Ist Google ein Monopol? Nein, findet die Monopolkommission. Ihr Mitglied Justus Haucap erläutert im Interview die Gründe. // von Katharina Brunner
Es ist die Frage, die in den letzten Wochen die Wirtschaftsmedien genauso bewegte wie die Feuilletons: Hat Google zuviel Marktmacht? Auch die Monopolkommission, ein beratendes Gremium der Bundesregierung, hat in ihrem Hauptgutachten 14 der über 800 Seiten dieser Frage gewidmet. Die klare Antwort: Nein, Google ist kein Monopol. Justus Haucap, Mitglied der Kommission, VWL-Professor und erklärter Gegner des Leistungsschutzrechts für Presseverlage, im Interview über Daten-Sammel-Maschinenen, Anti-Google-Stimmung und sein persönliches Schreckensszenario.
Warum ist das wichtig? Die Marktmacht Googles steht unter Beschuss. Justus Haucap, Mitglied der Monopolkommission, rät zu Besonnenheit.
- Justus Haucap, Mitglied der Monopolkommission, sieht keinen Grund für eine Entflechtung Googles.
- Die Anti-Google-Stimmung sei von einigen Medien-Konzernen hierzulande getrieben.
- Bei Facebook sei die Gefahr größer, aber auch beim größten sozialen Netzwerk sei das Wachstum begrenzt.
Katharina Brunner: Soll Google zerschlagen werden?
Justus Haucap: Das ist keine gute Idee. Man muss sich zunächst fragen, was das genau bedeuten sollte. Eine eigentumsrechtliche Entflechtung hieße, dass Google zum Beispiel YouTube oder Google Maps verkaufen müsste. Aber wenn wir das in Europa anordnen, würde Google das überhaupt machen? Oder würde Google diese Dienste einfach in Deutschland oder Europa nicht mehr anbieten?
Was hieße das zum Beispiel für die Nutzer?
Wenn ich in Google „Wetter Freiburg“ eingebe, dann zeigt mir Google sofort das Wetter in Freiburg an – ohne dass ich noch weiter klicken muss. Eine Entflechtung hieße, dass Google nicht mehr die Antworten auf diese Fragen geben darf, sondern nur noch Links zeigen soll. Darüber würden sich die Wettbewerber von anderen Wetterdiensten natürlich freuen. Aber für den Nutzer ist das eigentlich kein Vorteil. Man muss sich eher anschauen, ob man Schutzzäune um bestimmte Daten ziehen soll.
An welche Daten denken Sie da?
Perspektivisch sind das Google Car oder Google Glass, die ja Daten-Sammel-Maschinen für Google sind. Google möchte wissen, wann ich wo mit meinem Auto entlang gefahren bin und was genau ich mir angucke. Und da stellen sich zum einen starke datenschutzrechtliche Fragen, zum anderen aber auch: Führt das dann möglicherweise wirklich zu einer unangreifbaren Monopolstellung? Hat ein Konzern irgendwann so viele Daten, dass das kein anderer diesen Wettbewerbsvorteil reproduzieren kann? Dann haben wir wirklich so etwas wie ein Monopol, das vor Konkurrenz sicher wäre. Google wäre dann nicht durch Wettbewerber angreifbar und könnte nicht durch Wettbewerb diszipliniert werden. Da müsste man sich dann schon Gedanken machen, welche Grenzen man dem ggf. setzen will. Also: Welche Daten darf Google miteinander kombinieren? Braucht es dazu explizitere Formen der Einwilligung als momentan? Heute sind wir noch nicht soweit. Google Glass und Google Car sind ja noch Zukunftsmusik.
Wenn das Zukunftsmusik ist, heißt das, dass Google jetzt alles machen kann?
Nein, Google darf nicht unkontrolliert machen, was es will. Das haben wir ja zum einem durch das EuGH-Urteil gesehen, aber auch durch das Wettbewerbsrecht. Die Europäische Kommission und die Federal Trade Commission in den USA haben Google eine ganze Reihe von Zugeständnissen abgerungen. Ich denke, dass mit dem Kartell- und Datenschutzrecht bereits ein gewisser Hebel besteht. Das bestehende Recht kann vielleicht nicht jedes Problem jedes Bürgers und jedes Unternehmens lösen, aber das ist in absolut allen Rechtsgebieten so. Aktuell gibt es jedenfalls keine allzu gravierende Verwerfungen, die nicht durch das bestehende Recht adressiert werden könnten.
Wie erklären Sie sich dann die Anti-Google-Stimmung?
Der wahre Grund sind aus meiner Sicht einige Medien-Konzerne. Es ist eine recht ähnliche Koalition, die schon seit einigen Jahren versucht, das Leistungsschutzrecht zu etablieren, was auch in gewissem Umfang gelungen ist: Es gibt ein Leistungsschutzrecht, aber in sehr abgeschwächter Form verglichen zu den ursprünglichen Vorstellungen einiger Medienhäuser. Durch die Krise der Medienwirtschaft sind viele Einnahmequellen weggebrochen. Deswegen versuchen viele Verlage jetzt anders an Geld zu kommen. Und von wem wollen sie es haben? Natürlich in erster Linie von Google, denn bei Google gibt es viel zu holen.
