Karin Janner: ein Brettspiel für und aus der Community

Karin Janner kommt ursprünglich aus Wien, lebt und arbeitet nun jedoch als Marketing- und PR-Beraterin in Berlin. Einen besonderen Schwerpunkt hat sie auf Kultur- und Online-Marketing sowie Social Media gelegt. Sie ist einer der führenden Köpfe hinter der stARTconference, die jedes Jahr im Herbst Kulturschaffende und Web 2.0-Interessenten zusammenbringt. Für dieses Jahr hat sie sich eine ungewöhnliche Aktion ausgedacht: Zur Konferenz wird es ein Social-Media-Brettspiel geben, kollaborativ entwickelt und unter Creative Commons gestellt. Wir haben sie befragt, was es damit auf sich hat.

Letztes Jahr auf der stART hat mich ein Aspekt sehr fasziniert: sie kam mir vor wie eine der wenigen Veranstaltungen, auf denen Brücken gebaut werden zwischen Bereichen, die sonst nicht so viel miteinander zu tun haben. Da waren Social-Media-Leute, die den ganzen Tag im Web verbringen, neben Kulturschaffenden, die damit bisher eher am Rande zu tun hatten. Wie war das Feedback, das ihr auf die Veranstaltung bekommen habt?

Das Feedback war durchwegs positiv. Die Kulturleute fühlten sich inspiriert und motiviert, Social Media in ihrer Kommunikation eine Rolle zu geben. ?Als wir begonnen hatten, für die erste Konferenz 2009 Praxisbeispiele aus Deutschland zu recherchieren, stießen wir nur auf wenige – wir stellten sie auf der stART09 vor. Daneben gab es Vorträge: zur Philosophie des Web 2.0 zur Veränderung der Kommunikation im Web, Diskussion internationaler Beispiele etc. In Workshops und Gesprächsrunden konnten die Teilnehmer Praktisches erfahren.

Seitdem hat sich unglaublich viel getan in Deutschland. Als hätten viele nur auf einen Startschuss gewartet. Kulturbetriebe fangen an zu bloggen, sind auf Facebook und Twitter vertreten und tauschen sich dort mit ihrem Publikum aus. Stellen wie „Content Manager New Media“ werden geschaffen, Projektleiter für Social Media Projekte eingestellt. Einige machen das richtig gut, wie z.B. das Neanderthal Museum oder die Bayrische Staatsoper, die ihre Strategien auch auf der stART10 vorstellen werden. Andere sehen Social Media nur als einen weiteren Kanal, durch den man seine Infos drücken kann – ohne Interesse am Rückkanal. Das ist wenig zielführend, und die haben wir natürlich nicht als Best-Practice-Beispiele auf der stART10 eingeladen…

Ein heterogenes Publikum bedeutet natürlich auch, dass es nicht einfach ist, die richtige Balance im Programm zu finden. Die Wissensvoraussetzungen sind sehr verschieden: Was für den einen eher langweilig sein könnte, kann für den anderen wichtig sein, um überhaupt zu verstehen worum es geht. Wie ist eure Strategie, mit der ihr dieses Problem angeht?

Ja, das ist richtig – und die Schere zwischen „Profis“ und „Newbies“ wird immer größer. Wir haben ein vielfältiges Programm mit etwa 50 Sprechern und meist 7 Parallelveranstaltungen zusammengestellt – da wird für jeden etwas dabei sein. Zur Orientierung werden wir die Programmpunkte kennzeichnen – „Anfänger“, “erste Kenntnisse“, „Profi“ damit die Teilnehmer wissen, welches Vorwissen sie mitbringen müssen, um z.B. einem Workshop folgen zu können.

Kommen wir zum nächsten Thema: dein Spieleverlag Spieltz, der das Social-Media-Brettspiel entwickelt. Was ist die Idee dahinter?

Wir haben kein klassisches Verlagsprogramm, sondern wollen als „Community- Verlag“ oder „Crowdsourcing-Verlag“ funktionieren soll. ?Das heißt: Nicht eine Handvoll Spieleautoren entwickelt das Verlagsprogramm, sondern die Community. Den Themen, Designs und der Größe der Spiele sind kaum Grenzen gesetzt, denn jeder kann bei uns einen eigenen Online-Shop eröffnen (kostenlos) und dort seine Brettspiel-Kreationen verkaufen. Die Rechte am Spiel bleiben beim Autor. Wir drucken die Spiele on Demand“ auf LKW-Plane, als Einzelstück oder in einer Kleinauflage, auf Wunsch mit eigenen Fotos versehen.

Interessant ist das sicher für unbekannte Autoren, die es schwer haben, ihre Spiele in großen Verlagen unterzubringen, und auch für jemanden, der ein Spiel zu einem Nischenthema entwerfen will – z.B. ein Museum für seinen Museumsshop, womit wir wieder beim Thema Kultur wären. Interessant erstens, weil wir „on Demand“ drucken, also für den Autor keine Kosten für die Vorproduktion anfallen, und zweitens, weil wir über den Onlineshop einen Distributionskanal und einen zusätzlichen Kanal für Marketing und PR bieten. Für Mitte September ist der Livegang unseres Onlineshops gedacht.

