Was war Blizzard Entertainment mal für ein Ausnahme-Studio. Jedes Spiel des in Kalifornien ansässigen Unternehmens war ein Erfolg. Sie konnten sich für jedes Spiel Zeit nehmen, da die Spieler um die Qualität wussten und die Spiele blind kauften. Seit jüngstem bröckelt dieser Ruf jedoch gewaltig. Das Remake Warcraft 3: Reforged ist die neueste Enttäuschung für langjährige Fans, die zunehmend den Glauben an die Spieleschmiede verlieren.
Es ist einer von vielen Fehlern Blizzards, die sich in der jüngeren Vergangenheit anhäufen. Auf der hauseigenen Blizzcon stolperte Blizzard 2018 über seine Diablo-Reihe. Statt des von allen erwarteten Diablo 4, gab es als große Ankündigung ein mobiles Diablo. Auf einer Veranstaltung, die vorwiegend vom harten Kern der PC-Spieler besucht wurde, hätte Blizzard die „ernüchternde“ Reaktion vorhersehen müssen.
Im Oktober 2019 ging das Desaster weiter. Bei einem Turnier sorgt Sieger Blitzchung für einen Eklat durch seine politische Positionierung. „Befreit Hongkong, Revolution unseres Zeitalters“ rief der Hongkonger E-Sportler im Interview auf. Der eigentliche Eklat war dann aber mehr Blizzards harte Reaktion, Blitzchung das Preisgeld abzuerkennen und sowohl ihn als auch die Moderatoren für ein Jahr zu sperren.
Die kurz darauf folgende Blizzcon glättete die Wogen zumindest etwas. Diablo 4 wurde endlich angekündigt und sieht tatsächlich wieder mehr nach Diablo aus und obendrauf gab es mit Overwatch 2 sogar eine weitere große Ankündigung.
Dieses Jahr sollte mit Warcraft 3: Reforged der Echtzeit-Strategie-Klassiker neue und alte Spieler begeistern. Die Versprechung eines umfangreichen Remakes klangen gut, doch der Release sorgt für große Enttäuschung. Ein Metascore von 1.6 Punkten (30. Januar) spricht Bände über die enttäuschten Erwartungen.
Das erwarteten die Fans von Warcraft 3: Reforged
Die Vorstellung einer ersten Demo gehörte auf der desaströsen Blizzcon 2018 noch zu einem der Lichtblicke. Die Fans hätten sich zwar mehr über eine vollwertige Fortsetzung gefreut, aber das Remake sah vielversprechend aus.
Vor allem wurde natürlich die Grafik verbessert. Grundsätzlich bleibt man beim Original, aber man spendet neue Modelle mit einigen zusätzlichen Polygonen. Damit sieht der Klassiker nicht gerade wie ein brandaktuelles Spiel aus, aber deutlich gefälliger für hohe Auflösungen. Auch zeigte die Demo cinematischere Zwischensequenzen bei denen die neuen Modelle besonders glänzten.
Bei all den Neuerungen sollte die überarbeitete Version im Kern das alte Spiel bleiben. Sogar usererstellte Maps für das Original sollen sich in der Reforged-Version noch spielen lassen. Bei der Kampagne wollte man grundsätzlich beim Original bleiben, stellte aber neue Dialoge, Quests und Missionen in Aussicht. Durch World of Warcraft ist die Geschichte der Welt immerhin stark gewachsen. Alles in allem also ein rundes Paket, um einen Klassiker fit für 2020 zu machen.
Das bekamen die Spieler mit Warcraft 3: Reforged
Blizzard schaffte es jedoch erneut, die erwartungsvollen Fans zu enttäuschen. Die Release-Version unterscheidet sich nämlich teils gravierend von dem, was 2018 gezeigt wurde.
Wo sind tollen Zwischensequenzen hin? Und neue Inhalte?