Glauben Sie, dass die Beschwerde der VG Media beim Kartellamt erfolgreich sein wird?
Ich bin mir relativ sicher, dass das Kartellamt im Wesentlichen für Google entscheiden wird. Es ist für mich nicht vorstellbar, dass Google verpflichtet werden kann, Links und Snippets zu zeigen und dafür dann bezahlen muss – selbst wenn Google die Links und Snippets nicht gegen Bezahlung will. Das gibt das Kartellrecht nicht her – was auch richtig so ist: Ich kann nicht jemanden dazu zwingen, etwas zu bezahlen, wenn er es nicht haben will.
Könnte die Anti-Google-Stimmung auch politisch motiviert sein?
Die Presse ist sehr wichtig für die Politik, gerade der Springer-Verlag. Es gibt nur wenige Politiker, die es sich mit der Springer-Presse verderben wollen, was individuell-rational vielleicht ja auch nachvollziehbar ist. Ich finde es auch interessant, dass sich im Feuilleton der FAZ Robert Maier, der selbst Shopping-Portale betreibt, auf einer ganzen Seite ausbreiten darf. Das sind natürlich handfeste kommerzielle Interessen, die aber nicht unbedingt zum Vorteil der Verbraucher sind und auch Innovationen unterbinden.
Interview von Netzpiloten-Autor Gunnar Sohn mit Justus Haucap:
Was wäre Ihre ideale Lösung, um Google zu regulieren?
Google hat natürlich den Anreiz bei den Listungen die konzerninternen Inhalte zu bevorzugen. Das kann man nicht leugnen. Im Idealfall würde man das in allen Details permanent kontrollieren, aber das geht nicht.
Was ist eine Alternative? Eine Behörde?
Auf keinen Fall. Das ist mein Schreckensszenario. Da streiten dann die Gewerkschaftler mit denen von der Evangelischen Kirche, welcher Link weiter oben stehen soll. Das würde völlig die Dynamik herausnehmen. Google ändert seinen Algorithmus über 500 mal pro Jahr, solche Veränderungen sind wichtig, mit einer Behörde aber nicht machbar.
Was wäre dann Ihr Vorschlag?
Konkret sehe ich keinen Handlungsbedarf, der über die durchaus umfangreichen Aktivitäten der EU-Kommission hinausgeht. Sollten sich Belege erhärten, dass Google in der Zukunft Links diskriminierend behandelt, muss man erneut tätig werden. Die Lösung der Europäischen Kommission, die Links, die aus dem Google-Konzern kommen, farbig zu markieren, finde ich ganz gut. Letztendlich kann der Verbraucher dann entscheiden, ob er klicken will – genauso, wie er sich jetzt zwischen generischen Suchergebnisse und bezahlten Anzeigen entscheiden kann.
Wenn Google kein Monopol ist, ist dann Facebook eines? Die indirekten Netzwerkeffekte sind bei sozialen Netzwerken ja stärker.
Ja, es ist schwieriger Facebook anzugreifen, denn dazu müsste ein Großteil der sozialen Beziehungen auch zu einem anderen Netzwerk wandern. Zudem hat Facebook viel bessere Informationen über mich als Google. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass das nicht zwangsläufig ein dauerhaftes Monopol bedeutet. Aus der Vergangenheit sieht man, dass Leute ihre sozialen Netzwerke wechseln. Die VZ-Netzwerke sind in Deutschland ja auch völlig den Bach hinuntergegangen. Zudem gibt auch andere: Wenn ich etwas Seriöses, Professionelles brauche, dann gehe ich lieber zu Xing oder LinkedIn. Und dem Wachstum von Facebook sind Grenzen gesetzt – vor allem bei den unter 18-Jährigen, was soziologisch leicht zu erklären ist: Man tauscht sich ungern im gleichen Netzwerk wie die Eltern aus. Auch wenn man sich den Werbemarkt anguckt, ist Facebook noch wesentlich unbedeutender als Google. Ich rate daher zu einer entspannten, aber nicht unkritischen Sichtweise.
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Schlagwörter: facebook, google, Interview, Justus Haucap, Marktmacht, Monopole, Monopolkommission
4 comments
„was auch richtig so ist: Ich kann nicht jemanden dazu zwingen, etwas zu bezahlen, wenn er es nicht haben will.“
Außer, es handelt sich dabei um eine Religionssteuer – die eigentlich wegen der Trennung von Kirche und Staat verfassungswidrig sein müsste – oder um eine Zwangsabgabe zur Finanzierung von Musikantenstadln, Traumschiffen und Talkshows, in denen sich die immer gleichen Politiker der immer gleichen Volksparteien in einem seriösen Umfeld profilieren können.
Dann nämlich kann auf jeden Fall jeder dazu gezwungen werden, etwas zu bezahlen, was er nicht haben will. Aus der Religionssteuer kommt man wenigstens noch raus – jedenfalls nach Zahlung eines Schutzgelds. Um die Brot-Spiele-und-Propaganda-Zwangsabgabe kommt aber niemand herum.