Dragon Quest gehört zu den altehrwürdigen JRPG-Reihen, die Genre-Fans schon seit Ewigkeiten begleiten. Der erste Teil erschien bereits 1986, damals noch für das Nintendo Entertainment System (NES). Über 30 Jahre danach erschien 2017 der aktuellste Ableger der Hauptserie, DragonQuest XI. Das Spiel bleibt nach wie vor seinen Wurzeln treu. Doch ist das in 2020 noch wirklich zeitgemäß? Lasst es euch im DragonQuest XI Test verraten. Als Grundlage des Tests dient die PC-Version des Spiels.
Alles wie gehabt in Erdria
In Dragon Quest XI schlüpfen wir erneut in die Rolle eines namenlosen Helden. Das Abenteuer beginnt in einem abgeschiedenen Dorf. Zum 16. Geburtstag unterziehen sich unser Held und seine Kindheitsfreundin Sandra / Gemma einer im Dorf üblichen Prüfung. Doch wir sind für Größeres bestimmt. Unsere schleierhafte Herkunft führt uns schließlich sogar an den Hof des Königs. Dort läuft alles gänzlich aus dem Ruder und entfaltet sich zu einem epischen Abenteuer in dem es um nicht weniger, als das Schicksal der Welt geht.
Alles beim Alten, könnte man sagen. Trotz einer Sprachausgabe ist der Held auch nach wie vor so stumm, wie man es beispielsweise von den Zelda-Spielen kennt (auch noch im sonst so revolutionären Zelda: Breath of the Wild). Auch hier bleibt sich die Serie treu – man könnte es aber auch als veraltet bezeichnen.
Auch nach 30 Jahren ist für das Design vor allem Manga-Legende Akira Toriyama (Dragonball) zuständig. Und natürlich ist eines der ersten Monster, denen wir über den Weg laufen ein Schleim, der noch immer so knuffig aussieht, wie schon beim ersten Spiel der Reihe. Der Kampf selbst hat sich auch kaum verändert. Er läuft rundenbasierend ab und wir können angreifen, Magie wirken, Spezialangriffe ausführen oder Items benutzen. Und genau das liebe ich wieder. Ich mag diese immer aktiveren Kampfsysteme nicht so. Lieber kämpfe ich ganz ohne Zeitdruck im Nacken.
Ein bisschen mangelt es dem Kampfsystem aber dennoch an Abwechslung. Ein Stück weit dürfen wir aber unsere Heldengruppe selbst über einen Skilltree mit unterschiedlichen Waffengattungen entwickeln.
So schön wie noch nie
So altbacken Dragon Quest XI zum Teil wirkt, so schön ist das Gewand, das es trägt. Vor allem die Welt kann im Dragon Quest XI Test eindeutig überzeugen. Es ist eine an sich offene Welt, die allerdings in mehrere Regionen unterteilt ist, die schon noch recht schlauchartig von Karte zu Karte führen. Dabei besuchen wir zahlreiche Städte, die ganz besondere Hingucker sind. Es gibt zwar keine gigantische und organisch gewachsen wirkende Stadt wie Novigrad in The Witcher 3, aber jede Stadt hat ihren eigenen Charme und ist jeweils auf seine Art von real existierenden Kulturen inspiriert.
Die Hafenstadt Gondolia ist beispielsweise stark von Venedig inspiriert, inklusive der Kanäle mit seinen namensgebenden Gondeln, die wir auch selbst fortbewegen dürfen. Nur singen müssen wir selbst – der Protagonist ist ja bekanntlich stumm. Doch es gibt auch ein Fischerdorf mit sehr hawaiianischen Wurzeln, eine chinesisch wirkende Stadt in einer Gebirgs-Schlucht, eine französisch anmutende Akademie und eine Art buddhistischen Tempel. Es gibt auch weniger real existierende Orte, von denen ich aber noch nicht zu viel vorwegnehmen möchte.
Das Charakter- und Monsterdesign ist äußerst überzeugend. Und von den Monstern gibt es (inklusive Abwandlungen) mehr als 700! Alle im unverkennbaren Toriyama-Stil und mit tollen Animationen.
Natürlich gibt es da auch ein paar Makel. Einzelne Texturen sind auffällig niedriger aufgelöst, Höhlen durch fehlende Pflanzenpracht weniger hübsch anzuschauen und viele Figurendesigns wiederholen sich. Das macht aber nichts, weil das Gesamtbild einfach äußerst stimmig ist und das Spiel damit optisch in der obersten JRPG-Liga spielt.
Eine typische Geschichte mit Wendungen
Vielleicht habe ich es schonmal angedeutet, dass Dragon Quest sehr auf seinen alten Tugenden beruht. Auch auf die Geschichte trifft das auf den ersten Blick zu. Es ist zunächst diese typische Geschichte eines Auserwählten, der die Welt vor der Dunkelheit bewahren soll und natürlich stehen ihm nach und nach Verbündete zur Seite.
