Man ist, was man isst. Angesichts immer neuer Lebensmittelskandale, von Glassplitter im Käsedip bis hin zu keimbelastetem Putenfleisch, wollen auch deutsche Verbraucher mittlerweile genau wissen, woher ihre Erzeugnisse kommen. Gerade in Großstädten, in denen die Wege zum Regionalbauern weit sind, setzen sich deshalb verschiedene Initiativen durch, die die Distanz zwischen Erzeuger und Verbraucher reduzieren
Sie heißen Kartoffelkombinat, Bunte Höfe oder SpeiseGut und nutzen das Internet, um Produzenten und Konsumenten an einem Ort zusammenzubringen. Bauernmarkt 2.0 sozusagen. Es sind tatsächlich vor allem jüngere Kunden, bei denen das Konzept gut ankommt. Denn sie haben weder die Zeit, um auf dem Wochenmarkt herumzuschlendern, noch die Gewohnheit, und oft auch keine Transportmittel, um die umliegende Region nach lokalen Bauern abzuklappern. Die Idee – online bestellen, analog abholen – sagt daher sehr vielen zu.
Bauer sucht Kunde
Auch Jana Lang geht an das Thema „Essen“ sehr ideologisch heran. Ihr ist die Herkunft der Produkte sehr wichtig, die Art des Anbaus und sie möchte die Erzeuger persönlich kennenlernen, wie sie den Netzpiloten erzählt. All das hat die 28-jährige Studentin im Geschäftsmodell der „Marktschwärmerei“ gefunden.
Hierbei kommen Bauern und Kunden zunächst auf einer Onlineplattform zusammen. Kunden melden sich kostenlos auf der Webseite an, suchen eine Marktschwärmerei in ihrer Nähe, bestellen ihre Produkte im Netz und holen sie schließlich auf den wöchentlichen Marktschwärmereien ab – direkt vom jeweiligen Bauern. Das spart Zeit und Fahrerei, Verbraucher finden alle Erzeuger an einem Ort und dadurch, dass nur die Produkte verkauft werden, die vorher bestellt wurden, gibt es am Ende auch keine überschüssige Ware, die weggeworfen werden muss.
Für Regionalbauern wiederum springt bei solchen Geschäftsmodellen wie der Marktschwärmerei mehr Gewinn heraus. Bei dieser Art der Direktvermarktung sparen sie sich die Zwischenhändler, und anstatt einen Teil ihrer Einnahmen an Supermärkte abzugeben, behalten sie bei der Schwärmerei einen größeren Eigenanteil. Somit ist die Wertschöpfung für Produzenten größer.
Die Marktschwärmerei bietet Kunden aber noch etwas, was die Supermärkte nicht können, die ja ebenfalls gerne mit regionalen Produkten werben: Kunden können die Produzenten persönlich kennenlernen. Auf der Marktschwärmerei kann man sich so beispielsweise beim Abholen seiner Produkte erklären lassen, wie die Kühe ernährt werden, wie das Brot gebacken wird oder welche Blumen für den Honig der Bienen verantwortlich sind. Das schafft natürlich mehr Vertrauen als ein Label im Supermarkt.
Probieren kann man, spontan kaufen nicht
Das Konzept hinter der Marktschwärmerei kommt ursprünglich aus Frankreich, und ist dort unter dem Namen La Ruche Qui Dit Oui! (deutsch: Der Bienenkorb, der „ja“ sagt) bekannt. La Rouche wurde 2010 gegründet, ist aktuell in mehr als 800 Städten präsent und hat über 130.000 Mitglieder. In Deutschland ist das alles noch Neuland. Die ersten Marktschwärmereien starteten im Jahr 2014 in Berlin, mittlerweile gibt es nach Angaben des Unternehmens 30 aktive Schwärmereien in acht Bundesländern, die von rund 300 Erzeugern beliefert werden. Und das Netzwerk wächst: 60 weitere Schwärmereien sind angeblich im Aufbau.
Alle Erzeuger bieten regionale Produkte, oft aus biologischem Anbau. Organisiert werden die Marktschwärmereien von „Gastgebern“, die eigenständig die regionalen Bauern kontaktieren, einen Ort für den Markt suchen, die Fragen der Käufer beantworten und eine kleine Aufwandsentschädigung dafür bekommen. Wer hier als Gastgeber mitmacht, will nicht reich werden, sondern ist von der Idee überzeugt. Genau wie Jana Lang. Sie organisiert seit Juli 2017 die Marktschwärmerei auf dem Factory Campus in Düsseldorf.
Bei einem Besuch der Netzpiloten vor Ort ist gerade wieder Markttag, wie jeden Dienstag, und rund 50 Kunden tummeln sich auf dem Hof des Coworking Spaces. Es gibt Obst, Käse, Honig, Bäckereiprodukte und sogar selbstgemachte Spirituosen – und natürlich darf man überall probieren. Allerdings: Wer nicht vorbestellt hat, kann nichts spontan kaufen. Das ist ein Vor- und ein Nachteil, wie Carolin Hertler vom Hof Vorberg erklärt: „Einerseits ist es für uns praktisch und nachhaltig, weil wir im Anschluss nichts wegschmeißen müssen, was nicht gekauft wurde. Andererseits würden einige Kunden, die bei uns nicht bestellt haben, gerne spontan etwas kaufen und das geht dann leider nicht. Zwar schreiben es sich manche dann auf, bis zur nächsten Woche ist das aber auch mal vergessen.“
Trotzdem lohnt es sich für die Produzenten finanziell, mitzumachen. Neben dem eigenen Hofladen ist die Marktschwärmerei für sie eine zusätzliche Einnahmequelle, bei der sie ihre Produkte an Kunden verkaufen, die ansonsten nicht zu ihnen aufs Land fahren würden.
Ein Netzwerk nur für Wohlhabende?
Die Mischung aus Social Media Plattform und Wochenmarkt kommt offensichtlich gut an. Nicht nur, weil die Kunden ihre Produkte direkt beim Bauern kaufen können, sondern auch, weil die Marktschwärmerei ein lebendiges Offline-Netzwerk ist. Man lernt die Menschen aus der Umgebung kennen, plauscht ein wenig und bekommt so selbst in einer anonymen Großstadt ein heimeliges Dorfgefühl.
Im Vergleich zum Einkaufen im Supermarkt ist dies aber selbstverständlich noch ein sehr kleines Marktsegment, und dazu nicht das günstigste. Man muss es sich als Verbraucher also erstmal leisten können oder wollen, seine Produkte über Plattformen wie die Marktschwärmerei zu bestellen.
Teaserimage „Bauernmarkt 2.0“ by Marinela Potor
Images via Jana Lang by Dariusz Misztal
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Schlagwörter: Bauernmarkt, handel, Konsumenten, Marktschwärmerei, Plattform, produkte, Produzenten, Regional, Social Media, verbraucher