Im Interview redet der Parlamentarische Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, über Datenschutz, Open Data und deutsche Startups // von Tobias Schwarz
Ende November haben die Netzpiloten auf dem Smart Data-Kongress im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin sich mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Otto über Datenschutz, Open Data, Konsequenzen aus der NSA-Affäre und die deutsche Startup-Szene unterhalten. Im Interview spricht Otto über den Nutzen von Smart Data und Open Data für die Allgemeinheit, die Notwendigkeit und die Vorteile eines starken Datenschutzes in Europa und warum auch Deutschland eine starke IT-Szene braucht.
Sehen Sie den Trend zu Big Data und Smart Data als eine positive Entwicklung an?
Hans-Joachim Otto: Als eine notwendige Entwicklung. Es fallen gigantische und sehr schnell wachsende Datenmengen an, die intelligent, aber auch gesetzeskonform genutzt werden müssen. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, wer bei Smart Data nicht dabei ist, wird zurückfallen und deswegen ist das eine Frage, die beispielsweise nicht nur für die Stärkung der Gesundheit der Bevölkerung, sondern auch für die Frage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft in Deutschland, entscheidend ist.
Durch diese Ansammlung der Datenmengen und der steigenden Aussagekraft kleinster Datensätze steigt die Bedeutung des Datenschutzes. Ist Datenschutz eine staatliche Aufgabe oder sind die Bürger selber verpflichtet, sich darum zu kümmern?
Beides. Der Staat und insbesondere die europäische Gemeinschaft, damit wir eine einheitliche Regel in ganz Europa haben, ist aufgerufen, klare Gesetze und Rahmenbedingungen zu schaffen. Aber Datenschutz ist selbstverständlich auch die Aufgabe für Private. Da muss jeder mitmachen, da muss es ein Bewusstsein für geben, damit man erkennen kann, wo sind die Gefahren und wie kann ich mich schützen. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass nur der Staat sich um die Privatsphäre kümmert. Jeder Privatmann und jedes Industrieunternehmen hat hier auch seine eigene Verantwortung, die sie wahrnehmen müssen.
Ist Datenschutz ein Bürgerrecht?
Natürlich ist der Schutz der Privatsphäre ein Bürgerrecht. Das ist auch in unserer Verfassung so niedergelegt und deswegen ist es ein sehr hohes Gut. Es ist übrigens auch absolut unerlässlich für die Akzeptanz von Big Data und von IT. Wenn sie nicht einen wirksamen Schutz der Privatsphäre und des Datenschutzes gewährleisten können, dann wird die Entwicklung zumindest verzögert, wenn nicht sogar vereitelt. Das hohe Bewusstsein für Datenschutz und auch Datensicherheit in Deutschland ist auch ein Wettbewerbsvorteil, weil die Menschen überall in der Welt wissen, dass wir es ernst meinen mit Datenschutz und das deutsche Unternehmen auch bessere Chancen am Weltmarkt haben, weil wir ein hohes Datenschutzniveau haben und man davon ausgeht, dass die Produkte, die in Deutschland entwickelt werden, höheren und zuverlässigeren Standards genügen als das beispielsweise in China oder auch in den USA der Fall ist.
Was kann nationales Recht noch für international agierende Unternehmen tuen?
Wir müssen auch internationale Vereinbarungen treffen. Datenverarbeitung und IT sind natürlich weltweit und sie können mit nationalen Insellösungen gar nichts mehr erreichen. Das heißt, wir müssen mit unseren Partnern – das ist auch ein ganz wichtiges Thema der G20-Gipfel – Regelwerke aufstellen, die für alle verbindlich sind. Ich halte es sogar für eine Aufgabe, die die Vereinten Nationen ergreifen müssen, weil es neben der Bekämpfung von Hunger und Krieg natürlich auch darum gehen muss, wie die Privatsphäre von Menschen hinreichend und wirksam geschützt wird. Da man das nicht erreichen kann, angesichts der Verknüpfung der Datenverarbeitung in der gesamten Welt, nicht nur innerhalb von nationalen Grenzen, noch nicht einmal innerhalb europäischer Grenzen, müssen wir ein Regelwerk aufstellen, dass dazu führt, dass die Schutzmechanismen technischer und organisatorischer Art gestärkt werden. Da sind wir noch ganz am Anfang.
