„Cloudcuckoohome – Geschichten aus der digitalen Wolke!“ Hier resümiert die Netzpiloten Kolumnistin Miriam Pielhau regelmäßig über ihr tagtägliches Leben in der digitalen Welt. Miriam Pielhau. Die Schauspielerin, Moderatorin und Autorin resümiert einmal im Monat mit einer eigenen Kolumne auf Netzpiloten.de über ihren digitalisierten Alltag. Unter „Cloudcuckoohome“ berichtet sie heute von ihrem Versuch, mehr Ordnung in ihren Arbeitsalltag zu bringen und gleich vier verschiedene Arbeitsaufgaben zu schaffen – mit einer unkonventionellen Lösung: mehr Arbeitsplätze!
4 in 1
Das Herz hüpft hügelhoch, wenn sich Träume erfüllen? Pustekuchen. Aus-der-Puste-Kuchen. Ich schnappe gerade von A nach B hetzend nach Luft. Warum, erzähle ich heute.
Ein Albtraum ist das derzeit. Ein absoluter Aaaalbtraum. Und das, wo ich gerade ausschließlich mit Dingen beschäftigt bin, die ich immer unbedingt machen wollte. Aufträge, die Spaß machen. Ich kümmere mich um Themen, die ich mag. Habe Jobs, die mich in den schönsten Wahnsinn treiben und abends übermüde, aber genauso überglücklich ins Bett plumpsen lassen. Was ist also das Pielhau-esque Problem? Gute Frage. Antwortsuche. Nun: mein Plan für 2014 war und ist der Wiedereintritt in die berufliche Hemisphäre. Und zwar auf den unterschiedlichen Plateaus, auf denen ich mich seit vielen Jahren bewege. Dass diese Idee, sanft und geschmeidig „back to business“ zu gleiten jetzt schon vielmehr in einem eruptiven Auftritt auf gleich vier Bühnen parallel werden sollte, hätte ich am ersten Tag dieses noch jungen Jahres kaum vermutet. Und doch bewahrheitet sich eine alte, durch und durch inoffizielle Medienregel:
„Mit den Aufträgen verhält es sich, wie mit der Ketchup-Flasche. Erst wird lange und fest geklopft, ohne, dass etwas passiert. Plötzlich ergießt sich alles auf einmal auf den Teller.“
Mein Berufsleben: Ein Haufen Industrie-Tomatensoße also? Gestatten Sie mir, wenn ich Sie an dieser Stelle mit Details behellige.
Job Nummer 1 ist die lang ersehnte Erfüllung eines Traumes, das Wiederaufgreifen einer alten Leidenschaft. Ich kehre zurück zu den Wurzeln, die mich in der Medienbranche haben groß werden lassen: man lässt mich wieder im Radio senden. Seit Anfang des Jahres darf ich Berlin und Brandenburg bei 94,3rs2 immer Sonntags mit meiner eigenen Sendung nebst prominenten Gästen und einer Show beschallen, die nicht nur meinen Namen trägt, sondern auch durch und durch meine Handschrift. Das heißt, ich bereite alles eigenständig vor. Mache mir Gedanken über die Inhalte und die Aktionen, kümmere mich um meine berühmten Talkgäste, moderiere und produziere dementsprechend die 3-Live-Stunden auch eigenständig. Damit bin ich gut und gerne 3-5 Tage pro Woche beschäftigt. Am Computer, am Telefon und im Studio.
Mein 2. Großprojekt für dieses Jahr: der Debüt-Roman. Damit wird das lesende Volk zwar erst im Frühling behelligt, aber die finalen Arbeiten wollen noch im Winter vollendet werden. Der zauberhafte Chef-Lektor hat bereits das wichtigste getan: nämlich dem Gesamtwerk 20% Überlänge genommen. Jetzt ist es an mir, das abzusegnen. Himmel, was für eine schwere Aufgabe. Wie alle mehr oder minder talentierten Jungautoren hänge ich natürlich an den liebevoll entwickelten Satzkonstruktionen. An Textpassagen. An Seitenhandlungssträngen. Und doch: es hilft ja nichts. Ich will niemanden langweilen. Also muss Kürze die Würze bringen. In die Tonne mit der Schreiber-Eitelkeit. Her mit diszilpiniertem Pragmatismus. 330 Seiten erfordern meine Aufmerksamkeit. 330 Textseiten und ca. 30 Anmerkungen meines Lektors pro Seite. Puh. Buchstabensalat. Dass parallel eine Lesereise für April bis Juni in der Planung steht, wird nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Aufgabe Nummer 3. Es deutete sich schon Ende des vergangenen Jahres an, dass ich in diesem wohl zur „kleinen“ Unternehmerin werden würde. Dass sich aber ausgerechnet im ersten Quartal schon die fantastische Gelegenheit dazu ergeben würde, war so nicht vorgesehen. Aber es war und ist eine Chance, die ich beim Schopfe packen musste – und nun meine eigenen Haare raufe. Weil ich trotz guten Zeitmanagements nun langsam ins routieren gerate. Der Aufbau einer kleinen Agentur läuft bestens. Aber die Übersicht zu behalten zwischen all den Nachrichten aus dem Buchverlag und den Korrespondenzen mit meinen Radiogästen und Senderverantwortlichen, die Telefonate, Konzepte, Meetings…ach ach ach…gestaltet sich zunehmend schwieriger. Ich will nicht lamentieren. Ich habe es ja so gewollt.
Das vierte Projekt: auch wenn der Roman noch nicht einmal in den Buchläden liegt, so recherchiere ich bereits seit einem Jahr an einer neuen Sachbuch-Geschichte. Das bedeutet: Lesen. Viel Lesen von Sekundärliteratur. Aber auch einiges niederschreiben. Anekdoten. Erlebnisse. Erfahrung.
