Im Vorfeld der re:publica 2009 haben die Blogpiloten 5 Fragen an deutsche Webworkerinnen und Webworker geschickt und gefragt, was sie mit dem Motto der diesjährigen re:publica „Shift Happens“ verbinden. Außerdem fragten wir die Experten wie sie die Gegenwart und Zukunft der Digitalkultur einschätzen. Oliver Gassner, Vivian Pein, Dr. Jan Schmidt und Tina „Picki“ Pickhardt. Weiter geht es heute mit Martin Koser von Frogpond
Martin beschreibt sich selbst mit den folgenden Worten:
Unternehmensberater und Organisationswissenschaftler, meine Themen sind Enterprise 2.0 und die Implementierung von Social Web in Unternehmen.
Und hier Martins Antworten auf unsere Fragen:
„Shift happens“ – „Veränderung passiert“. So das Motto der re:publica in diesem Jahr. Was verbindest Du ganz persönlich in Deinem (digitalen) Leben und Arbeiten mit diesem Motto?
Als ich das Thema der #rp09 zum ersten mal hörte dachte ich nicht so sehr an Heraklit und „alles fließt“ sondern nur ganz banal: „zeitlose Themen sind eine gute und sichere Wahl für Konferenzen“. Für selbständige Berater wie mich ist „Wandel“ ja ohnehin Programm, bspw. weil wechselnde Kunden und Projekte immer wieder neue Aufgaben stellen. Und auf mein persönliches (digitales) Leben und Arbeiten bezogen – „Shift happens“ bedeutet für mich eine Erinnerung nicht stehen zu bleiben, sondern auch weiterhin die Veränderungen durch und im Internet mit Interesse zu begleiten. Gerade deshalb weil Begeisterung für die vielen Möglichkeiten meiner Erfahrung nach auch Beratern nicht schadet. „Gute Beratung“ zu Themen wie Enterprise 2.0 braucht immer auch Herzblut und Neugierde, eben die Freude am „shift“.
„Die Zukunft ist schon da, sie ist nur noch nicht gleichmäßig verteilt“ (Williams Gibson). Welcher Teil der (digitalen) Zukunft ist für Dich schon längst Gegenwart?
Das Netz ist schon lange ein zentraler Bestandteil meines Arbeitslebens. Ganz grundsätzlich könnte ich ohne das Internet wesentliche Aufgaben nicht erfüllen, bspw. die Projektabstimmung mit verteilten Projektpartnern. Aber auch unabhängig davon würde mir ohne das Netz viel fehlen – der Austausch mit Freunden und Bekannten, Anregungen und Ablenkungen, die virtuellen „Kaffeeecken“ von Twitter bis hin zum Skype-Gruppenchat. So ist mein gegenwärtiger Arbeitsalltag sehr vernetzt, evtl. ist das auch ein Modell wie in Zukunft immer mehr Wissensarbeiter arbeiten werden. Ich denke da aber nicht mehr so viel darüber nach, einfach weil es für mich absolut normale Gegenwart geworden ist.
„Zurück in die Zukunft!“ – Was sind nach Deiner Erfahrung im Privaten wie im Beruf die größten Barrieren, wenn Du anderen versuchst zu erklären, wie die digitale Kultur „funktioniert?“
Da gibt es natürlich viele Barrieren und jeder hat seine eigenen, individuellen Vorbehalte, schlechten Erfahrungen und Ängste. Ich habe aber die Erfahrung gemacht dass man mit „show and tell“, in Kombination mit „ausprobieren lassen“, ganz gut erklären und auch motivieren kann. Ein konkretes Beispiel: In meinem privaten (nicht-online) Umfeld erlebe ich manchmal einen gewissen Mangel an Neugier und Experimentierfreude. Einfach mal zu probieren und direkt Erfahrungen zu machen wird als ineffizient abgetan. Wenn man aber bspw. ein soziales Netzwerk wie Xing zeigt und zeigt was man damit machen kann schafft man es manchmal die erste Einstiegshürde zusammen zu überwinden, unbewusste Ängste verlieren an Kraft und die Menschen bekommen einen (kleinen) Einblick in die „digital culture“. Spannender (und anspruchsvoller) ist es wiederum Twitter zu erklären, vielleicht auch deshalb weil hier für ein Verständnis verschiedene Einblicke zusammen verstanden werden müssen, d.h. Dienste, Werkzeuge, Geräte usw. – alles in allem ein komplexes Business-Ökosystem, in dem zudem ständig neue Dienste usw. quasi emergent entstehen. Um das zu verstehen muss man aktiv mitmachen, eine nur theoretische Beschäftigung mit Twitter kann nicht funktionieren. Und viele wissen, dass ihnen für das aktive Mitmachen Zeit und Energie fehlt …
Als digitale Webworker gestalten wir die Zukunft auch selbst mit. Welchen Themen liegen Dir am Herzen und warum?
Wichtig ist mir vor allem, dass die Möglichkeiten, die sich durch das Social Web in Organisationen ergeben können, mehr genutzt werden. Das dahinterstehende, grundlegendere Ziel (und mein Antrieb) ist die Mitarbeit bei der Schaffung einer humaneren Arbeitswelt. Ich weiß, das hört sich hochgestochen an, ist aber in der Tat das ganz tiefsitzende Motiv. Das Themenspektrum reicht dabei von der Schaffung von Arbeitsumgebungen und -infrastrukturen, die den Anforderungen von Wissensarbeitern angemessen sind, bis hin zu nachhaltig und ethisch akzeptablem Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Zulieferern in der vernetzten Arbeitswelt der Zukunft. Man könnte fast sagen, dass ich mehr an sozialen Innovationen als an Technologieinnovationen interessiert bin ;)
Was kommt nach Blogs, Social Networks und – unser aller Lieblingshypethema – Twitter? Wie sieht der nächste „Shift“ aus?
Hm, schwierige Frage – vielleicht aber auch falsch gestellt. Der Wandel bleibt uns erhalten, insofern gibt es keinen nächsten „Shift“ sondern nur einen Dauerzustand „Wandel“. Aber ich sehe im Moment viel Bewegung in Gebieten wie mobiles Internet, always-on-Internetzugang und -Vernetzung und damit mehr Nutzen (Kommunikation, Austausch, …). Auch die steigende Zahl der Internetnutzer (in der dritten und zweiten Welt) hängt damit zusammen.
Bezogen auf Unternehmen denke ich, dass sich Enterprise 2.0 – und damit meine ich nicht einzelne Technologien oder gar „Lösungen“ – als Managementansatz durchsetzt. Natürlich folgen Unternehmen anderen Regeln und Gesetzmäßigkeiten als das offene Internet, aber Prinzipien und Methoden wie Offenheit und direkte sowie transparente Kommunikation bieten letztlich so große Chancen, dass Unternehmen die zweifellos vorhandenen Risiken auf sich nehmen bzw. Lösungen finden werden.
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Schlagwörter: martin koser, rp09
1 comment
. Finde ich gut, sehr gut!!Barriere zwischen Gegenwart und Zukunft
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