Der Rundfunkrat des WDR hat sich in seiner letzten Sitzung gegen die vorgegebene Sieben-Tage-Regel für Telemedien ausgesprochen und fordert neue Kriterien. // von Tobias Schwarz
Öffentlich-rechtliche Sender dürfen laut der im Rundfunkstaatsvertrag vorgegebenen Sieben-Tage-Regel für Telemedien aktuelle Sendungen nur bis zu sieben Tage in Mediatheken oder Plattformen wie YouTube (für Video) oder Soundcloud (für Audio) anbieten. Der WDR-Rundfunkrat hat sich nun in einer Sitzung dagegen ausgesprochen und fordert von der für Medienregulierungen zuständigen Bund-Länder-Kommission das Ende der Sieben-Tage-Regel und die Schaffung klarer Kriterien.
Ziel war der Schutz privater Medienunternehmen
Die Kritik am Depublizieren, also dem Entfernen von im Internet veröffentlichten Inhalten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ist nicht neu. Die davon direkt betroffene ARD schätzt das deutsche Verfahren zum Depublizieren öffentlich-rechtlicher Internetseiten als das aufwändigste weltweit ein. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier bewertete die seit September 2010 für die laufende Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender geltende Sieben-Tage-Regel als „ein Kompromiss, der eigentlich niemanden glücklich machen kann“ und „Ausdruck der Unfähigkeit der Medienpolitiker, sich auf klare Vorgaben über das zu einigen, was ARD und ZDF erlaubt sein soll und was nicht.“ Seitdem hat sich eigentlich nicht viel geändert.
Der tiefere Sinn der Sieben-Tage-Regel liegt im Schutz privater Rundfunk und Telemedien, die sich im Vergleich zur gebührenfinanzierten Konkurrenz benachteligt sehen. 2003 legte der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) deshalb eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein, dass die Rundfunkgebühr eine unzulässige Form staatlicher Beihilfe sei, die sich gegenüber Privatunternehmen wettbewerbsverzerrend auswirkt. Außerdem sei im öffentlichen Auftrag der Jahrzehnte vor dem World Wide Web entstandenen Sender das Medium Internet nicht berücksichtigt. Die Europäische Kommission folgte der Interpretation des VPRT und verlangte die Abschaffung der Rundfunkgebühr oder eine Lösung des vermeintlichen Problems, was wiederum zur Depublikationspflicht führte.
Wachsende Kritik gegen das Depublizieren
Allein schon wer ein Blog führt weiß, dass etwas online zu veröffentlichen, beinahe von selbst eine Art Archiv digitaler Inhalte entstehen lässt. Das gilt auch für die öffentlich-rechtlichen Sender und die Idee eines zeitlich limentierten Zugangs zu Inhalten fült sich per se nicht richtig an, besonders wenn diese Inhalte solidarisch von fast allen Bürgern finanziert wurden. Und ob private Medienunternehmen wirklich davon profitieren, dass Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender nicht länger als sieben Tage im Internet zu finden sind, ist alles andere als nachvollziehbar.
Bisher musste man persönliche Kontakte bei öffentlich-rechtlichen Sendern bitten, doch anonym bestimmte Inhalte auf YouTube zu veröffentlichen, damit man diese z.B. in Artikeln embedden und besprechen konnte. Doch eine neue Kritikwelle gegen die Sieben-Tage-Regel baut sich langsam auf. Schon 2012 forderte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf dem Medienforum NRW, dass Beitragszahler öffentlich-rechtliche Inhalte jederzeit und überall abrufen können müssen (politische Taten folgten diesen Worten bisher nicht). Bereits letzten Juli sprachen sich alle Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus einstimmig dafür aus, dass die Sieben-Tage-Frist für Mediatheken von ARD und ZDF auf den Prüfstand evauliert und vielleicht sogar gestrichen werden muss. Die Abgeordneten begründeten den Beschluss damit, „dass die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von den Beitragszahlern finanziert würden und dementsprechend für die Allgemeinheit zur Verfügung stehen müssten.„
Sachbezogene Kriterien statt starrer Regeln
Die Entscheidung des WDR-Rundfunkrat ist nur der jüngste Höhepunkt einer auf Veränderung bei öffentlich-rechtlichen Sendern bestehenden Entwicklung. Ruth Hieronymi, die Vorsitzende des Gremiums, fordert „zeitgemäße Entscheidungen für die Verweildauer von Angeboten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet„, die „vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung und den veränderten Sehgewohnheiten der Nutzerinnen und Nutzer von Online-Medien dringend geboten“ sind. Je nach dem journalistisch-redaktionellen Anlass, der für die Verfügbarkeit nötigen Rechte und der Wirtschaftlichkeit sollen Inhalte im Netz unbefristet angeboten werden können. Dazu bedarf es aber neuer Kritierien statt den starren Regeln, die bisher gelten und Entwicklungen, wie zum Beispiel trimedialen Journalismus, bei öffentlich-rechtlichen Sendern fördern könnte. Mit einer derartiger Reformanstrengungen könnte auch gleich die zweite große Baustelle angegangen werden: Creative Commons-lizenzierte Inhalte in öffentlich-rechtlichen Sendern.
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Schlagwörter: creative-commons, Depublizierung, Medienpolitik, Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, ÖRR, Sieben-Tage-Regel, WDR
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