Was bisher geschah: Unsere Lieblingsserien werden niemals aussterben

Am 22 Mai kam endlich das langerwartete Remake einer der beliebstesten 90er-Serien ins Fernsehen. Die Rede ist von Twin Peaks von David Lynch. Die Serie ware 1991 nach nur zwei Staffeln abgesetzt worden und endete mit einem Cliffhanger – was mit den Charakteren passieren würde, blieb offen.

Twin Peaks kam in dem Jahr heraus, in dem ich geboren wurde (1990), und so habe ich es erst 2013 gesehen, als es schon Kult-Status hatte und die Fans von damals noch immer Loblieder auf die Show sangen. Die Rückkehr von Twin Peaks wurde ganz unterschiedlich gefeiert: In Sydney bauten Gelato Messina in Newtown ihr Geschäft komplett um, so dass es aussah wie das berühmt-berüchtigte Double R Diner. Plakate, die nach der vermissten Laura Palmer suchten, wurden auf den Straßen angebracht.

Einer der Schöpfer der Serie, Mark Frost, sagte die Neuauflage war nicht nur aus nostalgischen Gründen entstanden, sondern war eine Übung darin, „sich mit einem der stärksten Themen in der Kunst auseinanderzusetzen“: wie die Zeit unbarmherzig vergeht. Die neue Serie wird sowohl Verbindungen zur den Themen der alten Serie herstellen, als auch neue Fragen über die Charaktere aufwerfen. Bislang ist die Neuauflage ziemlich schräg: Der klassische Lynch mit den bizarren und kryptischen Dialogen, schrägen Handlungssträngen, die scheinbar keine Auflösung finden, ist zurück.

Einer der wichtigsten neuaufgerollten Handlungsstränge ist das Schicksal von Special Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan), der gefangen war, während sein Doppelgänger seinen Körper übernahm. Während die Serie sehr stark an die nostalgische Ader der Fans apelliert, fehlt ihr die intime Atmosphäre der Originalserie. Manche haben schon die Frage aufgeworfen, ob die neue Show dem Hype ihrer beeindruckenden Marketingkampagne standhalten kann.

Wie dem auch sei, die 90er-Nostalgie ist derzeit absolut in. Serien und Filme wurden neu aufgelegt – darunter Akte X, Full House, Gilmore Girls, Pokémon, Will und Grace und sogar Baywatch. Andere Filme aus anderen Zeiten wurden auch gerade erst zu Serien – wie zum Beispiel Picnic at Hangig Rock oder Lemony Snickets Eine Reihe betrüblicher Ereignisse. Aber warum boomen Remakes gerade so? War das Fernsehprogramm damals wirklich so viel besser als heute?

Einen Sinn für Vergangenheit

Nostalgie ist nichts Neues. Johannes Hofer, ein Schweizer Arzt, prägte den Begriff 1688, als es noch als Krankheit angesehen war. Er kommt aus dem Griechischen: nóstos (nach Hause kommen) und álgos (Sehnsucht).

Das Narrativ rund um die Nostalgie hat sich seither etwas liebevoller gestaltet: Es ist weniger eine Krankheit als eine natürliche Reaktion auf das Erwachsenwerden. Simon Reynolds schrieb in seinem Buch Retromania: „Die Sucht der Popkultur nach ihrer eigenen Vergangenheit aus dem Jahre 2010, dass Nostalgie eng verbunden ist mit dem Konsumenten-Entertainment Komplex: wir lieben Produkte aus der guten alten Zeit – die Neuigkeiten und kleinen Ablenkungen, die uns in unserer Jugend beschäftigt haben.“

Natürlich hat jede Generation ihre ganz eigenen Erinnerungen an die Popkultur, mit der sie großgeworden ist. Sind nun die 90er dran, die von National Geographic kürzlich das „letzte großartige Jahrzehnt“ genannt wurden? Es war, so schreibt Patrick J. Kiger, ein Jahrzehnt voller „inkongruenter Motive ohne einem Thema, das sie kohärent zusammenhält“. Ereignisse wie der Golfkrieg, die Angst vor dem Jahr 2000, die Dotcom-Blase, der Tod von Prinzessin Diana, der Fall O.J. Simpson und die Serie Seinfeld sind untrennbar damit verbunden.

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Die Faszination für die 90er ist weit verbreitet: In Japan feiern Filme wie die Reihe Neon Genesis Evangelion und TV-Serien wie Dragonball Z und Sailor Moon gerade ihr Comeback. Der Film Dragonball Z: Battle of the Gods sus dem Jahr 2013 war ein absoluter Kassenschlager.

