Die Digitalisierung hat die Musik-Branche mächtig durchgewirbelt – im Interview erkennt Midem-Direktor Bruno Crolot Zeichen eines Neuanfangs. // von Tobias Schwarz
Am Freitag beginnt im französischen Cannes die Midem, die weltweit größte Konferenz der Musikbranche. Vier Tage lang besprechen Branchenvertreter, Musiker und Unternehmensgründer, was die Zukunft bringt. In Vorbereitung auf unseren diesjährigen Besuch der Konferenz, haben wir den Direktor der Midem, Bruno Crolot, interviewt. (Das komplette Interview in Englisch findet sich auf meinem Blog Isarmatrose.com.)
Tobias Schwarz: Als ich mit Freunden über meinen Besuch der Midem 2014 gesprochen habe, wussten die meisten von ihnen noch nichts über diese Konferenz. Was ist die Midem und wieso ist es ein wichtiges Event für Sie?
Bruno Crolot: Midem ist als das führende B2B-Event für das internationale Musik-Ökosystem angekündigt. Es ist der perfekte Anlass, um sich mit mehr als 6.000 Akteuren der Musikbranche aus über 75 Ländern zu vernetzen. Es ist ein Marktplatz im Herz der Palais des Festivals in Cannes. Es gibt mehr als 120 Konferenzen mit Keynote Sessions, Wettbewerben, Pitch Sessions, Speed Meetings. Es ist ein Festival in der ganzen Stadt, mit pausenlos Musik aller Genres aus der ganzen Welt. Es macht das Geschäft zu einem Spaß, es inspiriert, es werden Deals unterzeichnet, grundsätzlich stärkt es deine Räder für das Jahr.
TS: Netzpiloten wurde zur letzten Midem als Online-Magazin eingeladen, das über Technologie und dessen Auswirkung auf unsere Gesellschaft berichtet. Was sind die Auswirkungen von Technologie auf Musik?
BC: Technologie ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Musik, nicht nur um sie zu erzeugen, sondern auch um sie zu promoten, verkaufen, teilen, sie zu hören… Die Art wie Menschen Musik konsumieren und sich mit ihr beschäftigen, wurde durch Technologie stark durcheinandergebracht. Das Schlimmste war in den frühen 2000ern, als es illegale Piraterie sehr einfach gemacht hat und das Beste war, als den Schöpfern und Miteigentümern viele neue Wege ermöglicht wurden, ihre Musik weltweit entdecken zu lassen, gehört und verbreitet zu werden. Die Musikbranche wurde in ein Ökosystem verschoben, das Technologie mit einschloss, sobald es das Internet gab. Heutzutage sind Technologie und Akteure dieser Branche ein sehr wichtiger und wachsender Teil.
TS: Die Musikindustrie muss so viele Aufgaben bestreiten, die durch die Digitalisierung hervorgerufen wurden. Was für Antworten werden sie auf der Midem finden?
BC: Midem stellt den kompletten Werkzeugsatz für Erfolg bereit, wenn man direkt oder indirekt in das Musikbusiness verwickelt ist. Zu allererst, weil alle Schlüssel-Akteure der Industrie zur Midem kommen, von den Profis aus dem Kerngeschäft (Labels, Manager, Promoter, Vertreiber, Unterhaltungs-Anwälte), bis hin zu Profis aus der Technologie (Technologie-Berater, Entwickler, VCs, etc.), Profis aus der Werbe- und Markenbranche, und natürlich Künstler aus den vier Ecken der Erdkugel. Zweitens, weil diese Profis zusammenkommen um die besten Verfahren dank eines sehr soliden und kompletten Konferenz-Programms teilen und lernen. Wir haben über 120 Sitzungen, die Themen der Musikindustrie und Innovation abdecken; es gibt außerdem bestimmte Trainings, Speed-Meeting-Sessions, und Wettbewerbe, die die Trendsetter von morgen hervorrufen.
TS: Auch die Situation der Künstler ist kompliziert. Mit zurückgehenden Verkäufen ihrer Musik müssen sie neue Wege finden, ihre Arbeit an die Leute zu bringen. Außerdem müssen sie ein anhaltendes Interesse in ihre Fans zeigen. Wieso sollten auch Künstler die Midem besuchen?
