Zu sagen, dass wir bereits seit vielen Jahren auf Hogwarts Legacy warten, wäre übertrieben. Erst im September 2020 wurde das Spiel überhaupt offiziell angekündigt. Und doch warten wir schon seit Ewigkeiten auf ein Spiel, das uns so richtig in die Zaubererwelt eintauchen lässt. Da waren die nicht zwingend guten aber doch noch immer meme-würdigen Spiele zu den Filmen. Es gab auch humorvolle Lego-Umsetzungen des Spiels und diverse Mobile Games. Aber das richtig große Ding, ließ auf sich warten. Mit Hogwarts Legacy scheint es nun jedoch so weit zu sein. Auf einer eigenen State of Play wurden 14 Minuten Gameplay gezeigt, die Hunger auf das Spiel machen. Doch wird Hogwarts Legacy gut?
Nach den 14 durchaus beeindruckenden Minuten, bis zum Bersten mit Fanservice gefüllt, lässt sich das noch immer nicht sagen. Trotzdem möchte ich das Gesehene ein bisschen einordnen. Ich bin ein riesiger Harry Potter-Fan und habe alle sieben Bände bereits mehrfach als Buch und auch Hörbuch verschlungen. Doch auch wenn vieles zuerst nach einem wahrgewordenen Fantraum aussieht, sollte man sich nicht zu früh freuen. An dieser Stelle ziehe ich vor allem auch das Spiel Cyberpunk 2077 heran.
Hogwarts so greifbar wie noch nie zuvor
Dass Hogwarts Legacy visuell einiges zu bieten hat, war bei dem deutlich kürzeren Trailer zuvor schon zu erahnen. Das neue Gameplay bestätigt das nachdrücklich. Das fängt natürlich in erster Linie in Hogwarts selbst an. Auch wenn das Spiel entgegen der Bücher am Ende des 19. Jahrhunderts spielt, entdeckt man so unglaublich viele ikonische Orte wieder. In der Gestaltung hat man sich nämlich bewusst an den Filmen gehalten.
Das beginnt bei äußerst bekannten Orten, wie beispielsweise der großen Halle oder dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors, die Harry Potter-Fans nur all zu bekannt sind. Es sind aber auch kleinere Details, die es ins Spiel geschafft haben, mitunter auch markante Portraits, die man in den Filmen vielleicht in einer Szene mal gesehen hat. Auch vermeintlich unwichtigere Locations wie das Bad der Vertrauensschüler aus dem 4. Buch / Film sind liebevoll ausgestaltet. Man darf sogar Die Küche unter der großen Halle besuchen, in denen die Hauselfen die üppigen Mahlzeiten vorbereiten.
Zwischen den bekannten Orten gibt es aber auch noch neue zu entdecken. Im Video bekommen wir bereits einen ersten Blick auf den Hufflepuff-Gemeinschaftsraum. Während man in den Büchern und Filmen zumindest die Gemeinschaftsräume der Ravenclaw und Slytherin mal kurz gesehen hat, durften sich die Designer bei den Hufflepuffs frei austoben. Hier freue ich mich jetzt schon riesig, mich in einem hoffentlich integrierten Photo Mode auszutoben.
Insgesamt scheint es das detailreichste Hogwarts zu werden, dass man je eigenständig erkunden durfte. Das bezieht sogar die Universal World-Parks ein, in denen man eine Nachbildung der Zaubererschule betreten darf – aber eben alles in einem kleineren Maßstab, weil es in einen Vergnügungspark passen muss.
Die riesige Welt außerhalb von Hogwarts
Hogwarts selbst ist schon beeindruckend. Fast noch beeindruckender ist, wie groß die Welt drumherum erscheint. Wir können nicht nur direkte Schulgelände erkunden, sondern besuchen ebenfalls Hogsmeade. Darüber hinaus scheint es sogar noch eine große Vielfalt an Landschaften gänzlich abseits der Schule entdecken. Eine gezeigte Szene an der englischen Küste erinnerte stark an die Gegend, die Harry mit Dumbledore besuchte, um den Horcrux in der Höhle zu zerstören.
