Netzpolitik ist die politischen Gestaltung des gesellschaftlichen Raums Internet – doch wo informiert man sich, um sich eine Meinung zu bilden? Auf einem Shirt habe ich einmal gelesen, dass Netzpolitik die moderne Form von Gesellschaftspolitik ist. Doch wenn dem so ist, dann steht es schlecht um unsere Gesellschaft gestaltene Politik über oder für das Internet. Wichtige Themen werden nur in kleinen Expertenzirkeln diskutiert, was fünf Dutzend Twitter-Nutzer aufregt, interessiert auf der Fahrt im Bus zur Arbeit vielleicht keinen Menschen. Dies hat viele Ursachen, einer hat was mit Medien zu tun.
Die Berichterstattung der Medien über Netzpolitik wird zwar stets besser, ist aber immer noch den nach Aufmerksamkeit haschenden Gesetzen der Medien unterworfen. Dabei ist es wichtig, sich zu informieren. Wir als Netzpiloten versuchen diesen selbst auferlegten Auftrag zu erfüllen, aber wir sind zum Glück nicht die einzigen, die sich für Netzpolitik interessieren und die Reaktionen der Politik auf den digitalen Wandel aufmerksam verfolgen. Ein paar meiner persönlichen Quellen möchte ich euch heute hier vorstellen:
Politik-Digital.de: Gemeinnütziger Journalismus zum Thema Netzpolitik
Politik-Digital.de ist ein Projekt des gemeinnützigen Vereins pol-di.net e.V., das im November 1998 als Nachfolgeprojekt von wahlkampf98.de gegründet wurde. Die parteienunabhängige Informations- und Kommunikationsplattform berichtet über das Themenfeld Internet und Politik und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Austausch zwischen Politik und Bürgern zu intensivieren. Mit zunehmender Bedeutung des Themas Netzpolitik, hat sich auch Politik-Digital.de verstärkt diesem Thema angenommen, dass vor Etablierung des Begriffs meist unter dem Thema Politische Kommunikation und neue Medien zusammengefasst wurde. In jüngster Vergangenheit hat Politik-Digital.de mit der Digitalen Bürgersprechstunde, bei der Abgeordnete des Bundestags per Hangout mit Bürgern und einem lokalen Medium aus dem Wahlkreis der Abgeordneten kommunizieren, und dem Watchblog Bundestag-Digital.de, der die Arbeit des neu geschaffenen Bundestagsausschuss „Digitale Agenda“ begleitet, zwei Formate geschaffen, die erstklassig einen Einblick in die politische Gestaltung unseres Lebensraums Internet geben.
Carta.info: Ein Raum für gesellschaftliche Debatten im Netz
Die Debattenplattform Carta.info auf Netzpolitik einzuschränken wird ihr nicht gerecht. Hier werden die gesellschaftlichen Themen der Digitalisierung besprochen und das stets auf einem hohen Niveau und in einer beeindruckenden Breite an Ansichten. Was Carta ausmacht sind die analytischen Texte, Debattenbeiträge und Hintergrundberichte verschiedenen Blogger/-innen. Dabei wird meist nicht ein nur Themen erklärt, sondern verschiedenen Menschen die Möglichkeit gegeben, ihre unterschiedlichen Ansichten zu vielen Themen zu erklären. In der Gesamtheit der Beiträge zu einem Thema, die von ihren Meinungen her oft weit auseinander liegen, ist das Wertvolle an Carta begründet. Kein Medium bietet so viel Platz für die wichtigen Fragen und die verschiedenen Ansichten, die Grundlage für die Bildung einer öffentlichen Meinung sind. Eines der wenigen Medien, bei dem ich jeden Tag nachschaue, was es Neues gibt.
Berliner Gazette: Ein Online-Medium spielt Tageszeitung
Den meisten Verlagen wird vorgeworfen, dass sie im Internet nur Tageszeitung spielen anstatt ein digitales Format zu betreiben. Die Berliner Gazette wirkt fast wie eine Parodie darauf, denn die bereits seit 1999 existierende Netz-Zeitung kommt zwar im Retro-Look daher, ist aber alles andere als nur on the web, sondern authentisch of the web. Dabei beeindrucken die Artikel vor allem durch ihre Länge und tiefe Auseinandersetzung mit einem Thema. Die Dossiers sind phanatstische Artikelsammlungen zu mehr als einem Dutzend Themen, die die digitale Gesellschaft umtreiben, auch wenn noch nicht alle darüber reden und schreiben. Die Berliner Gazette hat hier intellektuelle Vorarbeit geleistet, für die sie definitiv mehr Anerkennung verdient.
