Studenten geben regelmäßig Geld aus: 30 Euro bei der Party am Wochenende, ein Lehrbuch für 50 Euro und jeden Monat ein paar hundert Euro Miete. Den Kontostand bessern die angehenden Akademiker typischerweise mit Kellnern oder einem Job im Call-Center auf. Wenn sie darauf keine Lust haben, können sie für kleine Aufgaben im Netz ein paar Euro verdienen. Das Hotelbuchungsportal HRS zahlt zum Beispiel für einen Test der eigenen iPhone-App – und eine damit verbundene positive Bewertung im App Store.
„Beauftragen Sie qualifizierte Studenten online – Fachexperten schreiben Ratgeber, Produktbeschreibungen, Kategoriebeschreibungen oder Kurzgeschichten.“ Mit diesen Sätzen wirbt das Studentenjob-Portal Mylittlejob.de auf seiner Startseite um Auftraggeber. Ergänzend könnte es wohl heißen: „Studenten bewerten Ihre App mit fünf Sternen!“ Doch dieser Satz fehlt.
Die Idee von Mylittlejob ist im Trend. So genannte „Microjob„-Portale gibt es inzwischen einige. Das Prinzip: Unternehmen teilen ihre umfangreichen Jobs in viele kleine Mini-Aufgaben. Die Betreiber von Online-Shops lassen so etwa Produktbeschreibungen für ihre Seiten erstellen. Jeder einzelne Student textet beispielsweise fünf Beschreibungen und erhält dafür 20 Euro.
„iPhone User gesucht: Kurzer App-Test“
Zwischen den Aufträgen für Texte über Modemarken, Standortbeschreibungen für eine Autovermietung und Produkttexten für einen Technik-Shop findet sich bei Mylittlejob.de auch der unscheinbare Microjob mit dem Titel „iPhone User gesucht: Kurzer App-Test“. 3,20 Euro werden den Studenten versprochen. Dafür sollen sie eine App installieren und ausprobieren, eine Feedback-Liste mit Pros und Contras erstellen sowie eine Rezension mit dem persönlichen Account im App Store verfassen. Die Aufgabe sei innerhalb weniger Minuten erledigt, wird versprochen.
Das klingt nach leicht verdientem Geld, denkt sich der arme Student. Und das klingt nach einem App-Entwickler, der ehrliches Feedback für seine App erhalten möchte. Wenn der arme Student den Auftrag allerdings bis zum Ende liest, erhält er noch eine weitere wichtige Anforderung: „In den Rezensionen sollen vor allem die positiven Aspekte hervorgehoben werden. Auch die Bewertung sollte dementsprechend ausfallen.„
Bei der zu „testenden“ App handelt es sich um die „Hotel Suche“ des Buchungsportals HRS. HRS kauft sich also für 3,20 Euro eine Bewertung im App Store, bei der „vor allem die positiven Aspekte hervorgehoben werden“ sollen.
IT-Anwalt: Wettbewerbswidrige Schleichwerbung
Durch die Aufforderung, ausschließlich positive Bewertungen abzugeben, würde Schleichwerbung generiert, schätzt der Rechtsanwalt Christian Solmecke den Fall ein. Der Experte für IT-Recht erklärt: „Ein Verbraucher muss immer erkennen können, ob eine Bewertung aus freien Motiven heraus erfolgt oder unerlaubterweise durch ein Unternehmen beeinflusst worden ist. Hier wird die Objektivität der Bewertungen widerrechtlich gegen Zahlung von Geld beeinflusst.“ Dies verstoße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und sei wettbewerbswidrig. Bei einem solchen Wettbewerbsverstoß drohten dem Unternehmen teure Abmahnungen, sagt Solmecke.
Auf Nachfrage teilt HRS mit, die „Usability-Tests“ würden dazu dienen, positives wie negatives Feedback der Nutzer zu sammeln und die Apps „kontinuierlich zu optimieren„. Dafür arbeite HRS unter anderem mit der Agentur „gjuice“ zusammen, die wiederum die Jobs bei Mylittlejob.de beauftragt habe.
