Die Netzpiloten feiern 15 Jahre Expeditionen in den Cyberspace und fragen prominente Wegbegleiter nach ihrem denkwürdigsten Erlebnis der digitalen Revolution. – Heute den Geschäftsführer der Fructus GmbH, Christoph Kappes.
So revolutionär fand ich die Zeit gar nicht. Im Nachhinein sehe ich neben der Partystimmung auch große Angst, etwas zu verpassen, und Angst, nicht mehr „in“ zu sein. Das Neue, was sich auftat, war entweder längst da (Links und Scriptsprache aus HyperCard) oder vergleichsweise Schrott (HTML 1.0 im Vergleich zu Postscript), aber die Medien- und Werbemenschen hat es einfach umgehauen, dass nun jeder auf Knopfdruck ihre Texte und Bilder sehen konnte. Dass Zahlenmenschen Internetunternehmen nach Nutzerzahl bezahlten und nicht nach erwartetem Umsatz, hat mich schon damals sehr verblüfft – Perlen haben wenigstens noch einen Handelswert, weil sie hübsch und knapp sind. Unvergessen auch Bankmenschen, die mich mit halbseidenen Methoden an die Börse bringen wollten; ein IPO-Angebot der Gontard- und Metallbank werde ich nie vergessen, sie wollten 30% des Emissionsvolumens für ihre PR-Tochter, und ein Jahr später waren sie pleite. Echte Disruption wie Amazon und Google war gar nicht so das Thema, das Magazin „Gold“ von Popnet beschäftigte die Branche mehr. Was ich gelernt habe? Erstens: es ist wichtig, wie die Stadt heißt, in der man sich befindet. Zweitens: Mach nie das, was alle anderen machen. Drittens: Halte Dich von Netzwerkern und Labertaschen fern. Viertens: Was jetzt nicht klappt, kommt anders in zehn Jahren wieder. Fünftens: Veränderung und Krise finden ständig statt – beschäftige Dich mit Geschichte, um Deine Beobachtungen einordnen zu können.
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Schlagwörter: 15 Jahre, Christoph Kappes, Jubiläum, New Economy