Dublin hat den Lockdown überstanden. Das Dilemma namens „Emma“ liegt hinter uns und wir haben uns wieder gesammelt. Die Tage vor dem Sturm Emma waren davon geprägt, dass eine Task Force zwar gegründet, gleichzeitig aber schon im Vorhinein praktisch wieder zum Scheitern verurteilt war, weil sie von der Regierung installiert wurde. Als von diversen Ministern Erklärungen kamen, dass das irische Volk Ruhe bewahren möge, da doch alles koordiniert sei, sorgte dies auch eher für Unruhe.
Passend dazu setzte der öffentliche Dienst angesichts der ersten Schneeflocken den Nahverkehr in der Hauptstadt mal eben 24 Stunden vor dem erwarteten Chaos komplett aus. Das führte zu noch größerer Unruhe, zum schon erwähnten „Lockdown“ – und zu peinlichen Rechtfertigungen gegenüber Kollegen oder Kunden in anderen europäischen Ländern.
Auswirkungen des Lockdowns
In der Hauptstadt des Landes, das so gerne als „best small country to do business in“ gesehen werden will, sitzen viele sogenannte „Shared Services Centres“ (SSC). Diese bieten für eine Firma zentralisiert Dienstleistungen für alle EU-Märkte an, beispielsweise im Finanzbereich. In den meisten SSC mussten nach drei Tagen Lockdown die Hörer in die Hand genommen und entschuldigende eMails getippt werden. Die Kunden aus Skandinavien und Polen zeigten angesichts der Fernsehbilder vom Schneesturm durchaus Verständnis. Aber warum konnte man am Tag zuvor nicht arbeiten? Tja, wegen des Lockdowns fuhren weder Busse noch Bahnen. Außerdem musste man die Kinder hüten, denn alle Kindergärten, Schulen und Universitäten waren geschlossen.
„Aber ihr seid doch die Hauptstadt des „besten kleinen Landes, in dem man Geschäfte machen kann“, wundern sich die Kunden. Und das Land, in das viele Arbeitsplätze abgewandert sind, weil mit den SSC alles besser läuft, oder? Ja, das sind wir. Und trotzdem. Die Wahrheit ist … nicht so einfach zu formulieren und schon gar nicht so einfach zu ertragen. Da haben wir hier in Irland im Übrigen auch was mit den Brexiteers gemeinsam.
Boris Johnsons Brexit: Die Wahrheit tut weh
Den Brexiteers innerhalb der Conservative Party von Premierministerin Theresa May und um Boris Johnson, dessen Haarschopf immer so aussieht, als sei er während des Sturms Emma zum Staatsbesuch in Irland gewesen, wurde gerade von einem der Vorgänger Theresa Mays die Wahrheit wie ein kalter, nasser Fisch, der noch unter EU-Quoten in der irischen See gefangen wurde, um die Ohren gehauen: „Jede Form von Brexit wird für den britischen Normalbürger ein totales ökonomisches Desaster bedeuten.“ Patsch! Die Wahrheit tut weh.
Sie kann aber auch gut tun, vorausgesetzt, dass man lernfähig ist, was zumindest bei Boris Johnson zu bezweifeln ist. Der Mann hat es neulich fertiggebracht, das Problem möglicher erneuter Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland nach dem Brexit damit kleinzureden, dass es doch „auch an der Grenze zwischen Camden und Westminster dank der richtigen Technologie keine Probleme damit gibt, Staugebühren von Fahrern zu erheben, die ins Stadtzentrum müssen.“ Damit kennt er sich als ehemaliger Londoner Bürgermeister bestens aus. Der Begriff „haarsträubend“ hat bei Brexiteer-Boris offenbar unendliche Dimensionen.
Problem der Wassergebühren
Zurück nach Irland in der Zeit nach dem Sturm. Die sprichwörtliche Ruhe war nach Emma nicht sofort eingekehrt. Diesmal ging es um die Wassergebühren, die hier von den Unternehmen gezahlt werden. Vor zwei Jahren wurden die Wassergebühren für Privathaushalte nach heftigen, teilweise sogar gewalttätigen Protesten abgeschafft. Die Meinungen von Experten, dass Wasserzähler nicht nur helfen würden, tausende von Lecks in Jahrhunderte alten Rohren zu identifizieren, sondern gleichsam auch für Gebühren-Gerechtigkeit sorgen würden, gingen im Strudel der Demonstrationen gegen die Gebühren unter.
Nun wurden aber angesichts von immer mehr Lecks in den Rohren (hervorgerufen durch Väterchen Frost und Schwesterchen Emma) Rationierungen ausgerufen. Und schon schwoll das Gegurgel in der Hauptstadt wieder an. Es verstummte erst wieder, nachdem hunderte von Notfall-Teams der Wasserwerke die meisten Lecks gestopft hatten. Ja, es handelt sich um die gleichen Teams, die oft beschimpft oder gar bespuckt wurden, als sie Wasserzähler installieren wollten. Und ja, es sind auch die gleichen Wasserzähler, die dazu beigetragen hätten, dass Wassergebühren gerecht erhoben werden können. So hätten zumindest teilweise milliardenteure Kilometer an neuen Wasserrohren bezahlt werden können. Diese werden nämlich dringend gebraucht. Das ist die kalte, nasse, unangenehme Wahrheit.
Folgen des Wasser-Problems
Die Rohre müssen nun durch das Steueraufkommen bezahlt werden. In diesen Topf kommt unter anderem auch die Einkommenssteuer des Wirts des Celt. Das ist ein Pub im Dubliner Stadtzentrum gleich gegenüber des Büros vom Gegner namens Irish Water. Es ist auch eines der vielen Geschäfte, das erst unter dem Lockdown und dann unter der Wasser-Rationierung zu leiden hatte. Es ist aber auch eines der Geschäfte, das schon immer für das Wasser bezahlen musste.
Auch das ist eine unangenehme Wahrheit, die aber jetzt, da wieder die Ruhe nach dem Sturm eingekehrt ist, erstmal nicht mehr diskutiert wird. Also „Wasser Marsch!“, die Pintgläser müssen geputzt werden, denn am Samstag ist St. Patrick’s Day, da wird sowieso alles durch die grüne Brille gesehen.
Außerdem wird so manches auch grün gefärbt, wie zum Beispiel die Liffey, der Fluss, der durch Dublin fließt. Oft folgt nach dem Wochenende der Hangover. Und in manch einer Firma folgt dem Hangover der Lockdown. Ich habe das Gefühl, dass man an so mancher Stelle so kurz nach Emma wohl zweimal darüber nachdenken wird.
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Schlagwörter: Boris Johnson, Brexit, Dublin, Emma, Irish Water, Irland, Lockdown, Schneesturm, Schneesturm Emma, Shared Services Centres, Wassergebühren, Wasserwerke, Wasserzähler