Russische Trollfabriken – Wie der Kreml Meinung macht

Nicht alles im Internet ist so wie es scheint. Habt ihr schonmal von russischen Trollfabriken gehört? Bitte nicht verwechseln mit den süßen kleinen Figuren aus Skandinavien. Bei russischen Trollfabriken handelt es sich um großangelegte Meinungsmache. Sie überfluten Social Media und Kommentarbereiche gezielt mit einer bestimmten Meinung, um so das tatsächliche Stimmungsbild zu beeinflussen.

Das hat natürlich auch im Ukraine-Krieg eine ganz neue Relevanz bekommen. Die Trollfabriken gibt es allerdings nicht erst seit 2022. Schon seit vielen Jahren ist die sogenannte „Troll-Armee“ aktiv und hat unter anderem auch bei mehreren Wahlen Einfluss genommen – so beispielsweise 2016, als Trump zum US-amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. Werfen wir also einen genaueren Blick auf eines der wichtigsten Werkzeuge Russlands, die Stimmung im eigenen Land aber auch im Ausland zu beeinflussen. Aber Russland ist nicht der einzige oder überhaupt die größte Heimat von Berufstrollen. 

Was ist eine Trollfabrik?

Im Internet ist ein Troll eigentlich eine Person, die vorsätzlich provoziert, um emotionale Gegenreaktionen anderer Nutzer zu provozieren. In der Regel weiß er, wo der wunde Punkt einer bestimmten Gruppe oder Person ist und nutzt diesen gezielt aus. Trollfabriken gehen noch einen Schritt weiter. Die professionellen Trolle verdienen ihr Geld damit, teils sogar direkt vom Staat. Sie suchen weniger einen persönlichen Konflikt, sondern versuchen das gesamte Narrativ einer Diskussion zu beeinflussen. Große Mengen gefakter Kommentare erzeugen die Wahrnehmung, dass ein großer Teil der Community diese Meinung vertritt. Auch werden die Kommentare von anderen Mitglieder des Netzwerks durch Likes zusätzlich gepusht.

Damit soll zwar zum einen die Gegenseite zu emotionalen und damit oft wenig stichhaltigen Reaktionen provoziert, aber vor allem auch ein Teil der Community von dem geschaffenen Stimmungsbild überzeugt werden. Es wird auf den Herdentrieb abgezielt, der die dominante Meinung eher als die Wahrheit ansieht. Es geht also um eine bewusste Manipulation der öffentlichen Meinung.

Russische Trollfabrik besonders bekannt

Ein Monopol auf Trollfabriken hat Russland nicht. Geplante Meinungsmache gibt es auch in vielen anderen Ländern. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Institutionen, wenn auch weniger staatlich. So zum Beispiel die Gruppe Reconquista Germanica. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss rechter Netzaktivisten, die untere anderem organisierte Meinungsmache zum Kanzlerduell 2017 auf den Plan trat. Auch Einzelpersonen nutzen gelegentlich mehrere Accounts, um ihrer Meinung online größer erscheinen zu lassen.

Was die russischen Trollfabriken besonders macht, ist dass sie direkt vom Staat beauftragt werden, das politische Narrativ im eigenen Land, aber auch in anderen Ländern zu manipulieren. Es sind auch keine virtuellen Zusammenschlüsse, sondern tatsächlich Gebäude in denen Hunderte Mitarbeiter, in mehreren Abteilungen untergliedert, arbeiten.

Eigentlich handelt es sich dabei vor allem um eine Trollfabrik, die 2013 unter dem (übersetzt) Namen „Agentur für Internet-Forschung“, anschließend „Bundesnachrichtenagentur“ bekannt wurde. Seit 2015 läuft die Trollfabrik auch unter dem Namen Glavset. Nach einem Umzug 2018 sollen laut Angaben des russischen Wirtschaftsmagazins „Delowoi Petersburg“ auf 12.000 Quadratmetern rund 800 Mitarbeiter bei der Agentur angestellt sein. Geführt wird Glavset vom Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin, der eine enge Verbindung zum russischen Präsidenten pflegt. Putin selbst widersprach der Existenz russischer Trollfabriken offiziell.  

Aktivitäten der russischen Trollfabrik Glavset

Glavset beeinflusst nicht nur das Narrativ im eigenen Land, sondern mischt sich auch in die internationale Wahrnehmung ein. Zu den Aktivitäten gehörte auch Einfluss auf diverse Wahlkämpfe in anderen Ländern.

US-Wahl 2016

Eine der bekanntesten Aktionen ist die Einflussnahme auf die US-Wahl 2016. Laut Washington Post waren etwa 80 Glavset-Angestellte auf den Wahlkampf angesetzt. Dabei wurden auch 3 Mitarbeiter in die USA geschickt, um vor Ort in 10 Staaten Material für die Desinformations-Kampagne zu sammeln. Die meiste Arbeit ging dabei in den Swing State Florida. Die Trollfabrik nutzte bewusst bestehende Konfliktfelder und befeuerte diese mit Posts, halfen bei der Organisation von Kundgebungen, gründeten Facebookgruppen und schürten Zweifel am Hillary Clintons Gesundheitszustand.