Höhlen gibt es außerdem wohl auch zu ergründen, offenbar auch mit den untoten Inferi, die man aus besagter Höhlenszene kennt. Hier hoffe ich, dass man sich nicht überall zu sehr an bekannten Motiven der Originalgeschichte bedient, sondern auch einige eigene Facetten hinzufügt. Es scheint da aber auch verschiedene magische Mysterien zu geben. Wir sehen komisch spiralförmige Gebilde oder Brücken die sich magisch für uns aufbauen.
Doch es gibt noch viele andere Landschaften die wir etwa auf dem Rücken von magischen Kreaturen wie einem Hippogreif oder natürlich einem Besen erkunden. Dieser wirkt nicht ganz so schnell wie aus den Filmen – aber es spielt auch über 100 Jahre vor den Büchern und die Rennbesen sind nicht ansatzweise so ausgefeilt. Auch wenn erste Bilder der Landschaften interessant wirken, wirft es die Gefahr auf, dass das Spiel diese nicht ausreichend mit spielerischen Anreizen füllen kann.
Tolle Animationen, aber irgendwas stört irgendwie noch
Auch die Art und Weise, wie die Figuren in der Schule zum Leben erweckt werden, sieht schon richtig gut aus. Es ist nicht die steife Art eines Elder Scrolls-Spiels, wo sich generische Animationen wiederholen. Die Figuren in den Szene wirken sehr lebendig animiert, der Charakter der Figuren scheint sich dabei auch in ihren Bewegungen wiederzuspiegeln.
Auch zeigen sich Figuren und Welt in einer Reihe sehr dynamischer Aktionen. Seien es Zauberduelle in etwas luftiger Höhe, große Zaubereffekte, das Brauen von Tränken oder die Interaktion mit magischen Tierwesen. Auch die Vertonung der Figuren scheint dabei echt gut gelungen. Es gibt sogar einige bereits bekannte Charaktere – dabei handelt es sich allerdings um Geister wie Sir Nick, Poltergeist Peeves oder der Lehrer-Geist Professor Binns.
Trotzdem ist da noch irgendwas, was für mich nicht so ganz stimmig erscheint. Unter anderem wirkt die Mimik des Protagonisten oft etwas zu emotionslos. Vermutlich ein Stück weit dadurch bedingt, dass man den Charakter selbst erstellt und dieser keine zu festgelegte Persönlichkeit haben kann. Zusammen mit dem Actionfokus und Fernkampf, hätte ich mir hier auch eine First Person-Perspektive wie in Cyberpunk 2077 gut vorstellen können. Aber auch sonst wirken viele Szenen trotz guter Animationen noch etwas steril.
Ein kleines Detail das mir dagegen zusagt, war die Darstellung eines Zeitungsartikel im Tagespropheten. Dessen Look wirkt auch in den Filmen bereits etwas „altbacken“ und für das Spielsetting wurde das noch etwas verstärkt, um der Zeit besser zu entsprechen.
Viele Spielmechaniken, mit allerdings großen Fragezeichen
Bislang habe ich eigentlich nur Worte zu optischen und atmosphärischen Werten verloren. Das liegt daran, dass man wenig handfestes Gameplay gezeigt hat. Dabei mangelt es nicht an gezeigten Tätigkeiten an sich. Gezeigt wurde nicht nur die Erkundung der Welt, sondern viele Aspekte der Zaubererwelt, die man liebt.
Im Hogwarts Legacy Gameplay wurde nicht nur die Welt erkundet. Man sah auch Unterricht, zahlreiche Kämpfe gegen zumeist menschliche, aber auch andere Gegner wie zuvor erwähnte Inferi. Das Wissen der Fächer scheint man auch vielfältig anzuwenden, etwa für das Sammeln von Zutaten für Tränke. Sogar magische Tierwesen dürfen wir im Spiel zähmen. Der Harry Potter-Fans bekannte „Raum der Wünsche“ dient darüber hinaus als Housing-System und innerhalb dessen gibt es nochmal eine Art Raum für unsere Tiere der an den Koffer aus „Magische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ erinnert.