Aber es gibt auch Wendungen in der Geschichte, die man vielleicht hier und da schon vorausahnt, die den Verlauf aber immer wieder spannend machen. Auch ist die Geschichte nicht immer so fröhlich, wie das knuffige Designs der Monster einen vermuten lassen könnte.
Auch die Gruppe rund um den Helden besteht zunächst vor allem aus bekannten Klischees und Rollenbildern. Wir haben nicht untypisch für ein JRPG ein kleines Mädchen (mit großer Klappe), den allseits coolen Schurken und auch den alten, weisen Mann, der eine Vorliebe für einschlägige Magazine hat (Hallo, Herr der Schildkröten!). Aber zum einen gewinnt man einen Großteil der Charaktere einfach schnell lieb, zum anderen steckt hinter einigen Charakteren dann doch noch ein kleines bisschen mehr, als nur dieser erste Eindruck. Einen Preis für besonders tiefgründiges Storywriting kann und will das Spiel aber dennoch nicht gewinnen – dafür nimmt es sich selbst manchmal einfach nicht ernst genug. Das ist aber voll in Ordnung. Es soll ja Dragon Quest sein.
Bei den Nebenquests wird’s allerdings etwas dünn. Es gibt zwar ein paar spaßige Aktivitäten wie Pferderennen und das Casino, aber Aufträge abseits der Story sind denkbar austauschbar und billig. Dagegen hatte The Witcher 3 (um wieder den Äpfel-Birnen-Vergleich zu machen) einige seiner denkwürdigsten Momente vor allem in den exzellenten Nebenquests gehabt.
Was manchen im Westen etwas aufstoßen könnte ist außerdem die japanische Sexualisierung, beispielsweise mit den „Oh la la“-Diensten, die manche Damen im Spiel anbieten. Als Anime-Fan bin ich da allerdings schon abgebrüht und schmunzle über den Humor.
Grundgütiger! Wer hat diese Übersetzung verbrochen?!
Ich zähle zu den wenigen, die sich nicht wirklich daran stören, wenn Fantasy für den deutschen Markt eingedeutscht wird. Gerade bei reinen Fantasysettings finde ich es sogar immersiver, wenn ich nicht von Denglisch umgeben bin. Auch John Schnee und Königsmund waren für mich bei Game of Thrones kein Ärgernis.
Anders sieht es bei der deutschen Übersetzung von Dragon Quest XI aus. Denn hier wird das Namensfeuerwerk kunterbunt. Ohnehin ist das Spiel ein kultureller Mix der besonderen Art, wo je nach Stadt auch die Namen (und Akzente) Italien, Frankreich und vielen weiteren Kulturen entsprechen. Die Deutsche Version muss sich zur Übersetzung ebenfalls das japanische Original genommen haben und daraus eigene Namen entwickelt haben. Anders kann ich mir nicht vorstellen warum beispielsweise Sylvando im Deutschen zu einem Rionaldo wird. Und das gilt für einen Großteil der Namen: Der Sprachstamm ist gleich, der Name völlig anders.
Das besonders Ärgerliche: Die englische Sprachausgabe. Es irritiert enorm, wenn die gesprochenen Namen und die gehörten Namen grundverschieden sind und nichtmal den Hauch einer Ähnlichkeit aufweisen. Ich habe daher nach einigen Stunden auf englischen Text umgestellt, was bei mir wirklich selten vor kommt. An sich ist aber der Wortwitz, etwa bei den Kämpfernamen eines Turniers auch im Deutschen keinesfalls schlecht.
Das Voice-Acting ist wie auch die optische Pracht auf sehr gutem Niveau, mit Stimmen, die perfekt zu den jeweiligen Charakteren passen. Dagegen ist die Musik weiterhin eher eine Schwäche der Dragon Quest-Reihe. Generell finde ich den Soundtrack aber nicht so schlimm, wie manch andere, da es durchaus tolle Tracks gibt. Manchmal setzt jedoch unpassende Musik zu bestimmten Situationen ein und Gesangsszenen ohne tatsächlichen Gesang sind ebenfalls ein wenig seltsam.
Dragon Quest XI auf fast allen Plattformen
Ursprünglich für PlayStation 4 und Nintendo 3DS(!) erschienen, ist Dragon Quest XI mittlerweile auf fast allen aktuellen Plattformen verfügbar. Nach einem Release für PC (Provisionslink), erschien kürzlich auch die erweiterte Version Dragon Quest XI S für die Nintendo Switch (Provisionslink).
