Dragon Age: The Veilguard – Kontroverse um Reviews

Dragon Age: The Veilguard sollte eigentlich der Beweis werden, dass es Entwicklerstudio BioWare es noch drauf hat. Seit der Übernahme durch Electronic Arts strauchelt die einstige Edelschmiede, die zu ihren besten Zeiten als Garant für qualitative Singleplayer-Rollenspiele galt. Diese alten Stärken möchte BioWare mit Dragon Age: The Veilguard endlich wieder demonstrieren. Die ersten Wertungen machen bereits Hoffnung, dass es dem kanadischen Studio tatsächlich gelungen ist.

Doch während die Wertungen ein positives Bild zeichnen, braut sich im Hintergrund ein gewaltiger Shitstorm zusammen. Publisher Electronic Arts war offenbar ein bisschen wählerisch bei der Vergabe der Review-Keys, um zum Release möglichst positive Reviews zum Spiel zu bekommen. Vor allem ein Video des renommierten Rollenspiel-zentrierten Gaming-Hubs Fextralife lässt die Wellen besonders hochschlagen. Ein unglücklicher Zeitpunkt, wenn man eigentlich Überzeugung von der eigenen Qualität zeigen möchte. 

Keine Angst, gekauft sind diese Wertungen damit nicht und Dragon Age: The Veilguard ist sicherlich auch nicht das einzige Spiel, bei dem das passiert. Trotzdem schadet es nicht, sich dieses besonders prominente Beispiel genauer anzuschauen.

Spiele brauchen Hype

Ob es Spieler wahrhaben wollen oder nicht: Ihre geliebten Spiele sind aus Publisher-Sicht vor allem eines: Produkte. Und als solche sollen sie vor allem eines: Sich gut verkaufen. Das heißt nicht, dass eine herausragende Qualität und eine damit nachhaltige und aktive Fanbase unwichtig ist. Aber gerade bei großen Studios sitzen auch die Aktionäre im Nacken, die sich vor allem für große schwarze Zahlen interessieren.

Damit sich ein Spiel überhaupt gut verkauft, ist der Release besonders wichtig. Für diesen Tag gilt es möglichst viel Hype aufzubauen. Die Wochen und Monate davor sorgen bereits für Vorbestellungen, die Tests und Präsenz bei Twitch aber auch für Käufe direkt zum Release. Wichtig ist, dass die Meldungen so gebündelt kommen, dass man für kurze Zeit das große Thema der Szene ist.

Das hat Electronic Arts eigentlich auch ziemlich gut drauf. Einer ihrer genialsten Schachzüge war etwa Apex Legends, das völlig aus dem Nichts als Free-2-Play Battle Royale veröffentlicht wurde. Sie hatten allerdings schon zuvor einige große Battle Royale-Streamer an Bord geholt und teils auch aktiv in den Entwicklungsprozess eingebunden. Das führte dazu, dass das Spiel trotz des Überraschungsreleases direkt die Twitch-Streams dominierte. Electronic Arts hatte es damit geschafft, dass plötzlich überall über ein Spiel geredet wurde, dass einen Tag zuvor niemand kannte.

Wie kam es zum Shitstorm?

Was bei Dragon Age: The Veilguard falsch läuft, ist die Art und Weise wie man den Hype maximieren wollte. Der größte Fehler war dabei aber wohl eher, dass man es sich mit so prominenten Kanälen verscherzte, dass es nun öffentliche Aufmerksamkeit erhält.

Vor allem das Rollenspiel-Magazin Fextralife macht darauf in einem 11-minütigen YouTube-Video aufmerksam. Mit einer Million Abonnenten gehört Fextralife zu den wichtigsten Gaming-Kanälen mit Rollenspiel-Fokus und gehört veröffentlich eigentlich auch keine Videos, die bewusst Spiele oder Entwickler für Klicks zerreißen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Interessanterweise war die Preview von Fextralife gar nicht übermäßig negativ. Tatsächlich gab es sogar einige Kommentare die ihnen (mal mehr, mal weniger ernst gemeint) unterstellten, gekauft worden zu sein. Die Kritik gegenüber der Dialoge oder der allgemeinen Artstyle- und UI-Entscheidung schien dem Publisher jedoch nicht zu schmecken. Zumindest herrschte danach von den Kontakten zu Electronic Arts in Bioware offenbar Funkstille.

Da die YouTube- und Presseszene auch gut vernetzt ist dauerte es nicht lange, da tauchte das Phänomen wohl auch bei einigen anderen größeren Kanälen auf, die offenbar auch bewusst ausgeschlossen wurden. Gemein war allen, dass sie ähnliche Aspekte des Spiels im Vorfeld kritisiert haben. Der Autor des Videos hat eine ähnliche Vorsortierung der Publikationen zuvor nur bei Cyberpunk 2077 erlebt, wo trotz Traumwertungen erst nach dem Release die Realität der vielen unfertigen Aspekte deutlich wurde.

