Vom 1. bis 4. Februar 2014 findet die alljährliche Musikfachmesse MIDEM in Cannes statt. Die Netzpiloten sind live vor Ort, um einer ganzen Industrie bei der Suche nach der Zukunft (und dem Geld) im Digitalen zu zuschauen. // von Tobias Schwarz
Bereits seit 1967 treffen sich Vertreter von Verlagen, Labels, Musiker und Manager in der südfranzösischen Riviera. um sich über die neuesten Trends auszutauschen und Geschäfte zu machen. Doch der Glanz einstiger Tage, als die MIDEM (Marché international de l’édition musicale) als größte Musikmesse der Welt galt, scheint vorbei zu sein. Die Digitalisierung hatte bisher mehr Disruption als neue Möglichkeiten für die Musikwelt übrig. So verwundet es nicht, dass zehn Jahre nach dem sich die MIDEM thematisch mit dem Musikverkauf im Internet auseinandersetzte, dieses Thema immer noch maßgeblich das Programm beeinflusst. Unter dem Motto „Get back to Growth? Make it Sustainable!“ versucht die Musikindustrie in den nächsten vier Tagen neue Wege zu finden.
MIDEM 2014 – kleiner aber innovativer
Die diesjährige MIDEM ist spürbar kleiner als in den vergangenen Jahrzehnten. Spätestens seit Napster ist eine ganze Branche im ruppigen Wandel und sucht nach einem Weg in die Zukunft. Die Vorteile des Internets – die globale Vernetzung der Welt – ist auch nicht nicht der Musikindustrie verborgen geblieben. Sie hat unterschiedlich darauf reagiert, manchmal hart und manchmal mutig. Dabei hat sie neue Wege gefunden, Sachen ausprobiert, aber auch manche Entwicklung bekämpft. Cannes scheint der richtige Ort zu sein, sich auf das eigentliche Ziel zu besinnen. Im Palais des Festivals – mit Meerblick vor den Augen und Seeluft in der Nase – lässt sich vielleicht harmonischer über die Zukunft sprechen als das auf Podien im Rest des Jahres versucht wird. Vielleicht mit Erfolg, denn neben den traditionellen Mitgliedern der Musikindustrie sind auch neue Gäste da: junge Technologie-Unternehmen, die mit neuen Geschäftsmodellen vielleicht mit an der Zukunft der Musikindustrie arbeiten. Die Zukunft ist digital, dass weiß auch die Musikindustrie.
Passende Zahlen dazu lieferte gestern die International Confederation of Societies of Authors and Composers (CISAC), der internationale Dachverband der Verwertungsgesellschaften. Im jetzt veröffentlichten Tantiemen-Bericht für das Jahr 2012, basierend auf den Daten von 227 Verwertungsgesellschaften aus 120 Ländern, ist zwar ein leichtes Wachstum von 2 Prozent bei den Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen (insgesamt 7,8 Milliarden Euro), die Tantiemen aus der Auswertung der mechanischen Verfielfältigungsrechte sank dagegen um 5,1 Prozent. Dieser Abwärtstrend ist seit Jahren zu beobachten und auch die um 3 Prozent steigenden Einnahmen aus öffentlichen Aufführungsrechten, fangen das nicht auf. Und die Einnahmen aus digitaler Musikverwertung steigen zwar, machen aber nur 4 Prozent der Gesamteinnahmen ein. Der noch unterwickelte Markt für digitale Musik und die sinkenden Verkaufszahlen von physischen Tonträgern sind Ausdruck der Krise der Musikindustrie.
„Back to growth – make it sustainable!“
Doch trotz Krise ist fällt das Motto der MIDEM äußerst optimistisch aus. Wachstum ist möglich, wenn das Geschäft zukunftsfähig wird. An der Zukunft arbeiten auch die mehr als 30 Startups, die am am Wettbewerb des Midemlab teilnehmen. Sie sollen der Musikindustrie mit innovativen Ideen neue Wachstumsmöglichkeiten für die Zukunft aufzeigen. Mit dabei sind auch drei Startups aus Berlin – Capsule.fm, Nagual Sounds und Starlize – die hier in Cannes in die Fußstapfen von SoundCloud, The Echo Nest, Songkick und Mobile Backstage treten wollen, die sich bei früheren Midemlabs Investoren aus der Musikindustrie präsentiert haben. Capsule.fm hat eine iOS-App zur Generierung individueller Radiosendungen entwickelt, Nagual Sounds eine Technologie zur Vertonung von Daten in Echtzeit und Starlize eine Schneidesoftware für Smartphones. Alle drei Startups von der Spree sind auf dem Weg, den Konsum oder die Produktion von Musik zu verändern.
Auf der MIDEM 2014 spürt man nichts mehr vom Denken alter Tage, als neue Entwicklungen solange ignoriert wurden, bis zur Bedrohung wurden. Alle Teilnehmer des Midemlab verfolgen neue Wege und sind gern gesehene Gäste auf der Messe. Denn auch wenn sich Musik vom Analogen ins Digitale verschiebt, bleibt es Musik – mit dazu gehörigem Markt, Wachstumsmöglichkeiten und viel Geld.
Am Montag und Dienstag veröffentlichen wir auf Netzpiloten.de unsere Eindrücke von der MIDEM 2014. Bis dahin empfehlen wir unseren Twitter-Account und für Fotos aus Cannes unser Fotoblog auf Tumblr.
Teaser & Image by Mathieu Lebreton (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Cannes, digitalisierung, MIDEM, musikindustrie, startups, zukunft