Ob Hogwarts Legacy gut wird, liegt aber nicht nur an der Zahl der Features, sondern auch wie sie umgesetzt sind. Davon sah man bislang eher wenig. Bei Zutaten die man selbst anbaut, sah man etwa einen Timer, der leider eher Assoziationen zu diversen Mobile Games weckt. Auch wird ein Charakterentwicklungssystem angeteast, ohne aber zu zeigen, wie es im Detail aussieht. Auch Dinge wie Charakterbildschirm oder Inventar lassen sich im ersten Hogwarts Legacy Gameplay noch nicht finden.
Kämpfe wirken irgendwie banal
So schön die Animationen in Dialogen und Cutscenes wirken, so sehr schwächelt für mich der Ersteindruck des Kampfsystems. An sich versucht man dabei gut, den Stil der letzten Harry Potter-Filme einzufangen. Die Zauber werden sich geradezu peitschend entgegen geworfen. Es wirkt mir jedoch für meinen Geschmack etwas zu sehr nach Hack’n’Slay. Es sind teilweise größere Gegnerhorden, die offenbar mit recht repetitiven Zaubern besiegt werden.
Im Hogwarts Legacy Gameplay wirkte es dabei, als existiert ein sehr kurzer Aggro-Radius, in dem die Angreifer erst auf einen zulaufen. Dass wir bis wenige Meter vorm Gegner für diesen uninteressant scheinen, wirkt ziemlich unstimmig. Interessant ist aber, dass wir wohl auch magische Tiere und Pflanzen mit in den Kampf einfließen lassen können. Ich hoffe trotzdem, dass die Kämpfe keinen zu großen Teil des Spiels ausmachen und doch nicht so Hack’n’Slay-artig sind, wie ich aktuell noch befürchte. Die Zauberpalette der Bücher bietet so viele Möglichkeiten mit der Welt zu interagieren oder auf Situation mit einzelnen Personen zu reagieren.
Interessant wird es sein, in wie weit die unverzeihlichen Flüche eine Rolle spielen. Im Gameplay wurde der Todesfluch Avada Kedavra vom Protagonisten ausgeführt. Es mag vielleicht eine andere Zeit sein, aber eigentlich gilt das Töten in der Zaubererwelt als absolut abscheulich. Als einzelner charakterdefinierender Moment kann das noch durchgehen – ein inflationärer Gebrauch würde jedoch stark an den Grundpfeilern der Zaubererwelt rütteln. Interessant werden auch die Begegnungen mit mächtigeren Kreaturen, wie Trolle oder sogar Drachen, die das Gameplay bereits anteast.
Möglicher Stolperstein: Einschulung im 5. Schuljahr
So wirklich viel von der Geschichte ist noch nicht bekannt. Lediglich, dass wir eine alte Art der Magie beherrschen und wir sehr spät eingeschult direkt im 5. Schuljahr anfangen. An dieser Stelle sehe ich einen möglichen Stolperstein für das Spiel. Auch in Anbetracht außergewöhnlicher Kräfte ergibt es wenig Sinn, mitten im 5. Jahr anzufangen. Selbst wenn der Charakter Zuhause gelernt haben sollte, fehlen hier mal einfach 4 Jahre Schulstoff, die alle anderen Schüler als gemeinsame Basis für den Schulstoff der 5. Klasse haben. Wenn sich nicht viel geändert hat, stehen im fünften Jahr außerdem wichtige Prüfungen an. In den Büchern bedeutete es ein enormes Lernpensum, „Doping“ und nervliche Zusammenbrüche.
Ich vermute, dass die Einschulung im 5. Jahr eher spielerische Gründe hat. Der Charakter ist deutlich reifer und näher an der Kernzielgruppe, als wenn wir im erste Schuljahr starten. Außerdem wäre ein Erstklässler deutlich beschränkter in Sachen Erkundung im Kampffähigkeiten. Ein gut gemachter Prolog mit Einschulung und ersten wichtigen Entscheidungen und Kennenlernen der Mitschüler hätte aber auch funktionieren können, bevor ein Sprung ins fünfte Jahr gemacht wird.
Ebenfalls eine ungeklärte Frage: Wie wirkt sich die Hauszugehörigkeit aus. Der Spieler kann in allen der vier Häuser landen, die für unterschiedliche Werte stehen. Ist der Stellenwert es Hauses in der Geschichte zu hoch, verpasst man in einem Spieldurchlauf zu viele Inhalte. Macht es keinen wirklichen Unterschied, kann die Story aber auch wieder zu generisch wirken. Die 14 Minuten verpassten es, auch einen Blick aufs Spielgefühl der Geschichte zu geben.