Gefundenes Fressen für Hater

Für das BioWare ist das Timing die Review-Umstände denkbar schlecht. Electronic Arts hat sich über die letzten Jahre keinen besonders guten Ruf als Publisher erarbeitet. Der Publisher lotet schon lange die Möglichkeiten aus, über Mikrotransaktionen Geld zu verdienen und Star Wars Battlefront 2 war sogar Mittelpunkt der großen Kontroverse über Lootboxes.

Für den BioWare-Untergang kam 2010 auch eine Aussage des damaligen President of EA Games, dass Singleplayer-Rollenspiele am Ende wären. Etwa zu dem Zeitpunkt erschienen auch noch die letzten wirklich positiv aufgenommenen Spiele von BioWare. Der schlechte Ruf der Vermarktungspraktiken färbte mehr und mehr auch den ehemaligen Rollenspiel-König ab. Als letzten beiden Gründer das Studio 2012 verließen, war es für viele Fans endgültig gestorben.

So gibt es genug Hater, die aus Prinzip nicht wollen, dass ein Spiel des Publishers erfolgreich ist und jeden Angriffspunkt suchen, um ihn größer zu machen als er eigentlich ist. Bei Ubisoft konnte man das etwa bei Star Wars Outlaws sehen, dass auch bei uns im Test jetzt kein Meisterwerk, aber durchaus ein solides und spaßiges Spiel war, auf das im Netz aber von Hatern massiv eingetreten wurde.

Für die Hater ist die neue Kontroverse natürlich der ideale Aufhänger, da es im Kern auch ein Punkt ist, den man kritisieren darf und mitunter auch muss. Zugleich kann es aber auch als fehlendes Vertrauen ins Produkt gesehen werden, wenn man den Review-Zugang so einschränkt. Die Wahrheit ist sicherlich eher, dass dieses Vorgehen nicht völlig unüblich ist. Bei Dragon Age: The Veilguard hat sich der Publisher nur eben besonders ungeschickt angestellt.

Um an anderer Stelle eine Lanze zu brechen. Dragon Age: The Veilguard erscheint zu Release ohne DLC oder Season Pass-Ankündigungen oder sonstigen Mirkotransaktionen und ist damit auch schon eine Art Rückbesinnung auf die alten BioWare-Werte.

Fextralife nimmt andere Magazine trotzdem in Schutz

Wichtig ist, dass Fextralife im Video nicht die Glaubwürdigkeit der bereits veröffentlichten Reviews in Frage stellt. Die Kritik geht vor allem an Electronic Arts für ihre Vorab-Auswahl an Publikationen.

Auch ich glaube, dass schon die meisten Reviews aus Sicht der Tester ehrlich geschrieben sind. Unterschwellig kann natürlich trotzdem hier und da der Gedanke mitschwingen, dass man sich für künftige Spiele und Kooperationen mit EA gutstellen möchte – schließlich sind große Spiele auch immer wichtige Klickgaranten und ein Test verliert nach Release schnell an Klickkraft.

Doch auch wenn die guten Bewertungen dominieren, sind nicht alle bereits veröffentlichten Tests positiv. Besonders prominent ist dabei das Review von Skill Up. Der große Gaming-Kanal (ebenfalls 1 Million Abos) betitelt das 45 Minuten starke Testvideo bereits mit einem „Do not recommend“ vorweg. Im Video selbst benennt es unter anderem die Dialoge, die „wirken, als säße die HR-Abteilung neben den Charakteren.“, da unangenehmere Themen oder gar Streit mit dem Protagonisten tunlichst vermieden werden. Trotzdem wird das Spiel auch von vielen Seiten für das endlich wieder starke Storytelling gelobt.

Wartet im Zweifelsfall lieber noch ein bisschen ab, wie sich die Testwertungen nach Release entwickeln und welche Probleme noch auftauchen. Bei Nutzerwertungen solltet ihr die etwas konstruktiveren Bewertungen und Diskussionen einbeziehen, wenn es um die eigene Kaufentscheidung geht. Allein schon wegen einigen inklusiven Dialog-Entscheidungen wird es nämlich von einigen Seiten Reviewbombing aus Prinzip geben – genau so wie es einige geben wird, die das Spiel deswegen aus Prinzip verteidigen und selbst berechtigte Einwände nicht zulassen. Im Zweifelsfall kann ein Let’s Play dann etwas objektivere Einblicke geben, ob einem das Gameplay und einige Design-Entscheidungen zusagen oder nicht.


Image by BioWare / Electronic Arts via IGDB

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


Artikel per E-Mail verschicken