Nico Lumma: „Das Lokale Web ist hoch spannend!“

Im Vorfeld der Local Web Conference sprach Keynote-Speaker Nico Lumma mit Julian Heck über das Local Web. Das Local Web rückt immer stärker in den Vordergrund zahlreicher Lebensbereiche. Das Marketing wird lokaler, der Journalismus besinnt sich auf das Lokale zurück, die Vernetzung ist durch eine geografische Nähe geprägt und bei vielem davon spielen Geodaten eine zentrale Rolle. Die Local Web Conference, die am 5. Februar in Nürnberg stattfindet, betrachtet dieses Thema aus vielerlei Perspektiven dank interessanter Referenten, wie zum Beispiel Netzpiloten-Kolumnist Nico Lumma. Er wird die Keynote „Wir sind ja alle sowas von local“ halten.

„Das Lokale Web ist hoch spannend“

Das Lokale Web ist hoch spannend“, sagt der Hamburger Berater, Autor und Speaker Nico Lumma im Interview auf Lokalblogger.de. Schon seit vielen Jahren beschäftige er sich mit diesem Thema. Ihn treibt besonders eine Frage rum: Was bedeutet es für uns Nutzer, wenn unsere Bewegungen quasi dauerhaft getrackt werden? Wir hinterlassen mehr und mehr Spuren in Form von Geodaten, mit denen Unternehmen ein erschreckend detailreiches Profil von uns erstellen können, wie schon der Grünen-Politiker Malte Spitz mit der Veröffentlichung seiner bei der Telekom eingeklagten Verbindungsdaten eindrücklich zeigte. Die Lokalisierung des Netzes sei besonders unter kommerziellen Gesichtspunkten wichtig, zum Beispiel für Datingportale oder virtuelle Marktplätze. Mit Leuten zu sprechen und Güter auszutauschen, die sich in der Nähe befinden, dies werde immer relevanter.

Sein Statement im Vorfeld der Keynote auf der Local Web Conference lautet: „Geodaten sind das neue Gold“. Aus Anbieterperspektive sei es interessanter denn je zu wissen, wo sich die Nutzer gerade befinden und was sie machen. Je mehr sie darüber wissen, desto genauer können sie ihr Produkt darauf ausrichten. Und vor allem: Die vorhandene Technik und die Smartphonedichte in Deutschland würden diese Wünsche auch schon Realität werden lassen.

Viele moderne Dienste setzen auf Geofencing

Spannend findet Lumma auch die Entwicklungen in Sachen Mobilität und Geofencing. Dass den Nutzern beim Einkaufen in der Stadt auf dem Smartphone Angebote eines Geschäftes angezeigt werden, an dem die Nutzer gerade vorbeilaufen, sei natürlich sehr praktisch – einerseits –, aber mit Blick auf den Datenschutz beziehungsweise die Privatsphäre bedenklich. Ein Spruch im Rahmen der Volkszählung 1987 – „Unsere Daten müsst ihr raten“ – treffe heute keinesfalls mehr zu. Heute kommen Unternehmen wesentlich einfacher an persönliche Daten heran.

Nico Lumma betont im Interview aber auch die vielen Vorteile, welche Geodaten mit sich bringen, beispielsweise in Form von Geocaching, bei der Blackbox im Auto, Notfallprävention oder Gesundheitsvorsorge. Und welche ortsbasierte Dienste (location-based services) nutzt er? MyTaxi, car2go, Twitter, Evernote, sehr gerne Instagram und auch Foursquare, obwohl er dort im normalen Leben wenig feststellt, dass irgendjemand genau da ist, wo er sich gerade eincheckt. Großveranstaltungen seien hier eine Ausnahme. Man müsse sich deshalb natürlich Gedanken machen, zu welchem Zweck man Daten preisgibt und ob man von den hinterlassenen Daten etwas hat – und nicht nur das Unternehmen.

