Wie Internet-affin sind die Deutschen? Die Frage klingt simpel, aber ihre Beantwortung ist es nicht. Erhebungen wie die ARD/ZDF-Onlinestudie oder der N(ONLINER) Atlas messen, wer wie lange im Netz surft, sagen jedoch nichts über den Kompetenzstand der Nutzer oder darüber, auf welchen Seiten sie unterwegs sind. Darüber will ab sofort der D21-Digital-Index informieren – ihm zufolge ist Deutschland längst noch nicht komplett digitalisiert.
„Ergebnisse in dieser Form hat es noch nie gegeben“, preist Robert A. Wieland den D21-Digital-Index an. Wieland ist Geschäftsführer von TNS Infratest und Vorstandsmitglied der Initiative D21. Auch international sei das ein neuer Ansatz, sagt Hans-Joachim Otto, politischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Beide beziehen sich auf Aussagen der Studie, die so bisher tatsächlich noch nicht verfügbar waren – weder im N(ONLINER) Atlas, noch in der ebenfalls bekannten ARD/ZDF-Onlinestudie. Diese sind darauf beschränkt, die Zahl der Bürger, die 2012 online waren, nach den üblichen Kriterien wie Alter, Geschlecht, Herkunft und Bildung aufzuschlüsseln. Der D21-Digital-Index erfragt neben dem Zugang auch die Nutzungsart, Offenheit und Kompetenz der deutschen User. Fazit: „Die Mehrheit der Deutschen ist noch nicht in der digitalen Gesellschaft angekommen.“
Surfen ist nicht gleich Surfen
Die Initiative D21 vernetzt als gemeinnütziger Verein fast 200 Unternehmen und Verbände. 1999 wurde er mit dem Ziel gegründet, die „digitale Spaltung“ unserer Gesellschaft zu verhindern. Diese Spaltung hat nun einen Wert: 51, 2 Punkte, was einem „mittleren Digitalisierungsgrad“ entspricht. Doch wie kommt diese Zahl zustande, wo doch laut ARD/ZDF-Umfrage fast 76 Prozent aller Deutschen online sind? Um den Digitalisierungsgrad Deutschlands zu ermitteln, stützt sich die neue Studie der Initiative D21 auf vier Säulen. Die Säule „Digitaler Zugang“ ist aus vorherigen Studien bekannt, die anderen drei Untersuchungsbereiche gehen über die bekannten Fragen hinaus. So fließt in die „Digitale Nutzung“ neben der Nutzungsintensität auch die Vielseitigkeit der besuchten Angebote mit ein. Ist der Computer Tor zum digitalen Zuhause, oder bloß zu Google, Email und Word? Hier wird deutlich, dass sich der Digital-Index nicht automatisch proportional zur reinen Nutzungsdauer verhält. Inwieweit Bürger überhaupt am Internet interessiert sind, sagt die „Digitale Offenheit“, bei der auch Technikangst eine Rolle spielt. Aufgeschlossenheit wiederum wird mit „Digitaler Kompetenz“ honoriert, also mit Wissen in puncto Digitalthemen, Technik und Medien.
Sucht und Skepsis
Der Digitalisierungsgrad kann – ganz klassisch – für einzelne Bevölkerungsgruppen ausgegeben werden. Männer haben demnach etwas mehr Punkte als Frauen (55 / 47), Akademiker mehr Punkte als Hauptschulabsolventen (65 / 41) und die Reicheren mehr als die Ärmeren (64 / 35). TNS Infratest hat sich jedoch auch eine Kategorisierung ausgedacht, in der die Ergebnisse sechs Nutzertypen zugeordnet werden. Den höchsten Digitalisierungsgrad aller Nutzertypen haben der „Passionierte Onliner“ und der „Smarte Mobilist“. Diese zwei Gruppen eint, dass ihre Mitglieder im Netz wohnen. Ohne Internet bzw. Smartphone läuft bei diesen jungen, gebildeten Männern nichts; zusammen machen sie immerhin 18,2 Prozent der Befragten aus.
Am häufigsten vertreten und noch deutlich weniger online-begeistert als der „Häusliche Gelegenheitsnutzer“ und der „Vorsichtige Pragmatiker“ ist der „Außenstehende Skeptiker“. Er kommt auf knappe 29 Prozent und seine Eigenschaften sind nicht verwunderlich: durchschnittlich 63 Jahre alt (damit von allen am ältesten), eher weiblich, formal gering gebildet, niedriges Einkommen, verrentet. Nur jeder Fünfte „Skeptiker“ nutzt das Internet. Somit bestätigt der D21-Digital-Index einen Eindruck, den viele „Passionierte Onliner“ aus ihrem persönlichen Umfeld kennen dürften: Senioren fremdeln mit dem Netz. Im aktuellen N(ONLINER) Atlas steht, dass daran primär Datenschutz- und Sicherheitsbedenken schuld sind, gefolgt von mangelnder Erfahrung. Mittlerweile gibt es deswegen eine Reihe von Schulungsangeboten, die Menschen mit geringen Netz- und PC-Kenntnissen Anschluss ermöglichen wollen. Im Saarland fährt z. B. ein mobiler Schulungsbus durch Dörfer und Städte, der in Seniorentreffs kostenlose Internetkurse anbietet. Klar ist: Ohne die Älteren wird Deutschland die digitale Spaltung nicht überwinden.
Die komplette Studie zum Digitalisierungsgrad:
http://www.initiatived21.de/portfolio/d21-digital-index
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf Politik-Digital.de und steht unter unter der Creative Commons Lizenz “Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen” (CC BY-SA 3.0).
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: D21, deutschland, digitalisierung, Internet, studie
2 comments
Pro: Wir brauchen eine untrennbare Einbindung von digitalen Beteiligungswegen auf allen politischen Ebenen. Diese müssen nachvollziehbar gestuft und nach Kriterien der Wirksamkeit qualifiziert sein.