Das erweiterte Dragon Quest XI S erscheint außerdem am 4. Dezember für PlayStation 4, Xbox One und PC. Die erweiterte Version umfasst einen optionalen 2D-Modus für Retro-Fans, einen Fotomodus, die japanische Tonspur, neue Nebenquests, neue Gegenstände und einiges mehr. Trotz erweiterten Umfangs müssen Spieler eventuell einen grafischen Rückschritt in Kauf nehmen. Die Switch-Version wurde nämlich eigens entwickelt, dafür jedoch mit Einschnitten in der Grafikpracht. Diese könnten ein Stück weit auch die potenteren Konsolen betreffen.
Photo Mode mit Nvidia Ansel
Wie vielleicht schon durch die Tests von Red Dead Redemption 2 oder Planet Zoo bekannt, habe ich eine kleine Leidenschaft für die Ingame-Fotografie entwickelt. Aktuell macht vor allem Ghost of Tsushima den Photo Mode in den sozialen Medien sehr beliebt. Aber vor allem auf Instagram gibt es eine riesige Community, die sich in zahlreichen Spielen austobt.
Auf der PC-Version gibt es auch ohne im Spiel integrierten Photo Mode die Möglichkeit für digitale Schnappschüsse. Nvidia-Grafikkarten haben einen integrierten Modus, der zahlreiche Spiele unterstützt. Dragon Quest XI ist zum Glück eines der Spiele, die am umfangreichsten davon unterstützt werden. Damit lässt sich das Spiel quasi pausieren, die Kamera frei bewegen und diverse Anpassungen von Farbgebung, bis hin zu Tiefenschärfe hinzufügen. Mit ALT+F2 gelangt ihr in diesen Modus. Das Praktische: Da der Modus direkt über die Grafikkarte geht, könnt ihr die Screenshots in der vielfachen Auflösung machen, in der ihr spielt. Damit sind Screenshots mit weit mehr als 4K-Auflösung möglich.
Mit der Mod „Ansel anywhere“ von Nexusmods, könnt ihr den Photo Mode sogar im Kampf und in Dialogsequenzen nutzen. Das kann manchmal auch sehr amüsant sein, weil einem dann auffällt, dass in manchen Einstellungen ein Teil der eigentlich anwesenden Charaktere gar nicht vorhanden ist, weil sie für diese Einstellung nicht relevant sind. Für mich ist Dragon Quest XI überraschend zu meinem aktuell liebsten Photomode-Spiel auf Instagram geworden.
Grafische Anpassungen sind übrigens auch abseits des Photo Modes möglich. Dafür gibt es die Tastekombination ALT+F3. Es kann Spaß machen, damit rumzutüfteln.
Fazit: Dragon Quest XI ist ein Fest für JRPG-Fans
Dragon Quest XI bewahrt sich seine Traditionen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite mutet manches geradezu altbacken an. Am Kampfsystem hat sich seit den Anfängen vor 30 Jahren grundlegend nicht viel verändert, ebenso auch am grundsätzlichen Look. Das kommt einigen, wie auch mir, allerdings gerade Recht. Es ist herrlich entspannt, mal kein aktives Kampfsystem zu haben und sich Zeit zu lassen. Der Held ist trotz sonst toller Sprachausgabe leider weiterhin stumm und Dialog-Optionen beschränken sich allenfalls auf „ja“ und „nein“ – wobei das ohnehin Fragen sind, die auf ein „ja“ hinaus laufen.
Trotzdem macht Dragon Quest XI im Test keinen komplett veralteten Eindruck. Das JRPG sieht nicht nur bildschön aus, sondern ist auch der zugänglichste Teil der Serie. Zwar ist die Karte von unzähligen Monstern bevölkert, aber wir sind nie in der Not massiv grinden zu müssen, um in der Story voranzuschreiten. Trotzdem lassen sich in dem Spiel durchaus dreistellige Stunden versenken, während schnellere Spieler auch gut in 50 Stunden durch das Spiel kommen können.
Auch wenn die Charaktere zu Beginn nach wandelnden Klischees aussehen, schließt man sie teils sofort, manche aber auch mit ein bisschen Verzögerung ins Herz. Hinter vielen Charakteren steckt zudem mehr, als man anfangs sieht und auch viele Nebencharaktere bereichern die Geschichte. Außerdem beherrscht es kaum ein Spiel so gut, mit Kunst wie Mosaiken innerhalb des Spiels, Flashbacks zu erzählen.
Wer mit dem Genre ohnehin nichts anfangen konnte, wird durch Dragon Quest XI allerdings wohl auch nicht bekehrt. Wer JRPGs mag, wird das Spiel aber höchstwahrscheinlich lieben. Mich wundert es nicht, dass Dragon Quest XI vor allem außerhalb Japans der mit Abstand erfolgreichste Teil der Serie ist.
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Image by Square Enix
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Schlagwörter: Dragon Quest, JRPG, Square Enix