Besonders gerne nutzt der Hamburger Stuffle, den „lokalen Flohmarkt in der Hosentasche“. Eine ganze Menge an Datenspuren, die Nico Lumma hinterlässt. „Ich bin bekannt dafür, dass ich jeden Furz, der quer sitzt, gleich rauslasse“. Er sei nun einmal ein Spielkind und probiert viel aus – auf Kosten der Privatsphäre?! Im Endeffekt könne man froh sein, dass es solche Dienste gibt. Es sei ja Schwachsinn, wieder damit anzufangen, nach Postleitzahl zu orten. Das mache alles ungenau und obsolet. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir dauernd Daten durch die Gegend schieben und dass sich nicht alle globale Anbieter an die strengen deutschen Datenschutzregeln halten“.

Renaissance des Lokaljournalismus?

Zu einer anderen lokalen Ebene, dem Lokaljournalismus. Laut Nico Lumma bleiben hier viele Möglichkeiten ungenutzt. „Man kann im Lokalen viel anfangen, wenn man will und anders denkt“, behauptet er. „Es könnte aber zu einer Renaissance kommen, indem neue Angebote auf den Markt kommen, welche die alten Platzhirsche verdrängen“. Das Hamburger Abendblatt hält er für notorisch schlecht, was das Lokale angeht. Das Online-Magazin „Hamburg Mittendrin“ hingegen mache im kleinen Team eine „sensationell gute Arbeit“, die sich leider noch nicht finanziell auszahlt.

Tja, die Finanzen: ein sehr schwieriges Thema im Journalismus. Aber: Er glaubt daran, dass man bereit ist, für guten Lokaljournalismus zu zahlen – bloß keine fünf Euro am Tag. Das Problem: Bei den vielen Zeitungen, die eine Monopolstellungen in ihrem Gebiet haben, sei wenig Motivation für Veränderungen vorhanden. Dabei gäbe es noch jede Menge Luft nach oben. Auch Geodaten könnten im lokalen für Storytelling relevant sein, weil man dann wüsste, wo gerade etwas passiert. Einige Dienste versuchen schon, ein journalistisches Angebot mit Geodaten zu verknüpfen und auf einer Karte darzustellen, was gerade wo passiert. Nico Lumma blickt in diesem Zusammenhang interessiert auf Lokaler.

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„Das Lokale ist der Anker“

Und warum rückt das Lokale eigentlich so dermaßen in den Fokus unserer Überlegungen, obwohl wir immer mehr global denken? „Das Lokale ist der Anker“, meint Lumma, „auch wenn wir noch so global denken. Das meiste unseres Alltags findet lokal statt“. Ein Unfall interessiere ihn nicht, wenn er in New York stattfinde, sondern bei ihm um die Ecke. Und genau das sei der Vorteil des Local Web: Man hat die Möglichkeit, das Netz mit dem persönlichen Begegnen zu verknüpfen, Virtuelles später persönlich zu erleben.

Die Local Web Conference ist für Nico Lumma deshalb eine überaus interessante Veranstaltung. Spannend findet er die Zusammenstellung von Themen und Leuten. Was passiert im Bereich Smart City, welche Bedeutung hat das Local web für das Marketing, welche für den Nutzer? „Sicherlich werden entsprechende Impulse von Nürnberg kommen. Ein Besuch lohnt sich gewiss“, nicht nur wegen Lumma.


Image (adapted) „Civic Centre IRT station“ by Warrenski (CC BY-SA 2.0)


ist freier Journalist, Dozent und Lehrbeauftragter an der Hochschule Darmstadt. Er schreibt über die Themen Medien, Technik und digitale Wirtschaft. Zu seinen Auftraggebern gehören unter anderem etailment.de, LEAD digital, Mobilbranche, das Medium Magazin, MobileGeeks.de und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Vom Medium Magazin wurde der Südhesse 2013 unter die "Top 30 bis 30" Nachwuchsjournalisten gewählt. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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