Ara: History Untold vs Civilization 7 – Kommt der große Civ-Killer?

„Nur noch eine Runde“ – Keine Spielereihe steht mehr für diesen unter Strategie-Spielern sehr beliebten Satz als Sid Meyer‘s Civilization. Eine Technologie fertig erforschen, das Wunder vollenden oder endlich die umkämpfte Stadt des Gegners einnehmen: Es gibt immer neue Gründe, noch EINE Runde zu spielen. Über Dekaden hatte die erfolgreiche Reihe dabei gewissermaßen ein Monopol auf ihr eigenes Genre. Doch mit Ara: History Untold kommt nun ein wirklich ambitionierter Konkurrent. Dieser bringt sich außerdem rechtzeitig in Stellung um das frisch angekündigten Civilization 7 eventuell aus seiner Komfortzone zu locken.

Einfach wird das Vorhaben aber nicht. Das 2016 erschienene Civilization 6 zählt noch immer eine eher wachsende Spielerschaft von bis zu 100.000 gleichzeitigen spielenden Nutzern auf Steam. Auch der Vorgänger Civilization 5 schafft es noch regelmäßig auf ein Tageshoch von rund 20.000 Spielern. Und dann erscheint der Nachfolger des scheinbar unantastbaren Giganten nur wenige Monate später.

Kann Ara: History Untold vs Civilization 7 erstmals am eigentlich fest in Zement gegossenen Thron rütteln? Die jüngsten Versuche anderere Civ-Konkurrenten waren jedenfalls nicht mehr als eine fruchtlose Denunzierung.

Woran scheiterten andere Civ-Konkurrenten?

Ara: History Untold ist nicht der erste Civ-Konkurrent. Gerade in der jüngsten Zeit gab es einige Spiele, welche die lange Pause seit dem letzten Serienteil ausnutzen wollten, um einen Fuß in die wachsende Strategie-Nische zu setzen. Woran liegt es, dass diesen Spielen höchstens ein kurzer Achtungserfolg gelungen ist?

Humankind

Einer der ersten großen Civ-Rivalen nannte sich Humankind und erschien bereits 2021. Dass sich das Spiel keine neuen Idee traut, kann man dabei nicht vorwerfen. Die Anfangsphase forciert eher Erkundung und Versorgung bevor erste Außenposten entstehen und statt einer festen historischen Figur, entscheidet ihr euch in jedem Zeitalter für eine andere Kultur. Eventuell sorgt aber gerade das dafür, dass sich viele mit ihrem Reich nicht wirklich identifizieren können.

Insgesamt loben Spieler die Ideen des Spiels. Oft wird aber bemängelt, dass die Mechaniken nicht ganz so stimmig ineinander greifen. Nach einem anfangs starken Start mit einer Spitze von 55.000 zeitgleichen Spielern, reichte es 2024 bislang nur für 2.648 Spieler in der Spitze auf Steam. Allerdings ist das Spiel auch Teil des Xbox Game Pass – jedoch ohne zusätzliche Addons.

Old World

Einen Monat vor Humankind erschien mit Old World sogar ein weiterer Civ-Herausforderer. Dieser war allerdings mit knapp 3.500 Spielern als Spitze zum Release kein großer kommerzieller Erfolg. Was Steam-Reviews angeht liegt es dagegen mit 81% positiver Reviews deutlich vor Humankind (66%). Viele Civ-Veteranen sehen Old World nicht nur besser als Humankind, sondern auch besser als einige neuere Civilization-Spiele.

Allerdings setzt Old World auch einen deutlich spitzeren Fokus als die Civ-Reihe. Wo das Vorbild uns von den Anfängen der Zivilisation bis hinein in die Zukunft spielen lässt – inklusive alles vernichtender Kampfroboter – bleibt Old World in der alten Welt. Der Name ist also Programm und ihr spielt in der Antike, etwa als Rom, Karthago oder Griechenland.

Auch wer etwa Crusader Kings 3 mag, könnte sich in Old World wohlfühlen. Auch hier führt ihr eure als Herrscher auch die Geschicke eurer Dynastie. Es gibt Ehepartner und Nachwuchs, den wir auf ihr Erbe vorbereiten dürfen. Dazu kommen auch Ministerposten und einige Ereignisse, die von uns Entscheidungen abverlangen. War das Spiel dadurch womöglich zu unterschiedlich, um die Civ-Spieler auch in der Breite abzuholen?

Millennia

Das größte Problem von Millennia nehme ich gleich vorweg: Es sieht einfach verdammt unsexy aus und zieht gegen Civilization 6 – das selbst zu Release jetzt nicht gerade ein Grafikwunder war – eindeutig den kürzeren.  Das wird im separaten Kampfbildschirm leider auch nicht wirklich besser. So löblich ein eigenständiger Ansatz an sich ist, mutet es mit seinen furchtbaren Animationen eher wie kurzfristig noch zusammengelötet an.

