirkt.
Neues Leben für die Echtzeitstrategie?
Die Echtzeitstrategie erhebt sich derzeit aus ihrem Grab. Doch hat sie denn auch eine Zukunft? Die heute noch beliebtesten RTS-Games haben eine Sache gemeinsam: Sie sind alt. Die Siedler, Age of Empires, Warcraft, Starcraft und Command & Conquer haben vor allem vor mehr als zehn Jahren ihren größten Erfolg gefeiert. Auch Blizzard tastet sich vorerst mit einem Remake ihres erfolgreichen Warcraft 3 zurück ans Genre, wie auch Age of Empires und Siedler viele Remakes in den letzten Jahren erhielten.
Die Crux für die neuen Spiele: Man erwartet gleichermaßen alte Tugenden, wie auch neue Impulse. Die alten Genrefans haben feste Vorstellung, potentielle Neulinge wieder ein völlig andere Anforderungen an ein modernes Spiel. Es wird schwierig für ein Spiel, allen gerecht zu werden. Trotzdem haben alle drei vorgestellten Spiele ihre eigenen Potentiale.
Siedler sehe ich mit einem historisch recht gemütlichen Gameplay recht offen für neue Mechaniken. Was man bislang sah, machte den Eindruck, als könne man alte Tugenden sehr gut mit frischen Ideen verbinden. Der Wusellook könnte dabei trotzdem auch jüngere Spieler abholen. Ob das Gameplay sie hinterm Ofen hervorlockt, ist natürlich wieder die andere Frage. Der Trend ist sonst doch eher schnell und online.
Age of Empires sehe ich hingegen mehr im E-Sports. Multiplayer war schon immer ein wichtiges Element und die wenigen aber unterschiedlichen Fraktionen können schöne Taktikspielereien erlauben.
Iron Harvest hat dafür den Vorteil einer neuen Marke. Sie müssen keine Erwartungshaltungen durch Vorgänger erfüllen. Hier sehe ich das größte Potential für ganz neu gedachte Herangehensweisen. Ich vermute am Ende eine Mischung aus Company of Heroes und Command & Conquer mit frischen Ideen.
2020 hat das Potential ein großes Jahr für die Echtzeitstrategie zu werden. Die alten Spiele sind gut, aber für das Überleben des Genres braucht es auch neue Ikonen.
Auch für Fans von Aufbaustrategie: Das neue Anno 1800 (Provisionslink)
Image by Blue Byte via igdb
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