HRS: Rezension dient nur der Kontrolle
Warum sind aber für die Usability-Tests die Rezensionen im App Store nötig? Für das Feedback würde doch auch die Pro/Contra-Liste genügen. HRS-Sprecherin Anja Klein: „Die Rezension im Store dient ausschließlich der Verifikation, um nachvollziehen zu können, dass die Nutzer die App auch tatsächlich installiert und getestet haben. Insgesamt machen diese Bewertungen jedoch nur einen sehr geringen Teil der gesamten Rezensionen im Store aus.„
Auch das Microjob-Portal Mylittlejob.de äußerte sich auf Nachfrage zu dem Fall. Geschäftsführer Marlon Litz-Rosenzweig erklärt, nicht jeder einzelne Job würde manuell geprüft, bevor er für die Studenten freigeschaltet wird. Stattdessen überprüfe das System der Seite ständig, ob bestimmte Schlagworte auftauchen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Pornographie. „Da monatlich etwa vier- bis fünftausend Jobs veröffentlicht werden, können wir mit unserem kleinen Team nicht jeden einzelnen Auftrag händisch überprüfen. Da säßen wir ewig„, sagt Litz-Rosenzweig.
Er gibt aber zu: Die konkrete Auftrags-Passage, in der von den „positiven Aspekten“ die Rede ist, sei „zu schwammig formuliert„. Nach seinen Angaben hat HRS aber auch Jobs in Auftrag gegeben, bei denen in den App Store-Rezensionen konkret die negativen Aspekte hervorgehoben werden sollen. Das Team von Mylittlejob.de wolle außerdem Kontakt mit HRS aufnehmen und auf die „unglückliche Formulierung“ hinweisen.
Das Geschäft mit den Bewertungen
Wie wichtig gute Bewertungen und damit eine gute Position in den Rankings des App Stores ist, zeigt alleine schon die Masse an vorhandenen Smartphone-Apps. Über eine Million verschiedene Anwendungen bietet Apple seinen iPhone- und iPad-Nutzern zum Download an. Um aus dieser Masse hervorzustechen, scheinen manche App-Entwickler inzwischen neue Wege zu suchen. Es gibt Marketing-Agenturen, die sich rein auf „ASO“, die „App Store Optimization“ spezialisiert haben. Die gratizzz GmbH aus Mainz beispielsweise bietet 50 App-Bewertungen zum Preis von 290 Euro an und verspricht „die Pole-Position für Ihre App„. Die „App Promotion Agentur mit Transparenz“, wie sie sich selbst beschreibt, garantiere dabei aber keine hohen Durchschnittsbewertungen, „da unsere Nutzer zu aufrichtigem Feedback angehalten sind.“ Vorteile der bezahlten Rezensionen seien unter anderem das Aufsteigen der App in den Charts und der Ausgleich von schlechten Bewertungen. Dabei werden doch gar keine positiven Bewertungen gekauft, es geht doch um „aufrichtiges Feedback“ – oder doch nicht?
Wer auffliegt, fliegt raus
Der Einkauf von positiven App Store-Bewertungen kann für die Entwickler auch nach hinten losgehen. In Apples offiziellen App Store-Richtlinien heisst es: „Entwickler, die mit gefälschten oder gekauften Rezensionen das Ranking im App Store manipulieren, werden vom iOS Entwickler-Programm ausgeschlossen„. Wer im App Store etwas veröffentlichen will, muss zwingend Mitglied in diesem Programm sein. Sollten also Bewertungs-Manipulationen auffliegen und Apple konsequent sein, hätte dies unangenehme Folgen für die Entwickler.
Anfang Juni bemerkte das IT-Blog Techcrunch.com, dass bei der App „Better Fonts Free“ über Nacht rund 16.000 Bewertungen verschwunden waren. Techchrunch erklärt, dieser Vorgang zeige, dass Apple eingeschritten sei und gefälschte Bewertungen entfernt habe. Entwickler, die wegen gefälschter Rezensionen komplett ausgeschlossen wurden, sind jedoch bisher nicht bekannt.
Trotz rechtlicher Bedenken und der Gefahr, von Apple aus dem App Store geworfen zu werden: Für HRS scheint es sich gelohnt zu haben, bei den Studenten auf Mylittlejob.de einzukaufen. Die „Hotel Suche“-App war zwischenzeitlich im Durchschnitt mit viereinhalb von fünf Sternen bewertet. „Eine App wie sie sein sollte!“ und „Absolute Downloadempfehlung!“ schreiben die Rezensenten. Und bewerten die App allesamt mit der Bestnote – 5 Sterne.
Image (adapted) “All about smartphones“ by Denis Dervisevic (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: APP NEWS, HRS, iphone, Kundenbewertungen, Rezensionen, Schleichwerbung, Studentenjob
1 comment
“Hotel Suche” – alleine für das Deppenleerzeichen im Namen verdient die App schon eine schlechte Bewertung.