Wer im Jahr 2018 in einer Großstadt lebt und jünger als 35 Jahre ist, wird folgendes Nutzungsverhalten sehr bekannt vorkommen: er oder sie streamt Musik, bewegt sich mit Carsharing von A nach B, arbeitet in einem Coworking Space statt dem eigenen Büro und trägt Mode über deren Produktionsbedingungen man sich vorab informiert hat, vermutlich bei Blogger*innen des Vertrauens. Und vermutlich zahlt sie oder er hohe Mieten.
Wir haben in den letzten Jahren gleich mehrere Paradigmenwechsel, im Vergleich zur Generation unserer Eltern, erlebt. Teilen wird dem Haben vorgezogen, es geht im Grunde um Zugang statt Besitz, wir ziehen die Nachhaltigkeit der Skalierbarkeit vor, setzen auf Vertrauen statt Kontrolle, Kreativität statt Effizienz und wollen nicht nur unserer Arbeit nachgehen, sondern uns dabei entwickeln, also was man heute unter Neue Arbeit versteht.
„Das Wohnen hat sich überhaupt nicht verändert“, erwidert Dennis Prinz das unkritische Lob des bereits geschehenen Wandels. „Es sind irgendwann zwar Wohngemeinschaften dazugekommen, aber im Wesentlichen hängt der Immobilienmarkt total der Realität der Menschen hinterher. Deshalb muss man die Realität auch mit neuen innovativen Lösungen beantworten. Das bedeutet in diesem Fall, das Leben eher in Modulen denken.“
Dennis Prinz ist in der Berliner Coworking-Szene kein Unbekannter. 2016 startete der studierte Schauspieler das Neuköllner Coworking Spaces „Enklave“, das heutzutage eine Community mit über 200 Mitgliedern hat. Nach einer Trennung und dem Verlust der gemeinsamen Wohnung erlebte Prinz den Mietenwahnsinn am eigenen Leib. In nur fünf Jahren hatten sich die Mieten in Berlin verdoppelt – ein Zustand, der ihn umdenken ließ.
Der weltweit erste Podliving Space
Nicht alle brauchen ein Esszimmer und nicht alle wollen den ganzen Tag allein in ihren Zimmern abhängen, erklärt Prinz. Mithilfe von Mitgliedern aus seinem eigenen Coworking Space hat er diese innovative Lösung erarbeitet, die den Immobilienmarkt verändern soll. „robinhood.berlin“ ist sein neues Startup, welches auf der Mission gegen steigende Mieten und die Komplexität des Wohnens ist. Wie passend für das Berlin im Jahr 2018!
Die Idee hinter robinhood.berlin ist einfach und doch scheint es so, dass es den Coworking-erfahrenen Blick von Dennis Prinz gebraucht hat, um darauf zu kommen. Im ersten Schritt werden in leerstehenden Gewerbeflächen weitläufige Gemeinschaftsflächen mit Bädern, Wellnessbereichen, Küchen und Gärten errichtet. Anschließend beginnt der Aufbau von Pods, die das Startup für perfekten Schlaf und 100 Prozent Privatsphäre selbst entwickelt hat.
Die Pods sind abschließbare Boxen, die ausreichend Raum für Privatsphäre und vor allem Platz zum Schlafen bieten. Im Gegensatz zu dem schon bekannten Konzept des US-amerikanischen Coworking-Startups PodShare, das Wohnen in der Maximaltransparenz anbietet, sind die Pods von robinhood.berlin auch ein Rückzugsraum. Podliving basiert auf einer zusammenwohnenden Community, in der man als Individuum auch für sich sein kann.
Dank der innovativen Raumnutzung möchte robinhood.berlin Wohnraum günstiger als ein WG-Zimmer anbieten und die Mieten senken. Bereits mehr als 1.000 Menschen haben sich angemeldet. „Wir werden noch in diesem Jahr den weltweit ersten Podliving Space eröffnen“, kündigt Prinz an. Im September werden die Prototypen der Pods vorgestellt und die Community kann sich dann für eines von drei Modellen entscheiden.
Wohnen ist ein Menschenrecht
Was Dennis Prinz hier von Berlin aus zu starten gedenkt, hat das Potential die Welt zu bereichern. Ähnlich wie im Sommer 2005 aus der Idee in einem Café wie dem St. Oberholz zu arbeiten, eine weltweite Coworking-Bewegung entstand, könnte robinhood.berlin das bezahlbare Wohnen weltweit umdenken. Die langfristige Vision des Neuköllner Startup ist es, eine globale Gemeinschaft mit Podliving-Standorten in aller Welt zu schaffen.
Das Recht auf Wohnen ist ein international verbrieftes Menschenrecht und als Teil des Rechts auf einen angemessen Lebensstandard fest verankert in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Doch die in Berlin bekannten Probleme sind weltweit anzutreffen, denn die Ursachen sind global. „Die Welt ist mobiler geworden, aber die lokalen Immobilienmärkte sind es nicht“, sagt Prinz. Und hier setzt robinhood.berlin an.
„Menschen ziehen, ihrer Arbeit ortsunabhängig nachgehend, temporär an einen anderen Ort. Dies erzeugt einen Druck, der sich auf den klassischen Immobilienmarkt verteilt und zu höheren Mieten führt.“ Prinz glaubt, dass seine modulare Lösung diesen Druck auffangen kann und so ermöglichen, dass Wohnen auch langfristig bezahlbar bleibt. Wie Coworking die Arbeitswelt verändert hat, möchte er mit Podliving das Wohnen revolutionieren.
Start im September
Mit den ersten Interessierten der Warteliste hat Prinz sich schon getroffen. Diese Menschen sind meist jünger als 30 Jahre, sind mit der Sharing Economy groß geworden und suchen eine Mischung aus Flexibilität und Gemeinschaft. Der Kontakt zu der Community ist wichtig, denn ihre Bedürfnisse prägen die weitere Entwicklung des Podliving-Startups. Schon jetzt wird auch über Safe Spaces für Frauen nachgedacht, andere Themen werden diskutiert.
„Robin Hood wird von allen gemeinsam gebaut und entwickelt“, verdeutlicht Prinz die Rolle der Community. Seine Erfahrung als Gründer eines Coworking Spaces kommt ihm hier zugute. Podliving unterscheidet sich deshalb zu Coliving-Konzepten vor allem im wesentlich stärkeren Community-Ansatz. „Multinationale Coliving-Konzepte werden zu sehr aus der Perspektive eines Immobilienkonzerns gedacht“, kritisiert Dennis Prinz vollkommen zurecht.
„Es geht bei robinhood.berlin darum, dass Kosten für das Wohnen nicht mehr das Zentrum deines Lebens sind, sondern dass du Zeit und Mittel für die wirklich wichtigen Dinge im Leben hast.“ Im September geht es los, dann werden die Pods vorgestellt und bald auch der erste Standort in Berlin bekannt gegeben. Das Startup hat eine politische Mission und es wird spannend zu sehen sein, inwiefern Dennis Prinz mit Podliving die Welt verändern kann.
Image by Dennis Prinz
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