Und zuguterletzt etwas, was „nebenbei“ mitläuft: meine Kernprofession. Die der Moderatorin. Gastauftritte, Sendungskonzepte mit Senderchefs besprechen, zu Castings gehen, Events moderieren, Events besuchen, kurz: das Fernsehjahr 2014 im ersten Quartal in Sack und Tüten bringen.
Die Miriam Pielhau Media Company stampft im schnellen Takt. Mit all den Details zu den Aufgaben könnte ich ein gutes Dutzend Mitarbeiter in einem Großraum-Büro Vollzeit beschäftigen. Mache ich nicht und möchte ich nicht. Denn: ich liebe ja, was ich tu. Nur nicht so sehr, wie ich es tu. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Es funktioniert nicht, an einem Computer zu sitzen und an einem von vier Projekten konzentriert, fokussiert und zielgerichtet zu arbeiten. Es gab den Versuch zur Struktur: von 10-12Uhr Agentur, von 12-14Uhr Roman, von 14-16Uhr Radio-Gedöns und dann wieder 20-23Uhr alles, was liegen geblieben ist.
Ich nehme es vorweg: der Versuch ist gescheitert. Und mündete in Kuddelmuddel. Am Ende des Tages hatten zwar alle „to do‘s“ auf der Liste ein Häkchen, aber mein Kopf qualmte und an geruhsame Nachtruhe war auch nicht zu denken, wenn im Hirn immer noch die Fragen rattern, ob auch wirklich alles erledigt ist. An einem Arbeitsplatz zu sitzen und vier Arbeitsfelder zu beackern – nicht gut umsetzbar. Ständig trudeln Mails ein, die eines der anderen Themen betreffen. Natürlich klicke ich diese an. Natürlich versuche ich, so schnell wie möglich zu antworten. Zum Durchschnaufen die kleine Surf-Pause, wahlweise Ablenkung via Facebook, Twitter, Spiegel Online, BUNTE und Konsorten. Das ist nur bedingt effektiv. 4 Wochen lang habe ich mich gequält mit 4 Topthemen, die meine Jobthemen sind, auf meinen 4 Buchstaben zu sitzen und an einem Arbeitsplatz dennoch sortiert zu arbeiten. Um dann festzustellen:
Unmöglich. Albtraum. Und dann…Die Lösung kam mir im Schlaf. Ernsthaft.
Ich träumte, dass ich zum Einschlafen meine Sekundärliteratur gelesen hätte. Also Fachliteratur statt Lieblingsnovellen. Eigentlich ein No-Go. Also, den Job mit ins Bett zu nehmen. Aber es war ja auch nur eine geträumte Variante – aus der dann die Lösung erwuchs. Am nächsten Morgen wurde mir schlagartig klar: wenn ich schon nicht mit vier Jobs an einem Arbeitsplatz sitzen kann, muss ich für jeden Job einen eigenen Arbeitsplatz kreieren. Vier Büros unter einem Dach. Vier in eins. Das wollte ich versuchen. So habe ich mich eingerichtet. Und siehe da? Es geht.
In den vergangenen Tagen ließ sich recht unkompliziert ein Umfeld erschaffen, das Inspiration bietet, je nach Bedarf. Soll heißen: Radiogäste werden gemütlich beim Kaffee am Morgen akquiriert. Nach dem Frühstück. Aber am Tisch. Mit Telefon und Laptop – und einem Blick auf die Tagespresse.
Agenturarbeit mache ich in meinem kleinen Büro. Wie in einer Agentur eben. Home-Office, olé. Für das Lektorat meines eigenen Romans gehe ich dahin, wo ich auch sonst gerne anderleuts Bücher lese. Auf die Couch. Zwischen Kissen und Kuscheldecke fällt es nicht ganz so schwer, ganze Kapitel der „Löschtaste“ hinzugeben. Nun, und um mich durch meine Recherche-Literatur zu wühlen, habe ich mein Gästezimmer gewählt. Heimelige Möbel, aber nicht zu komfortabel um in unproduktive Freizeithaltung zu verfallen. Nein. Immer noch in Business-Bereitschaft. Mit der Möglichkeit zu analogen Notizen, die irgendwann am Rechner digitalisiert werden.
Abends noch eine 1-2stündige Runde täglicher Email-Wust, wo die Routine-Restposten abgearbeitet werden – so geht‘s.
Das macht zwar mehr Wegstrecke von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. Aber ich muss dafür noch nicht einmal (oft) das Haus verlassen. Und ausserdem – so lässt sich das ja auch schön reden – ist das fast so etwas wie Sport. Und macht müde. Und traumschwer. Und zwar ohne „alb-“ davor.
Image (adapted) „Digital DNA, City of Palo Alto, Art in Public Places, 9.01.05, California, USA“ by Wonderlane (CC BY 2.0)
kannte die Netzpiloten schon von Anfang an. Sie arbeitete bis zu ihrem frühen Tode seit Mitte der 90er Jahre als Radio- und TV-Moderatorin und war auch als Schauspielerin für Film und am Theater bekannt. Ihre Kolumnen bei den Netzpiloten werden nach wie vor gerne gelesen und erinnern an ihre herzliche Leichtigkeit mit der sie uns unvergessen bleibt.
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2 comments
Sehr lebhaft geschrieben und anschaulich. Vor allem, wenn man selbst schon mal vor ähnlichen Problemstellungen gestanden hat und dran beinahe aufgegeben hätte.
Danke für den Einblick, der mal eine andere Lösung als ToDo Listen und pure Selbstdisziplin propagiert.
Vorsicht, der Stress macht sich schleichend bemerkbar!
Bitte nicht übertreiben… LG