Ukraine-Krieg

Auch im Ukraine-Krieg ist die Troll-Armee nicht unbeteiligt  – und das bereits vor der Krim-Annexion. So veröffentlichte das Hacker-Kollektiv Anonymous Daten, die die Finanzierung von Bloggern in der Ukraine mit monatlichen Gehältern von insgesamt 222.000 Rubel (damals ~4.400 Euro)  nachwies.

Auffällig waren auch viele russlandfreundliche Kommentare in deutschen Onlinezeitungen oder Social Media zur Krim-Annexion. Im Vergleich dazu zeigte eine repräsentative Umfrage aus 2015, dass die Meinung zu Putin eher einen neuen Tiefstand erreicht hatte – nur 8 Prozent hatten eine gute Meinung vom russischen Staatschef. Auch internationale Medien wie das Forbes Magazine meldeten ähnliche Auffälligkeiten.

Das Ausmaß russischer Propaganda während des Krieges 2022 lässt sich dagegen noch schwer einschätzen. Die Wirkung im Ausland dürfte diesmal deutlich geringer sein als noch 2014, da die Ukraine weltweit starke Solidarität erfährt. Dagegen hat sich Russland auch im Internet weitgehend vom Rest der Welt isoliert, um das eigene Narrativ zu bewahren.

Andere Trollfabriken

Auch andere Länder manipulieren bewusst die Wahrnehmung der Öffentlichkeit im Netz. Wir zeigen euch einige andere bekannte Trollfabriken. Dabei betreiben einige mutmaßlich sogar stärkere Propaganda als die russischen Trollfabriken.

Operation Earnest Voice (USA)

Die US-amerikanische Trollfabrik ist Teil des militärischen Zentralkommandos der Vereinigten Staaten CENTCOM. Es handelt es sich um rund 50 Nutzer, die jeweils über 10 Sockenpuppen (Fakeaccounts) verfügen, die pro-amerikanische Propaganda im Ausland betreiben. Offiziell dafür gedacht, extremistischen Ideologien entgegen zu wirken, soll Operation Earnest Voice auch genutzt worden sein, um etwa die Folter von Guantanamo-Gefangenen schönzureden.

AK Trolls / New Turkey Digital Office (Türkei)

Die AK Trolls sind kein offizieller Name, sondern spielen auf die regierende Partei AKP an. Offizieller ist die Bezeichnung „New Turkey Digital Office“. Diese entstand 2013 nach den Gezi-Park Protesten, als ein 6.000 Personen starkes Team mit staatlicher Propaganda Gegnern der AKP entgegenwirken sollte. 2020 sperrte Twitter 7.340 AKP-nahe Accounts die im Zusammenhang mit staatlicher Propaganda stehen. Im Vergleich: Im Rahmen der Aktion wurden nur 1.152 russische Accounts gesperrt.

50 Cent Party (China)

In China gibt es gleich mehrere Trollfabriken, von denen die 50 Cent Party jedoch am bekanntesten ist. Die Bezeichnung geht darauf zurück, dass Kommentatoren für jeden Beitrag 50 Cent (Renminbi) erhalten sollen. 2017 schätzte die „American Political Science Review“, dass jährlich 488 staatliche Social Media-Posts in China produziert werden, was 0,6 Prozent aller Posts auf chinesischen Social Media-Kanälen entspräche. Im Juni 2020 sperrte Twitter 27.750 chinesische Accounts, die den Kern einer großen staatlichen Propaganda darstellten. Weitere 150.000 Accounts dienten dazu, den Content dieses Netzwerkes zusätzlich zu boosten, wurden aber nicht dem öffentlich einsehbarem Archiv hinzugefügt.

Wie wirkt man Trollfabriken entgegen?

Trollfabriken lässt sich nur schwer entgegenwirken. Schließlich ist auch jede Gegenaktion mit Fakeaccounts eine Art von Internet-Trolling, selbst wenn sie der eigenen Meinung nach die Wahrheit verbreitet. Wichtiger ist, dass man selbst nicht Gefahr läuft, Falschinformationen der Trollfabriken zu teilen. Dazu muss man am besten Informationen selbst überprüfen oder für sich selbst vertrauenswürdige Quellen ausmachen, deren Informationen man sicher teilen kann.

Auch kann es helfen andere darauf aufmerksam zu machen, wenn sie Fakenews teilen. Das geht am besten auf Augenhöhe mit genug Quellen, die von der Fehlinformation überzeugen. Mit aggressivem Verhalten erreicht man eher das Gegenteil. Viele Internetpublikationen setzen auf Open Source Intelligence, die ihnen bei der Überprüfung von Informationen hilft. Doch selbst dort kommt es immer mal wieder zu versehentlicher Berufung auf Falschinformationen, wenn man mit der Unverzüglichkeit der sozialen Medien mithalten möchte.

Wenn jeder ein Stück weit darauf achtet, dass er nicht gleich die erstbesten Informationen als absolute Wahrheit weiterverbreitet, kann auch den Trollen ein Stück weit entgegen gewirkt werden. 


Image by vchalup via Adobe Stock


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