Anlässlich der heutigen Einsetzung des Ausschusses für digitale Agenda fanden gestern zwei Pressegespräche der CDU/CSU- und SPD-Fraktion statt. Der neue Ausschuss soll als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Ministerien fungieren. // von Florian Schmitt
In der vergangenen Woche empfahl Politik-Digital.de die Lektüre eines Beitrags von Kathrin Passig, in dem es um Lebensphasen des Internets und seiner Nutzer_innen geht – die Internetpubertät und die Midlife-Crisis des Netzes. In den gestrigen Pressegesprächen der Regierungskoalition zum erstmals einzurichtenden Ausschuss für digitale Agenda, der heute offiziell vom Bundestag eingesetzt wird, scheint diese Metaphorik aufgegriffen worden zu sein.
„Die Netzpolitik kommt im parlamentarischen Alltag an. Es geht darum, dass die Netzpolitik erwachsen wird„, ließ der netzpolitische Sprecher für die SPD-Fraktion, Lars Klingbeil, verlauten. Mit dem heutigen Tag sei nun endlich gewährleistet, dass netzpolitische Themen nicht mehr als Nischenthema behandelt würden, den „Katzentisch der Politik“ verließen, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sören Bartol es ausdrückte.
Fraktionsübergreifend bestätigten dies auch die zuständigen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, die gestern Früh im Fraktionssaal des Bundestags die Presse über die Ziele des Ausschusses informierten. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nadine Schön, der Ausschussvorsitzende Jens Koeppen und der netzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Jarzombek, bekundeten ebenfalls den größeren, offizielleren Stellenwert eines ordentlichen Ausschusses für digitale Agenda. Die Digitalisierung kann damit als Schwerpunktthema der Großen Koalition angesehen werden, da sie viele Politikbereiche betrifft. Der neue Ausschuss solle dementsprechend als „vernetzende“ Schnittstelle zwischen den verschiedenen Ministerien und Ausschüssen fungieren.
Die Politik reagiert damit auf die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche der Gesellschaft. Alle an dem neuen Ausschuss Beteiligten, die mehrheitlich auch schon in der Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft der letzten Legislaturperiode aktiv waren, sind der Ansicht, dass die institutionalisierte Beschäftigung mit dem Thema nun endlich angefasst werden müsse. Der Ausschussvorsitzende Jens Koeppen betonte die aktive und gleichberechtigte Rolle des Ausschusses, der der Bundesregierung nicht nur hinterherlaufen, sondern sich eine „eigene digitale Agenda“ schaffen werde. Nadine Schön erklärte, dass die Themen, die dezentral in den jeweiligen Ausschüssen gesetzt werden, im Ausschuss für digitale Agenda zusammengeführt würden.
Welche Themen wie in dem neuen, mitberatenden Gremium bearbeitet werden, dazu hielten sich die Protagonist_innen aus offensichtlichen Gründen etwas zurück. Dies könne erst die konkrete Arbeitsweise des Ausschusses selbst definieren. Einige Schwerpunkte waren dennoch auszumachen. Der Breitbandausbau des Internets spielte bei beiden Fraktionen die wichtigste Rolle, dazu werden Schwerpunkte bei der Förderung von Technologien und Existenzgründungen im IT-Bereich, der Digitalisierung der Wirtschaft, der Netzneutralität sowie im Bereich Datenschutz gelegt werden. Auffällig war, dass mehr über wirtschaftspolitische Themen und weniger über die Möglichkeiten digitaler Demokratie und politischer Partizipation im Internet geredet wurde.
Einzig die SPD-Fraktion sprach ungefragt an, dass auch Konsequenzen aus der NSA-Affäre – etwa durch mehr Verschlüsselung, ein „deutsches Internet“ oder novellierte internationale Abkommen und Verträge – im Ausschuss gezogen werden sollen. Der Ausschussvorsitzende Koeppen machte dagegen deutlich, dass es sich nicht um einen zweiten Innenausschuss oder einen zweiten NSA-Untersuchungsausschuss handeln werde.
Die politische Praxis wird zeigen müssen, wie die ambitionierten Ansprüche der Netzpolitiker_innen umgesetzt werden. Sören Bartol sprach etwa von einer Art „parlamentarischer Kontrollfunktion der anderen Ausschüsse und Ministerien„. Man wolle die Regierung „wenn es sein muss, auch treiben“ (Klingbeil) oder „pieksen (Jarzombek). Hier wäre beispielsweise an die Vorratsdatenspeicherung zu denken, bei der auch innerhalb der Fraktionen divergierende Positionen vorherrschen. Nicht zuletzt bei diesem kontroversen Thema wird die Öffentlichkeit aufmerksam verfolgen, ob und inwiefern auch gesellschaftspolitische Akteure miteinbezogen werden.
Auf die Frage des Netzpiloten-Projektleiters Tobias Schwarz, ob künftig mehr Blogger_innen bei öffentlichen Sitzungen zur Berichterstattung zugelassen werden, antwortete Thomas Jarzombek, dass der Bundestag hier offener werden müsse. Nach der Öffentlichkeit des Ausschusses gefragt, betonte Lars Klingeil, dass die „Transparenz- und Beteiligungskultur der Enquete-Kommission beibehalten werden solle. Offen blieb, in welcher Form: Nicht mit dem Beteiligungstool Adhocracy, wenn es nach Koeppen geht, der aber verspricht: „Wir denken uns da was aus.“ Wir sind gespannt!
Dieser Artikel erschien zuerst auf Politik-Digital.de.
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Schlagwörter: bundestag, CDU, Digitale Agenda, Jens Koeppen, Lars Klingbeil, Nadine Schön, Netzpolitik, SPD, Thomas Jarzombek