Barcelona: Gaudi und Bocadillo

Ein langfristig geplanter Urlaub ist erholsam, verdient und gut durchdacht.
Spontane Kurztrips sind aufregend, erregend und eben: kurz. In den Flieger gestiegen, ausgestiegen, maximale Erlebnismenge verteilt auf ein paar Stunden und wieder zurück.
Wenn noch dazu die Reiseentscheidung weniger als 24 Stunden zuvor gefällt wurde, gerät man in eine regelrechte Reise-Ekstase. Aktuelle Destination: Barcelona, Hauptstadt Kataloniens, mit ihrer 2000-jährigen Geschichte und kämpfenden Stieren; die Metropole, in der Design- und Stilverliebte wandeln. Sicherlich, der Flug mit einer Billig-Airline ist eine Luft-Kaffeefahrt, bei der man selbst noch aufräumen muss. Rubbellose und exorbitant-teure kulinarische Widerlichkeiten inklusive. Aber man erwartet die Stadt, Architekturwunder und spanische Lässigkeit.
Eingecheckt wird im Hotel „Actual“, charmantes Designhotel in der Rosselló 238, eine der schicken Nebenstrassen der Passeig de Gracia, im Zentrum Barcelonas, schräg hinter Antoni Gaudis Casa Milá . Ein architektonisches Gedicht, aus anfänglichem Spott auch „La Pedrera“ (der Steinbruch), genannt. Man ist bezaubert von seiner ungewöhnlich wuchtigen Bauweise und den riesigen, kunstvoll verarbeiteten Steinplatten.
Es ist schon spät, ein kühler Drink aus der Minibar und das Fenster öffnen. Rollerlärm. In einer Metropole ist es nie still.
Das gegenüberliegende Hotel „OMM“ lockt mit einem Barbesuch der stilvollen Art. Es wird Henrick’s Tonic aus kühlen Glaskelchen getrunken. Danach lässt man sich in den schwarzen, kubusartigen „Mon Key Club“ in der unteren Etage entführen. Nirgends fällt das Treiben-Lassen leichter als in einer neuen, fremden Metropole.
Es wird spät. Das Hotelfrühstück fällt aus und das sollte es auch. Man ist selten glücklicher, als bei dem hungrigen Biss in eines der vielen, frischen Bocadillos, den köstlich belegte spanische Baguettes. Da de facto nur noch 24 Stunden in diesem fremden Stadtwunder verbleiben, sollte man sich daran halten, dass weniger beinahe immer mehr ist.
Aber dank Gaudi, dem prominentesten Vertreter des katalanischen Jugendstils – des Modernisme – und seinem Mäzen, dem Industriellen Eusebi Güell, darf man sich hier auch stundenlang nur einem Einzigen – der Fülle an Kunst-Werken – widmen. Dies muss wohlbemerkt nicht immer das Bestaunen des Gaudi-Augapfels, der Sagrada Familia, sein. Vielleicht spaziert man viele Stunden durch den wunderschön verspielten Park Güell , lässt sich beeindrucken und inspirieren. Die Gegenwart Gaudis stimmt positiv, die Hinwendung zur Natur, ihrer Form und ihrem Ausdruck, machen bescheiden und grössenwahnsinnig zugleich. Man weiss, man wird zurückkehren und dies nochmal erleben wollen.
Nach dem Entdecken des Besonderen, will man Besonderes, um den entstandenen Hunger zu stillen. Man findet, unweit des Hotels, in der Rambla de Catalunya 100, die „La Bodegueta“, eine bezaubernde, alte Bodega, nicht renoviert, verstaubt. Und laut. Es gibt guten Wein, erstklassige Tapas, serviert von schnoddrigen Kellnern. Es wird geraucht und Backgammon gespielt. Gespräche über die Leichtigkeit des Lebens werden geführt und auf der Strasse spielt wieder irgendjemand mit Freude Gitarre.
Den leicht beschwipsten Kopf im Hotel noch kurz erfrischen und schon steigt man in ein Taxi Richtung La Barceloneta, ein gemütliches Stadtviertel am Meer, das sich zwischen Port Olímpic und Port Vell schmiegt. Rollerlärm. Im „El Lobito“ in der Ginebra 9 finden immer mehr exzellente Meeresfrüchte ihren Weg zum Tisch. Es ist leger, ohne Servicefirlefanz. Jemand spielt auf der Geige „Que sera, sera“. Man singt mit.
Der nächste Morgen beginnt viel zu früh und es fällt ein letzter Blick auf die Casa Milá und die Umrisse der Sagrada Familia. Zurückgekehrt in die aufgeräumte Heima lehnt man sich zurück, denkt zurück. An köstlliche Bocadillos und Antoni Gaudi. An Inspiration, Vision und Rollerlärm.
Damit man endlich diese entwürdigende Sieges-Fanfare vergessen kann, die bei der Landung der Billig-Maschine aus den Lautsprechern schallt.

 lebt als freie Journalistin in Hamburg. Nach ihrem Studium der Deutschen Sprache und Literatur und der Politischen Wissenschaft an der Uni Hamburg widmet sie sich dem freien Schreiben und ungewöhnlichen Gedanken. Privat auch in ihrem Blog FREISTIL.


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4 comments

  1. Ein erfrischend authentischer, gut und originell geschriebener Reisebericht! Nicht überladen und dennoch mit viel wissenswerten Fakten über eine kunstreiche spanische Metropole. Einfach toll!
    Marianne Schieder

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