Torial: Journalismus auf dem Präsentierteller
Bei aller Sympathie für die bereits vorgestellten Online-Medien, auch traditionelle Medien haben natürlich mitbekommen, dass es so etwas wie Netzpolitik gibt – spätestens seit den Protesten gegen das inzwischen gestoppte Freihandelsabkommen ACTA. Doch die Journalist/-innen sind in den Redaktionen meist nur Wenige, auf einer Plattform wie Torial finden sie sich aber. Mit dem neuen Magazin-Format von Torial ist es auch möglich, Artikel mit einem gemeinsamen Hashtag zusammen als Magazin zu einem bestimmten Thema zu präsentieren. Bereits jetzt gibt es Artikel-Sammlungen zu netzpolitischen Themen wie Datenschutz, Digitales, Politik oder Medien. Ein interessantes Feature, wodurch auch nicht auf Torial angemeldete Leser einen Überblick bekommen können. Zum Beispiel auch zum Thema Netzpolitik in der Torial-Gruppe Forum Netzpolitik.
Internet & Gesellschaft Collaboratory: Mitsprache ermöglichen
Trotz der gewachsenen gesellschaftlichen Bedeutung des Themas Netzpolitik gibt es noch keine wirkliche Interessensvertretung für die Bürger/-innen. Netzpolitische Vereine sind für die meisten entweder zu parteinah (D64, CNetz, Load) oder ermöglichen kein wirkliches Mitmachen (DigiGes, Digital Courage) und wollen anstatt engagierter Mitglieder lieber Leute haben, die Petitionen unterschreiben, auf Demos gehen und Banner auf dem eigenen Blog einbinden. Ein anderes Format betreibt das Internet & Gesellschaft Collaboratory, bei dem sich jeder in einer Initiative zu einem Thema engagieren kann. Der Multistakeholder-Ansatz gefällt mir dabei besonders, denn er ermöglicht es, dass – bildlich gesprochen – die Bloggerin neben dem hauptberuflichen Experten, einer Professorin oder dem Politiker gleichberechtigt mit am Tisch sitzt. Die sich engagierenden Menschen bearbeiten gemeinsam eine Fragestellung der digitalen Gesellschaft, mit der sie sich vorher um Förderung durch den gemeinnützigen Verein beworben haben, der sich selber aus Spenden finanziert. Wie das den Menschen so gefällt, kann in dieser Interviewreihe nachgelesen werden.
Netzpolitik.org: Ein Aktivisten-Blog mit eigener iPhone-App
Das netzpolitische Blog Netzpolitik.org von Markus Beckedahl ist die einzige Informationsquelle mit einer eigenen App für Netzpolitik. Das sehr meinungsstarke Medium berichtet über sämtliche netzpolitischen Themen und das nicht nur auf die deutsche Bundespolitik beschränkt. Beckedahl war mit seinem Blog das erste breit wahrgenommene journalistische Medium, dass sich mit dem Thema Netzpolitik beschäftigte. Wer über die nationale und internationale Netzpolitik informiert bleiben will und kein Problem mit der informativen aber vom Aktivismus motivierten Berichterstattung hat, findet hier das best informierende Blog zum Thema. Die App für iOS von KicksApps ermöglicht seit wenigen Wochen auch einen mobilen Zugang auf das Blog, denn eine mobile Ansicht gibt es von der Website leider noch nicht. Trotzdem ist Netzpolitik.org allein durch seine Vorreiterrolle wichtig gewesen für die netzpolitischen Debatten in Deutschland.
Disclosure: Wo soll ich da bloß anfangen? Der doch überschaubare Kreis an Möglichkeiten und netzpolitisch engagierten Menschen führt dazu, dass ich mit all diesen Medien auch irgendwie schon was zu tun hatte. Von Veranstaltungen der Berliner Gazette berichte ich von Herzen gerne, die Torial-Gruppe „Forum Netzpolitik“ verwalte ich zusammen mit anderen Journalisten, für Politik-Digital.de und Carta.info schreibe ich regelmäßig, was ich in der Vergangenheit auch schon zweimal für Netzpolitik.org gemacht habe und beim Internet & Gesellschaft Collaboratory engagiere ich mich als Fellow für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. So weit, so transparent. Was ich hier aber geschrieben habe, meine ich auch so.
Image (adapted) „Netzpolitik“ by redcctshirt (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: Berliner Gazette, carta, Netzpolitik, Netzpolitik.org, Politik-Digital.de, Torial