Internet und Nostalgie

Einige Theoretiker haben andere Ideen, warum die 90er so eine Faszination auf uns ausüben: Sie sagen, dass das Internet zu dem Hype beigetragen hat, weil es die jüngere Geschichte praktisch archivieren kann. Pat Saperstein, Redakteur für das Magazin Variety sagt: „Durch die sozialen Netzwerke befeuert, hat sich das Interesse an den Popkultur-Relikten der Vergangenheit, besonders der 90er, zu einem fruchtbaren Boden für TV-Programmverantwortliche entwickelt.“

Es gibt nicht nur Websites, die die 90er-Nostalgie feiern, sondern auch Suchmaschinen machen es einfach, Zugriff auf die Vergangenheit zu erhalten. Charlie Lyne vom Guardian findet: „Unsere popkulturelle Vergangenheit ist nur eine Google-Suche weit weg. Diese Unmittelbarkeit hat aus Nostalgie die dominante kulturelle Kraft gemacht.“

Es gibt aber auch weniger enthusiastische Stimmen, die die Rolle des Internets im Hype der 90er-Nostalgie ansprechen: Eva Peyser nennt das Internet die „Senkgrube der Nostalgie“, James Wolcott spricht von einer „unermüdlichen Pumpe, die wahllos den Dreck und die versunkenen Perlen wieder hochsaugt“.

Das Internet hat es einfacher gemacht, über die Vergangenheit nachzudenken und sie wieder aufleben zu lassen – besonders Buzzfeed und Youtube fungieren als Galerien der Nostalgie. Aber das Internet kann nicht alles erklären. Wolcott beschreibt die „panische, gefräßige Beschleunigung der Nostalgie“ als „mehr als eine Reflexion der allgemein vorherrschenden Beschleunigung der digitalen Kultur“. Für viele, die in den 90ern aufgewachsen sind, war das Jahrzehnt tatsächlich eine Art neues Goldenes Zeitalter. Es war die Zeit der Unschuld und des Optimismus,der noch vor dem Internet, 9/11, dem endlosen Krieg gegen den Terror und dem Wachstum extremistischer Gruppen wie Daesh (ISIS) verbreitet war.

Nostalgie ist ein kompliziertes Phänomen. Der Theoretiker Arjun Appadurai spricht gern von „eingebildeter Nostalgie“, also einer Nostalgie, die sich auf eine Zeit bezieht, die man selbst nicht erlebt hat. Manche Kritiker behaupten, dass diese durch die Konsumkultur geprägt ist, die unsere Sehnsüchte schürt. Nostalgie wird so zum Materialismus gewandelt.

Tatsächlich ist das Seltsame an der Nostalgie in Zeiten des Internet, dass die Leute daran indirekt teilhaben können. Viele, die die Rückkehr von Twin Peaks kaum erwarten können, sind entweder zu jung, um damals schon Fans gewesen zu sein oder sind sogar noch gar nicht auf der Welt gewesen, als das originale Twin Peaks ausgestrahlt wurde (mich eingeschlossen). Sie konnten die Show nur über Videokassetten, DVDs oder Streaming erleben. Man könnte das als ‚entfremdete Nostalgie‘ beschreiben.

Die Zukunft der Revivals

Svetlana Boym schrieb 2001 in ihrem Buch ‚Die Zukunft der Nostalgie‘ von zwei Arten der Nostalgie: der restorativen und der reflektiven. Erstere bezieht sich mehr auf den „nóstos“-Aspekt des Nach-Hause-Kommens; die zweite auf den „algos“-Aspekt des Schmerzes und des Verlusts.

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Die Vergangenheit ist jedenfalls bequemes Terrain: Rückblickend sieht sie attraktiver aus als sie es damals noch war. Trotzdem waren die 90er tatsächlich eine spannende Zeit für das Qualitätsfernsehen mit Klassikern wie Seinfeld, die Sopranos, die Simpsons, Buffy – Im Bann der Dämonen und natürlich Twin Peaks.

Wichtig ist es, sich zu erinnern, dass Remakes von heute nicht das Gleiche sein werden wie die Originale. In einer anderen Zeit und an einem anderen Ort erzählen sie von aktuellen Ängsten und Sorgen anstatt uns zurückzuholen in die gemütliche, angenehm schaurige Welt, die wir damals kannten.

Die neue Staffel von Twin Peaks holt uns beispielsweise in eine ganz andere kulturelle Landschaft – ironischerweise zeigt sie alte Charaktere, die sich mit dem Internet und iPhones abmühen. Die originale Serie hingegen repräsentierten sie noch die Unschuld der 50er Jahre.

Neuauflagen von Serien müssen daher als das gesehen werden, was sie sind: Eine etwas entkoppelte Erweiterung eines Originals. Während Revivals zur Zeit wahnsinnig in sind, können sie niemals wirklich einen spezifischen Moment der Vergangenheit wiederaufleben lassen. Und das sollten sie auch nicht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Retro“ by Tracy Thomas (CC0 Public Domain)


The Conversation

promovierte Wissenschaftlerin und Gast-Dozentin im Fachbereich Medien, Musik, Kommunikation und Kulturwissenschaften der Macquarie University, Sydney, Australien.


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