BC: Heutzutage werden Künstler als Unternehmer betrachtet. Und als Unternehmer muss man sein Business kennen, die Trends verstehen und die Einflussnehmer treffen. Und solange die Künstler beteiligt sind, müssen sie lernen wie man direkt mit den Fans in Verbindung tritt. All das ist bei der Midem möglich, durch die Konferenzen, Workshops, die Midem-Akademie, etc. Dieses Jahr haben wir auch ein brandneues Programm für Künstler, die ihre Exportmöglichkeiten optimieren und Monetisierungs-Methoden ausbauen möchten. Es hat den Namen „MIDEM Artist Accelerator“ und ist eine wahre Möglichkeit für Künstler, die in unserer anspruchsvollen Branche erfolgreich sein wollen.
TS: Ist die Musikindustrie in der Lage, die Streaming-Revolution zu überstehen?
BC: Natürlich! Streaming ist eines der Schlüssel-Werkzeuge für diese Industrie und visiert eine bessere Zukunft an, um zum Wachstum zurückzugehen. Wir sind dort noch nicht angekommen, da Streaming-Einnahmen die Fehlbeträge der physischen Verkäufe nicht ersetzen. Wir brauchen erstklassiges Streaming, um populär zu werden und eine große Menge zu erreichen. Die Industrie wird außerdem die Art, wie der „Kuchen“ zwischen den Schöpfern und den Mitgliedern der Wertkette aufgeteilt ist, modernisieren müssen.
TS: Letztes Jahr auf der Midem, im Februar 2014, habe ich Axel Dauchez, den damaligen Geschäftsführer von Deezer, gesehen, wie er über Streaming geredet hat. Er attackierte Google und Spotify auf eine sehr aggressive Art und Weise. Dieses Jahr wird der neue Deezer-Geschäftsführer Hans-Holger Albrecht eine Keynote halten. Was erwarten Sie von ihm?
BC: Es ist das allererste Mal, dass Hans-Holger Albrecht als Geschäftsführer von Deezer spricht. Über die letzten Monate ist Streaming weltweit sehr stark gewachsen, Deezer ist in den US-Markt eingestiegen, neue Dienste wie Tidal wurden gestartet, Spotify ist in den Video-Markt eingetreten, während der Launch von Apple/Beats um die Ecke ist und YouTube Music Key für September vermutet wird. Daher wird das Anhören des Geschäftsführers der weltweiten Nr. 2 der Streaming-Dienste als Leitmotiv ein Schlüssel-Moment der Midem dieses Jahr.
TS: Ich freue mich sehr darauf, den Startup-Wettbewerb Midemlab zu sehen. Können Sie einen Rat für Startups im Musik-Business geben?
BC: Es wird immer Musik geben, sowohl Künstler als auch die Musik-Industrie haben mehr und mehr Erfahrung mit Technologie, da sie sehen, wie Technologie ihnen beim entwickeln ihrer Karriere auf so viele Arten helfen kann. Außerdem ist Musik ein großartiger Inhalt, den man für eine große Bandbreite an Apps und Services anwenden kann. Also, Musik ist definitiv ein Bereich, in dem man nach Startups und App-Entwicklern schauen kann. Dies wird die achte Edition von Midemlab und wir hatten 187 Einreichungen von Neugründungen aus 38 Ländern. Viele junge Unternehmer von Midemlab sind wichtige Akteure in der Musik Industrie geworden, wie beispielsweise SoundCloud, die dieses Jahr in Cannes einen Vortrag halten werden. Mein Rat für Music Business Neu-Unternehmer wäre es an dem Midemlab teilzunehmen und zu MIDEM zu kommen.
TS: Was für Trends denken Sie werden in der Musikindustrie noch kommen?
BC: Ich schlage vor, dass wir das bei der Midem besprechen, da dort viele Themen angesprochen werden, die helfen werden eine bessere Sicht auf das zu geben, was in der Zukunft noch für diese Industrie kommen wird.
TS: Vielen Dank für das Interview.
Teaser & Image by Midem
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Schlagwörter: Bruno Crolot, Interview, MIDEM, midemlab, Musik, startups, Technologie
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