Entwickler Studio ohne große Erfolge
Wird Hogwarts Legacy gut, wenn das zuständige Studio ein eher unbeschriebenes Blatt ist? Es ist dabei nicht so, dass Avalanche Software unerfahren wäre. Das Studio hat sich bereits quer durch die Genres gewühlt und mit vielen bekannten Franchises gearbeitet. Zu den Spielen zählen die bekannte Mortal Kombat-Reihe, Prince of Perscia: Arabian Nights für SEGA Dreamcast und, College Football, Tak and the Power of Juju und sogar das Anime Beat ´em Up Dragon Ball Z: Sagas. Nach einer Übernahme durch Disney gab es eher Lizenztitel zu Animationsfilmen wie Toy Story 3 oder Cars und das Toys to Life-Spiel Disney Infinity. Avalanche Software ist übrigens nicht zu verwechseln mit Avalanche Studios, welche die an sich naheliegende Open World-Reihe „Just Cause“ entwickeln.
Das sind viele Stationen auf vielen Konsolen und in unterschiedlichsten Genres. Keines der Spiele war jetzt aber annähernd ein so mediales Zugpferd wie Hogwarts Legacy. Hier geht es aktuell um eines der wohl heiß erwartetsten Spiele. Die Welt ist riesig wie das Franchise, dessen Fans nun auf die ultimative Harry Potter-Spielerfahrung hoffen. An solch hohen Erwartungen ist sogar CD Projekt bei Cyberpunk 2077 stark ins schleudern geraten. Gerade da Avalanche Software ein vergleichsweise kleines Studio ist, kann es sich da schnell verheben. Allerdings sah man beim kleinen Behind the Scenes auch die große Leidenschaft. Und auch ein besagtes CD Projekt wurde erst mit dem Erfolg von The Witcher 3 so richtig groß.
Fazit: Wird Hogwarts Legacy gut?
Avalanche Software hat sich mit Hogwarts Legacy viel vorgenommen. Dass das Spiel sogar eine komplette State of Play füllen durfte, sorgt dabei gleichermaßen für große Erwartungen bei Fans und Fachpresse. Genau das bereitet mir aber Sorgen. Der Entwickler hat zwar schon viele Spiele entwickelt, aber noch nichts ansatzweise Vergleichbares zu dem, was man sich von Hogwarts Legacy erwartet. Diese Fallhöhe ist nicht zu unterschätzen.
Ich selbst fuhr schon gut damit, mir auch bei Cyberpunk 2077 nicht den heiligen Gral der Open World-Spiele zu erwarten. So war ich von der PC-Version weit weniger enttäuscht wie andere, die sich ein etwas zu perfektes Open World-Paradies erwarteten. Hogwarts Legacy gibt mir noch weniger Gründe, den absoluten Kracher des Jahres zu erwarten. Der Trailer lässt noch weitgehend offen, wie sich Hogwarts Legacy spielt. Ich weiß nicht wie das Charaktersystem funktioniert oder wie verschiedene Mechaniken aussehen und ineinander greifen. Die 14 Minuten erinnerten eher an eine Techdemo. Eie es sich spielt und wie sich die Story anfühlt, konnte das Gameplay nicht vermitteln.
Das Spiel sieht jedoch optisch echt stark aus. Die Welt ist riesig und strotzt nur so an Details für Fans. Sogar einen Wechsel der Jahreszeiten gibt es, der auch die Welt jeweils unterschiedlich erstrahlen lässt. Die Animationen, die Vertonung, das allgemeine Gefühl – es ist trifft das Harry Potter-Gefühl. Trotzdem muss das Spiel aufpassen nicht zu tief in den Fanservice-Topf zu greifen. Der Raum der Wünsche etwa, verliert langsam seine Strahlkraft als Mysterium, wenn wir es uns gleich im ersten Jahr dort häuslich machen. Ich hoffe dass das Spiel auch mit einigen eigenen Ideen am Ende bezaubern kann.
Images by Avalanche Software / Portkey Games via IGDB
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