Dabei steckt in dem Spiel auch viel spannendes. In Millennia unterscheiden sich die Zeitalter je nachdem wie ihr spielt. Das kann sogar so weit gehen, dass ein paar Steampunk-Elemente ins Spiel finden oder im „Zeitalter des Blutes“ plötzlich sämtliche Nationen aufeinander losgehen. Auch bei der Nutzung von Ressourcen ist Millennia recht komplex und kommt mit ganzen Produktionsketten, um etwa aus Weizen, Mais oder Reis erst Mehl und schließlich daraus Brot zu produzieren.  

Generell steckt mit Paradox Interactive ein erfahrener Publisher hinter dem Spiel. Bekanntermaßen reifen viele Strategie-Titel des Publishers über Jahre zu wahre Umfangs-Monstern heran. Der Zeitpunkt dürfte aber ungünstig sein wenn bald der Kampf Ara: History Untold vs Civilization richtig startet. 2 Jahre eher und Millennia hätte mehr Zeit gehabt, sich zumindest spielerisch stark gegenüber der visuell überlegenen Konkurrenz aufzustellen. So wird das Spiel wohl eher eine Nische innerhalb eigenen Genre-Nische bedienen.

Ara im Multiplayer: An alle Varianten gedacht

Auch wenn Civilization-Spiele lange dauern, ist die Reihe auch für ihre ausschweifenden Multiplayer-Sessions bekannt. Im Streaming prominent ist mitunter der CIV-Gipfel der Rocket Beans (Angefangen als G8-Gipfel). Aber auch abseits des Streamings erfreuen sich das strategische Mit- oder Gegeneinander großer Beliebtheit.

Auch Ara: History Untold weiß darum und hat mit der Ankündigung des nahen Releases eine Menge Informationen zum Multiplayer in den Vordergrund gestellt. Hier setzt Ara auf „True Simultaneous Turns“: Um keinen Spieler zu bevorzugen, werden die Züge aller Spieler zeitgleich ausgeführt. Das ist vor allem im Multiplayer wichtig und gleiche Voraussetzungen zu schaffen, soll aber auch im Singleplayer genutzt werden. Was haben die Entwickler sich wohl ausgedacht, wenn mehrere Spieler das gleiche Feld für sich beanspruchen?

Interessant sind aber auch die Möglichkeiten des Spielens über die Cloud, bei dem man nicht gleichzeitig online sein muss. Stattdessen findet etwa jeden Tag eine Runde statt und das Spiel ist mehr eine Art Fantasy Football oder Brief-Schach, bei dem jeder innerhalb des Zeitraumes so lange über seinen Zug nachdenken kann wie er mag.

Auch an die Möglichkeit eines Ausstiegs wurde gedacht. Verlässt jemand eine Online-Partie, kann die KI für diesen einspringen, sodass es die Spielbalance nicht großartig beeinträchtigt.

Hex vs. Living World – Ara: History Untold sieht besser aus als Civilization 6

Mit den Distrikten hatte Civilization 6 zumindest die Städte ein wenig größer wirken lassen als in manchen seiner Vorgängern. Insgesamt blieb das Spiel optisch aber statisch und die eigentliche Stadt nimmt sowohl bei Gründung als auch als Megametropole nur ein Hexfeld auf der Karte ein. Die Sprawls riesiger Metropolen kamen dadurch nicht gerade rüber.

Hier könnte Ara: History Untold vs Civilization 7 die Nase sogar vorne haben. Im Gegensatz zu vielen andere Civ-Konkurrenten sieht Ara wirklich deutlich besser aus als das betagte Civilization 6 und erschafft Städte die sich herrlich in der belebten Landschaft ausbreiten. Vor allem moderne Städte haben später ein riesiges Netz aus Straßen und Häusern unterschiedlicher Höhe und schaffen so ein viel realistischeres Bild zu erzeugen. Ich persönlich hoffe, dass diese ausufernden Städte auch entsprechend stark auf Kosten von anderer Flächennutzung gehen, bzw. ökologische Folgen mit sich bringen.

Statt Hexfelder setzt Ara dabei auf eher unregelmäßig umrissene Regionen, ähnlich wie man es etwa aus den Total War-Spielen oder Crusader Kings kennt. Nur das diese Regionen anfangs zumindest von menschlicher Seite ziemlich unbelebt sind. 

