Nach langen Verhandlungen hat die deutsche Bundesregierung endlich beschlossen, die Störerhaftung – die besagt, dass Betreiber offener WLANs pauschal für über dieses WLAN begangene Straftaten verantwortlich sind – abzuschaffen. Damit ist der Weg endlich frei für die flächendeckende Versorgung mit freiem Internet-Zugang – ein Gebiet, in dem Deutschland, wie so oft bei der digitalen Infrastruktur, bislang kläglich hinter seinen europäischen Nachbarn herhinkt. Die Entscheidung ist überfällig. Dürfen wir jetzt auf mehr Kompetenz und Augenmaß bei der IT-Gesetzgebung hoffen?
Das neue Telemediengesetz kommt ohne Störerhaftung
Schon seit geraumer Zeit diskutierten Union und SPD über die geplante Neuregelung des Telemediengesetzes. Einer der Streitpunkte war dabei die sogenannte Störerhaftung. Diese besagt, dass Betreiber offener WLANs pauschal für das Surfverhalten ihrer Nutzer haften. Werden also über das WLAN Straftaten begangen – etwa Schadsoftware verbreitet oder urheberrechtlich geschützte Medien getauscht – wird der Betreiber des Netzes zur Verantwortung gezogen. Viele Netzpolitiker und Aktivisten kritisieren die Störerhaftung schon seit Jahren. Als das Bundeswirtschaftsministerium um Sigmar Gabriel (SPD) im vergangenen Herbst einen neuen Entwurf zum Telemediengesetz vorstellte, wurde dieser vor allem deswegen scharf kritisiert, weil er eine Beibehaltung der Störerhaftung vorsah. Der Streit ging weiter, es wurde nachverhandelt. Nun feiern die Gegner der Störerhaftung einen Erfolg: Die umstrittene Klausel soll im neuen Telemediengesetz abgeschafft werden. Die Unionspolitiker, die diese Maßnahme lange befürwortet hatten, gaben nach, nachdem sie schon seit Monaten zunehmend kleinlaut geworden waren. Einer der Auslöser für diese Einigung dürfte ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs vom März sein, das die Störerhaftung als unzulässig einstuft.
Freie Fahrt mit freien Hotspots
Nicht nur kommerzielle Anbieter wie Cafés, Kneipen oder Flughäfen werden zukünftig freies WLAN per Hotspot rechtssicher anbieten können (einer der diskutierten Kompromisse war, diese Betreiber unter das sogenannte Provider-Privileg fallen zu lassen und somit von der Störerhaftung auszunehmen). Nein, die Störerhaftung wird zur Gänze abgeschafft. Damit können auch Privatpersonen ihr WLAN zukünftig offen lassen (und so beispielsweise ihren Gästen einen weniger umständlichen Zugang ermöglichen) und Interessierte sich ohne juristisches Risiko beispielsweise in Freifunk-Zusammenschlüssen engagieren. Auch die bislang häufig anzutreffenden Vorschalt-Seiten, auf denen Nutzer versichern müssen, bei der WLAN-Nutzung keine Rechtsverstöße zu begehen, werden zukünftig nicht mehr nötig sein. Das erfreut diejenigen, die diese Regelung als „Lügenseite“ verspotteten und zu bedenken gaben, dass diese Verpflichtung für kleine Provider schwer umzusetzen sei. Auch diejenigen, die häufig durch Probleme mit diesen Vorschalt-Seiten von der WLAN-Nutzung abgehalten wurden – insbesondere auf Mobilgeräten kam das, je nach technischer Umsetzung, häufiger vor – dürften den Wegfall der Seiten begrüßen.
Der Weg in die digitale Zukunft
Die Entscheidung, die Störerhaftung abzuschaffen, ist überfällig. Diese Maßnahme sorgte in den letzten Jahren nicht nur für unnötige Ängste und Rechtsunsicherheit, sondern trug auch mit zur beklagenswerten Rückständigkeit der digitalen Infrastruktur in Deutschland bei. Im europäischen Ausland ist es längst normal, etwa in Cafés kostenloses WLAN zu nutzen. So können Nutzer bequem und ohne Kosten arbeiten oder ihre sozialen Kontakte pflegen, während das ohnehin nur mühsam mit dem Bedarf Schritt haltende – und noch dazu gerade in Deutschland mit teuren Gebühren belegte – Mobilfunknetz entlastet wird. Deutschland dagegen hat bislang kaum solche Angebote, wozu die Störerhaftung maßgeblich beigetragen hat. Es passt zum allgemein eher ängstlichen, bürokratischen und skeptischen Umgang unseres Landes – vor allem unserer Regierung – mit digitaler Kommunikation. Ist die Abschaffung der Störerhaftung ein Signal, das den Aufbruch in die digitale Zukunft ohne derart angezogene Handbremse signalisiert? Wird es zukünftig mehr IT-Gesetze geben, bei denen Augenmaß gezeigt und Experten-Meinungen ebenso wie die Bedürfnisse der Nutzer berücksichtigt werden? Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – aber eine gewisse Hoffnung ist erlaubt.
Image (adapted) „Surfer’s paradise“ by Karsten Seiferlin (CC BY-SA 2.0)
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Schlagwörter: Europäischer Gerichtshof, haftung, Hotspots, IT, Netzpolitik, Störerhaftung, Telemediengesetz, wlan