Eines der größten Enttäuschungen sind die Zwischensequenzen, bei denen Blizzard wieder zurückgerudert ist. Die tollen Szenen aus der Stratholme-Mission der Demo sind nicht im Spiel. Stattdessen sind es die gleichen alten Ingame-Sequenzen nur mit mehr Polygonen. Außerdem verpasste man dem Spiel eine neue Sprachausgabe. Das wäre bei neuen Inhalten verständlich gewesen, aber neue Quests sind nicht hinzu gekommen.
Das User-Interface
Als nächste Übel ist das User-Interface, das ebenfalls ein bisschen klobiger als in der Demo ausfällt. Dass es zusätzlich zu Problemen mit der Minimap kommen kann und Anpassungen der Hotkeys nur sperrig über eine Datei gemacht werden können, macht die Erfahrung nicht besser. Auch die Menüs empfinden viele Spieler als unübersichtlich.
Abstriche in der Grafik
Die Grafik in Warcraft 3: Reforged ist natürlich deutlich besser. Im Gegensatz zu vielen anderen Remakes gibt es nicht nur knackigere Texturen, sondern auch neue Modelle. Trotzdem sehen vor allem die Maps teils schlechter aus, als in der Demo. Hinzu kommen Probleme mit der Performance und zahlreiche Bugs, etwa wenn man auf die klassische Grafik wechselt.
Weniger Features
Nicht nur verzichtet das Spiel auf neue Features – es streicht auch Features, die in der Urversion vorhanden waren. Custom-Kampagnen, Clan-Features, Turniere und Leaderboards fielen der Schere zum Opfer.
Zwangsupdate für Warcraft 3
Bei den Problemen lässt sich schnell sagen „ja, dann spiel doch das Original“. Selbst hier trifft Theorie auf harte Realität. Auch für das Original gibt es nun einen 30 Gigabyte großen Patch, der die alte Version quasi auf die Warcraft 3 Reforged upgradet – nur ohne die verbesserte Grafik. Gestrichene Features betreffen damit also auch das Original.
Andere Remakes besser als Warcraft 3: Reforged
Der Katastrophen-Release von Warcraft 3: Reforged wird sicherlich nicht ganz so große Wellen schlagen, wie vorige Enttäuschungen Blizzards. Es handelt sich schließlich „nur“ um ein Remake und erfüllt noch viele Anforderungen eines solchen. Trotzdem setzt sich der unangenehme Trend des Unternehmens fort. Derweil schaffen es viele andere Kult-Spiele, umfangreiche Remakes erfolgreich umzusetzen.
als direktester Vergleich ist die Age of Empires 2: Definitive Edition zu erwähnen. Auch hier gab es nicht nur schärfere Texturen, sondern neue Modelle und deutlich weichere Animationen. Dazu gab es neue Völker, neue Kampagnen, eine verbesserte KI (die nicht mehr cheatet) und ganz viele kleine Detailverbesserungen, wie das automatische Erneuern von Feldern über die Mühlen oder eine schematische Darstellung der Kartentypen.
Etwas genrefremder zeigte Zelda: Link’s Awakening für die Switch, wie man ein altes Spiel in ein ganz neues grafisches Gewand kleidet, ohne sich allzu weit zu entfernen. Mit Resident Evil 3 und Final Fantasy 7 Remake stehen uns in diesem Jahr noch umfangreichere Runderneuerungen ins Haus.
Auch Warcraft 3: Reforged hatte nach der Demo das Potential zu einem herausragenden Remake. Zumindest nach aktuellem Stand ist das Spiel jedoch eine große Enttäuschung. Erneut zeigt Blizzard, dass ihnen der Bezug zu ihren treuesten Fans abhanden gekommen ist. Diablo 4 dürfte für viele PC-Spieler die letzte Chance sein, den alten Ruf wieder herzustellen.
Mit The Legend of Zelda: Link’s Awakening ein gutes Remake erleben (Provisionslink)
Image by Blizzard Entertainment
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Schlagwörter: Blizzard, Strategiespiel, Warcraft