Sie haben eben in ihrer Rede auf dem Smart Data-Kongress gesagt, dass Daten der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, eine interessante Interpretation des Solidaritätsprinzips ist. Wie beurteilen Sie Open Data genau?
Open Data ist schon eine Realität und setzt sich immer stärker durch, aber ich lege großen Wert darauf, dass es sich um die freiwillige und bewusste Hergabe von Daten handelt. Wenn ich sage, die Hergabe von Daten ist ein Prinzip der Solidarität oder kann eine interessante Interpretation des Solidaritätsprinzips sein, dann heißt das natürlich nicht, die unbewusste Abschöpfung von privaten Daten, sondern die bewusste Zurverfügungstellung. Ich kann dadurch, dass ich Daten der Allgemeinheit zur Verfügung stelle, helfen bestimmte Prozesse, medizinische Behandlungen oder wissenschaftliche Erkenntnisse voranzubringen und deshalb ist Open Data ein ganz wichtiges und unverzichtbares Element unserer globalen Wissensgesellschaft. Wenn jeder nur auf seinen Daten sitzt und sie nicht hergibt und die Interaktion mit anderen Wissensträgern vereitelt, dann kommen wir nicht weiter. Deswegen kann ich nur an alle appellieren, sich zu öffnen und mit anderen zu interagieren.
Ist auch der Staat dazu aufgefordert?
Natürlich ist auch der Staat dazu aufgefordert. Es gibt bestimmte Daten, die sicherlich einen Schutz bedürfen, z.B. die Daten von Urhebern und denjenigen, die innovative Projekte und Dienstleistungen entwickeln, aber es gibt natürlich auch einen wachsenden Bereich von Allgemeinkenntnissen und allgemein zur Verfügung zu stellenden Daten, damit Wissensprozesse, Erkenntnisprozesse und die wissenschaftliche Forschung vorangehen können. Da eine Abwegung zu treffen ist kompliziert, aber ich will überhaupt keinen Zweifel daran lassen, dass alle Akteure – seien es Privatleute, die Wirtschaft oder der Staat – dazu aufgerufen sind, in einem offenen Prozess auch solidarische und gemeinsame Forschung und Entwicklung zu ermöglichen und nicht nur alles in seinem Kämmerchen für sich zu behalten.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat in der letzten Legislaturperiode die Startup-Wirtschaft im Silicon Valley und Tel-Aviv besucht. Setzt das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Strategie auf eine Vernetzung und die Möglichkeit von Kollaboration mit diesen IT-Zentren oder sollen mehr eigenständige Strukturen aufgebaut werden?
Beides. Wenn ich anfange, auch eine eigene Unabhängigkeit aufzubauen, erst dann bin ich ein ernstzunehmender Partner für das Silicon Valley. Wenn ich dem Silicon Valley immer nur hinterher arbeite, sind wir als Partner nicht interessant. Ich glaube schon, dass das Silicon Valley, wenn ich das mal so allgemein formulieren darf, durchaus Interesse an der Gründerszene in Berlin hat. Ich kenne US-Amerikaner, die auf mich zukommen und mich um Kontakte zu deutschen Gründern, Entwicklern oder der Industrie bitten, um sich mit denen zu vernetzen. Das setzt aber alles voraus, dass wir hier in Deutschland und Europa auch wirklich die Kraft haben, eigene Produkte, Wege und Innovationen zu entwickeln und uns nicht nur als Entwickler von Apple-, Microsoft- oder Google-Produkten verstehen, sondern das wir auch das Selbstbewusstsein haben, dass wir in Deutschland eine wunderbare IT-Szene haben, die sich immer besser entwickelt und die damit auch für das Silicon Valley interessant wird.
Wir sind jetzt aufgerufen, unsere Wettbewerbsfähigkeit im IT-Bereich zu stärken. Das ist übrigens auch eine Konsequenz aus der NSA-Affäre, denn wir brauchen auch eigene Strukturen, aber nicht als Kriegserklärung an die USA, sondern als Ermöglichung einer gleichberechtigten Kooperation auf Augenhöhe. Das müssen wir erreichen. Wir sind im Bereich der Industrie, des Maschinenbaus und in vielen anderen industriellen Bereichen sehr weit und teilweise weiter als die Amerikaner, aber im IT-Bereich gibt es sicherlich auch noch Felder, wo Deutschland etwas aufholen muss.
Teaser & Image by Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
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