Cizilization 7 zeigt sich selbstbewusst: Große Änderungen

Der neue Serienspross Civilization 7 zeigt sich allerdings selbstbewusst. Das erste Gameplay punktet nicht nur mit der beliebten Schauspielerin Gwendoline Christie als Erzählerin, sondern auch mit viel Mut zur Änderung. Und man scheint sich auch der Konkurrenz durchaus bewusst zu sein. Ausgerechnet das gescheiterte Humankind scheint nämlich Vorbild für größte Veränderung zu sein: Civilization 7 trennt erstmals Anführer und Zivilisation voneinander. Außerdem wechselst ihr eure Zivilisation passend zu jedem der drei großen Zeitalter. Es ist zugleich ein Lob an die Ideen von Humankind, als auch die gewollte Vorführung, wie man diese Ideen richtig umsetzt.

Damit geht man auch das Risiko ein, dass es nicht jedem Civ-Veteranen gefallen wird. So gibt es bei jedem Zeitalter eine Art Tabula Rasa. Jedes Zeitalter hat nämlich seinen eigenen Technologiebaum, andere Technologien und wohl auch neue Mechaniken. Allerdings gibt es auch Gebäude, die über die Zeitwechsel bestehen bleiben und ihr spielt euch Boni frei, die im nächsten Zeitalter zur Geltung kommen. Die Auswahl der Zivilisationen im nächsten Zeitalter ist ebenfalls zum Teil mit Bedingungen verknüpft. Ausgerechnet das erste Civilization unter der kreativen Führung seines Vorgängers scheint die größten Änderungen zu wagen.

Optisch macht Civilization auch einiges her. Zwar setzt es noch immer auf Hexfelder, ist optisch aber deutlich opulenter und die Städte breiten sich zunehmend über mehrere Hexfelder aus. Auch entfernt man ein wenig vom anfangs kritisierten „Comic-Look“. Die Einheiten wirken aber im Vergleich zu den Städten allerdings ein wenig sehr überdimensioniert – bei den größeren Städten ist aber vielleicht auch etwas mehr Sichtbarkeit nötig.

Ara: History Untold muss vorlegen

Das Timing von Ara: History Untold könnte dem Neuling zunächst in die Karten spielen. Das Spiel erscheint bereits am 24. September. Civilization 7 geht dagegen erst am 11. Februar an den Start. Der Abstand ist dabei gering genug, um den Civ-Hype für sich selbst zu nutzen.

Für Ara: History Untold ist es trotzdem sehr wenig Zeit, um sich als neuer Gold-Standard des Genres zu etablieren. Sollte man den Release bewusst vorgezogen hat, kann sich das am Ende sogar rächen. Ist das Spiel am Ende unfertig, hat es noch keine langjährige Spielerschaft, die mal ein Auge zudrückt. In diesem Fall hätte sich das Spiel als ernsthafter Civ-Killer selbst aus dem Rennen genommen.

Wenn das Spiel jedoch in einem guten Zustand erscheint und bis zum Release bereits zeigen kann wohin die Reise auch mit künftigen Inhalten geht, erwartet uns ein spannender Schlagabtausch. 

Ara: History Untold vs Civilization 7 – Ein Kampf auf Augenhöhe wäre wünschenswert

Zuletzt gab es bereits einige Spiele, die endlich mal die Alleinherrschaft von Civilization über ihre eigene Nische in Frage stellten. Doch keines der Spiele war spielerisch überzeugend oder von der Produktionsqualität zwingend genug, um das Strategie-Urgestein auch nur irgendwie ins wanken zu bringen.

Ich hoffe sehr, dass Ara: History Untold zumindest zu einer ernsthaften Konkurrenz wird. Civilization hat einen großen Namen und auch wenn der letzte Teil bei den Hardcore-Fans teilweise umstritten war, so war er kommerziell deutlich erfolgreicher als sein Vorgänger Civ 5.

Trotzdem hoffe ich sehr, dass Ara: History Untold gegen die Erfolgsreihe mindestens ein Achtungserfolg gelingt. Dass es in der Popularität die Civ-Reihe ablöst bezweifle ich jedoch. Dass man auch optisch mithalten kann, erweitert die Zielgruppe zumindest über die Genre-Veteranen hinaus.

Der Erfolg dürfte allerdings maßgeblich davon abhängen, in was für einen Zustand das Spiel veröffentlich wird. Gerade bei der Produktionsqualität sollte das Spiel darauf aus sein, ein gut gereiftes Produkt an den Markt zu bringen. Andernfalls wird es dem Spiel mehr Momentum kosten, als ein um wenige Monate verzögerter Release.

Civilization verdient einen ambitionierten Wettbewerber und sobald es ihn gibt, kann sich auch Sid Meyer’s Erbe nicht mehr auf den Lorbeeren vergangener Tage ausruhe. Angeblich hat Microsoft den Entwickler Oxide Games große – auch finanzielle – Freiräume gelassen. Hoffen wir, dass es sich bewahrheitet und endlich eine ernsthafte Civilization-Konkurrenz genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Plan tritt.


Images by Oxide Games

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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