Eines der größeren Projekte im Moment ist das Social-Media-Brettspiel, das ihr für die stART entwickeln wollt. Wie kam es zu der Idee, und warum soll es insbesondere ein Brettspiel werden?

Die Idee trage ich schon länger mit mir herum. Nachdem ich einerseits Vorträge und Workshops sowie eine Konferenz zu Social Media veranstalte, andererseits gerade einen Spieleverlag auf die Beine stelle, lag es auf der Hand, ein Social Media Brettspiel zu entwickeln. Verwirklichen kann man so etwas aber nur mit kompetenten Partnern, so freue ich mich, dass ich Spieleentwickler Marcel Kerkow als Projektleiter dafür gewinnen konnte, der in seinem Verlag Okahra Spiele nach Maß für Unternehmen konzipiert. Und natürlich die stARTconference, wo das Spiel Anfang September vorgestellt wird – in der Betaversion, versteht sich.

Wie soll die Konzeption des Spiels aussehen? Insbesondere interessiert mich, wie die Nutzer eingebunden werden, die Ideen geliefert haben.

Es würde am Thema vorbeigehen, wenn wir jetzt im stillen Kämmerlein ein Brettspiel zum Thema Social Media entwickeln und das fertige Spiel dann auf der Konferenz vorstellen würden. Zentrale Ideen von Social Media sind ja Partizipation, Nutzung der „kollektiven Intelligenz“ – wie man es z.B. von Wikipedia kennt – und die Tatsache, dass man Nutzern nicht ein fertiges Produkt vor die Nase setzt, sondern sie in die Entwicklung einbezieht. Daher entwickeln wir das Spiel gemeinsam – online. Jeder, dem etwas dazu einfällt, kann mitmachen.

Dazu haben wir eine Website aufgesetzt, und es gibt eine Timeline. Zu jeder Phase (Brainstorming, Entwicklungsphase, Ausarbeitungsphase…) schreiben wir einen Blogpost und sammeln im Kommentarbereich die Ideen der Leser. Marcel ordnet sie, wertet sie aus und entwickelt das Spiel unter Einbezug der Vorschläge. Er schreibt auch eine Auswertung in der steht, von wem welche Ideen kamen und wie er sie umgesetzt hat. Alle können natürlich nicht verwertet werden, denn manche sind nicht durchführbar, passen nicht oder widersprechen sich, aber viele können untergebracht werden. ?Letzte Woche war das Brainstorming, diese Woche befinden wir uns in „Phase 2“ – der Entwicklungsphase. Es werden Spielablauf, Mechanismus und Spielelemente diskutiert und am Ende der Woche festgelegt. Nächste Woche ist Ausarbeitungsphase: Spielbrett und Zubehör werden erstellt. Auf der stART10 wird das Spiel präsentiert – in der Betaversion. In der darauf folgenden Testphase (bis Ende September) kann jeder, der möchte, das Spiel zu Hause testen und noch einmal Feedback geben. Danach erfolgt eine letzte Überarbeitung – und startspiel Version 1.0 wird erstellt.

Nach dem Launch der ersten Version wird das stARTSpiel weiter entwickelt: ?Es wird sowohl am Spielkonzept geschraubt als auch neue Social Media Trends eingearbeitet. Das Spiel wird laufend aktualisiert – das kennt man ja aus dem Web! Aktualisierte Versionen wird es als pdf zum Download geben (Spielbrett, Spielkarten, Spielfiguren).?Wer die neueste Version schick gedruckt haben möchte, kann sie bei Spieltz drucken lassen. Das Spiel wird unter eine CC Lizenz gestellt und kann von jedem weiter entwickelt werden. Ein Open Source Brettspiel also.

Was bedeutet Social Media für dich? Warum ist das ein Thema, das dich interessiert?

Mittels Social Media kann man mit verhältnismäßig wenig finanziellem Aufwand viel erreichen – Aufmerksamkeit, Bekanntheitsgrad, Imageaufbau,…? Jeder kann ein Blog aufsetzen und seine Ideen und Projekte nach außen kommunizieren – weltweit. ?Social Media ermöglicht auch kleinen Kulturprojekten, Startups und „Garagenfirmen“ sich gegen große Konkurrenten durchzusetzen – herausragende Ideen werden belohnt, finanzielle Vorsprünge sind durch ein aktives Netzwerk wettzumachen. Natürlich muss einem die Philosophie und die Art der Social Media Kommunikation liegen. Ich war schon immer ein Freund von Teilen und mitreden/mitreden lassen („Partizipation“), Transparenz und Authentizität – die Schlagworte von Social Media – auch wenn man das früher anders nannte…

ist Medienwissenschaftler und beobachtet als Autor („Grundkurs Gutes Webdesign“) und Berater den digitalen Wandel. Seine Themenschwerpunkte sind User Experience, anwenderfreundliches Design und digitale Strategien. Er schreibt regelmäßig für Fachmedien wie das t3n Magazin, die Netzpiloten oder Screenguide. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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