rp09: Shift Happens für… Dr. Christoph Bieber

120x44_wIm Vorfeld der re:publica 2009 haben die Blogpiloten 5 Fragen an deutsche Webworkerinnen und Webworker geschickt und gefragt, was sie mit dem Motto der diesjährigen re:publica „Shift Happens“ verbinden. Außerdem fragten wir die Experten wie sie die Gegenwart und Zukunft der Digitalkultur einschätzen. Oliver Gassner, Vivian Pein, Dr. Jan Schmidt, Tina „Picki“ Pickhardt, Martin Koser, Andreas Auwärter, Djure Meinen und Jan Tißler. Weiter geht es mit Dr. Christoph Bieber (Internet&Politik)

Dr. Christoph Bieber beschreibt sich selbst mit den folgenden Tags:

Mein digitales Leben als „Tag-haufen“? na, das sieht ungefähr so aus: @drbieber // internetundpolitik.wordpress.com // politik-digital.de // #wahlimweb // wissenschaftskommunikation.info // direkter-freistoss.de

Und hier Christophs Antworten auf unsere Fragen:

bieber

„Shift happens“ – „Veränderung passiert“. So das Motto der re:publica in diesem Jahr. Was verbindest Du ganz persönlich in Deinem (digitalen) Leben und Arbeiten mit diesem Motto?

Im Grunde ist es ja das digitale Dauermotto – die Arbeit im und mit dem Netz verändert sich permanent, und das wird wohl auch so bleiben. Für einen Wissenschaftler ist das natürlich eine eher knifflige Angelegenheit: bis eine ordentliche Untersuchung entwickelt, durchgeführt, niedergeschrieben und bei einer Zeitschrift eingereicht oder für einen Sammelband formatiert ist, hat sich der Forschungsgegenstand schon längst zwei mal um die eigene Achse oder in eine ganz andere Richtung gedreht. Das ist auch mein persönliches Dilemma: die Veränderungen, die passieren, sorgen für ein unheimlich reichhaltiges und spannendes Untersuchungsfeld. Allerdings erschweren sie gleichzeitig die Arbeit am Gegenstand und die erforderliche Verarbeitungsgeschwindigkeit passt nicht zum eher langsamen Leben in den Gängen des Elfenbeinturms. Bei Twitter würde man vielleicht sagen: #catch22.

„Die Zukunft ist schon da, sie ist nur noch nicht gleichmäßig verteilt“ (Williams Gibson). Welcher Teil der (digitalen) Zukunft ist für Dich schon längst Gegenwart?

Ganz klar: der Twitter-Account meines zehn Monate alten Sohnes.

„Zurück in die Zukunft!“ – Was sind nach Deiner Erfahrung im Privaten wie im Beruf die größten Barrieren, wenn Du anderen versuchst zu erklären, wie die digitale Kultur „funktioniert?“

Die größte Barriere ist sicher das eigene Unwissen, denn diese „digitale Kultur“ hält hinter fast jedem Pixel ja auch noch eine (oder gleich mehrere) (Be-)Deutungs-Alternativen bereit. Wie soll man das schlüssig erklären? Doch darauf zielt die Frage ja nicht. Schwierig, oder sagen wir mal lieber: „ärgerlich“ ist für mich die bisweilen arrogante Haltung der nicht-so-digitalen Kulturelite hierzulande, die „das Internet“ gerne für fast alle Schä(n)dlichkeiten modernen Lebens verantwortlich macht. Immer noch! Nach bald fünfzehn Jahren Netz. Da hilft dann oft nur noch der Stoßseufzer „Die Welt ist schlecht, nicht das Internet“. Und abwarten. Die „digital natives“ stehen ja schon in der Tür.

Als digitale Webworker gestalten wir die Zukunft auch selbst mit. Welchen Themen liegen Dir am Herzen und warum?

Aufgrund meiner anhaltenden Auseinandersetzung mit der so genannten „interaktiven Demokratie“ interessieren mich natürlich jegliche Fortschritte auf diesem Gebiet. Und da ist das, was seit der Amtsübernahme von Barack Obama passiert, ein echter „forward shift“. Mal sehen, was davon im Superwahljahr 2009 aufgegriffen wird. Außerdem steht „shift“ ja auch für „Schicht“ und da sind wir ja direkt beim webworking. Ich möchte das, was ich gerade mache, auch noch für eine Weile Arbeit nennen – und wie auch anderswo liegt dabei in der Wissenschaft noch einiges im Argen. Mal sehen, ob ich jemals eine PowerPoint-Präsentation als „wissenschaftliche Publikation“ deklarieren darf – im Moment gibt’s dafür im größten Teil des Elfenbeinturms Hausverbot.

Was kommt nach Blogs, Social Networks und – unser aller Lieblingshypethema – Twitter? Wie sieht der nächste „Shift“ aus?

Das wüsste ich auch gerne. Wie ging noch das Sprichwort? Ein Shift dauert 90 Minuten? Wie die nächste Veränderung aussieht, ist eigentlich gar nicht so entscheidend – Hauptsache, sie kommt. Jetzt weiß ich´s auch wieder: Der nächste Shift ist immer der schwerste.

ist freiberuflich als Medien- & Verlagsberater, Trainer und Medienwissenschaftler tätig. Schwerpunkte: Crossmedia, Social Media und E-Learning. Seine Blogheimat ist der media-ocean. Außerdem ist er einer der Gründer der hardbloggingscientists. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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