Werbeagenturen, Media-Berater und andere Marketingmenschen könnten in absehbarer Zeit genau da hingehen, wohin vor ein paar Jahren die Druckvorlagenhersteller und Schriftsetzer gegangen wurden: ins Arbeitsamt. Denn junge Frauen machen jetzt selber Werbung. Wer schon immer geglaubt hat, dass viele junge Leute extreme Materialisten sind, der mag nun Recht bekommen. Denn Haul-Videos sind der letzte Schrei im Web. Junge Mädchen setzen sich vor ihre Webcam, halten die erbeuteten Stücke aus der letzten Schnäppchen-Tour in die Kamera und erzählen wo und wie sie das gute Stück ergattert haben.
Die Konzerne sind entzückt. Denn so kann youtube endlich zum fast kostenneutralen Verkaufsmultiplikator genutzt werden. Es könnte sogar sein, dass einige Mädchen ganz inoffiziell bezahlt werden von diversen Firmen und Einzehändlern. Denkbar ist das, sogar möglich. Aber es erfüllt nicht den Tatbestand der Schleichwerbung, weil Social Media keine offizielle Dienstmarke vom heiligen Stuhl des Qualitätsjournalismus erhalten hat. Daher muss die Sonntagsausgabe dieser Videos mit 20seitigen McRonalds-Werbung auch nicht in allen großen Bahnhöfen kostenlos verteilt werden. So eine Art der Auflagensteigerung haben die Mädels gar nicht nötig. Endlich ist die gesamt Web-Jugend dort angekommen, wo die Amerikaner schon immer waren: „We are americans: we don’t think, we shop.“ Wann nun die Jungs nachziehen und ihre smartphones, sneakers und hoodies in die Kamera halten ist sicher bald Gegenstand einer Dissertation… Mehr dazu hier und hier. Und ein Beispiel nach dem Klick:
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Schlagwörter: DIY, social, werbung
6 comments
Um Deutsch zu lernen, finde ich, bietet das empfohlene Video einen echten Sprachanlass.
http://gibirger.wordpress.com/2011/03/01/haul-videos-im-daf-unterricht/
Ich habe nicht behauptet, dass es in den Haul-Videos um Golfschläger, Tennis-Outfits, Chanel-Kostüme oder andere kultivierte Ikonen des Konsums geht. Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass eine Chirurgin oder eine Kunsthistorikerin bei youtube ihre Schnappchentouren hochlädt. Aber gerade das hat ja seinen Unterhaltungswert. Manchmal ist die Realität deutlich präziser und schneller auf dem Punkt als alle Kabarettisten und Komödianten…
Ähm, ich arbeite als Schriftsetzer, und ich kann mich im moment nicht darüber beklagen, das ich nichts zu tun hätte…
Aber es ist Dir schon klar, dass zwei bis drei Menschen in der Druckbranche entlassen wurden in den 90er Jahren, oder?
…was vielleicht der Grund ist, dass ich momentan viel zu tun habe…
Davon ab, es gibt tatsächlich Verlage, die den Start ins Internetzeitalter nicht verpennt haben, und die versorgen uns weiterhin mit Texten, die gelayoutet, validiert und gesetzt werden wollen. Nur weil sich das Ausgabemedium etwas gewandelt hat, heisst es nicht dass der Berufsstand (des Setzers) an sich tot ist.