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Amazon und Facebook, ein Paar zum Liebhaben? Vor drei Monaten verbreitete das Vorhaben der beiden Online-Giganten einen Schrecken. Facebook stellte seine User-Daten Amazon zur Verfügung. Zuerst noch gilt das nur für die USA. Aber schon das allarmierte hier in Deutschland die Datenschutz-Wächter. Die Nachteile aus Sicht des Datenschutzes liegen klar auf der Hand, doch welche Vorteile birgt die Affäre zwischen Deutschlands stärkster Marke und dem größten sozialen Netzwerk?
Das US-amerikanische Social-Commerce-Versandhaus Amazon begann mit dem Verkauf von Büchern. Und genau daher beziehe ich den größten Teil meiner eigenen Bücher. Beim Buchladen um die Ecke schmökere ich in den Seiten und kauf das Buch dann verbilligt als tadellos neues Gebrauchtexemplar im Internet. Zum Händler kein Wort davon: „Ich überleg es mir noch einmal“, sag ich ihm und mache mich auf den Heimweg. Dafür hasst der Verkäufer das Internet und verdirbt mir bei jedem Ladenbesuch die Lektüre mit seiner Prophezeiung: gute Literatur werde wegen des Internets noch vor die Hunde gehen. Denn eine gute Auswahl von Literatur, die auch kleine Independent-Verlage berücksichtigt, gibt es nur aus der Hand eines Kenners.
Mein schlechtes Gewissen gibt ihm Recht. Doch verliert das Literaturangebot im Internet wirklich an Besonderheit? Welche Chancen haben Independent-Verlage?
Nachteil: Magere Verlagsgewinne
Wer bekommt wie viel beim Online-Verkauf? Durch das Gesetz der Buchpreisbindung bezahlt der Kunde egal wo denselben Preis für ein Buch. Von diesem Geld gehen die Mehrwertsteuern an das Finanzamt. Der Buchhändler erhält den Rabatt, so wird die Anteile für den Buchhandel genannt. Den Rest abzüglich der Versandkosten bekommt der Verlag.
Der Marktpreis eines Buches bei Amazon setzt sich aus 7 % Mehrwertsteuern, 5 % des Nettobuchpreises für Lagerung und Plattformnutzung und 50 % des Nettobuchpreises für den Rabatt zusammen. Der Verlag erhält also für sein Buch rund 42 % des Verkaufspreises. Außerdem muss der Verlag einen Pauschalbetrag von jährlich 49,90 Euro an Amazon bezahlen und für die Versandkosten zum Amazon-Buchlager aufkommen, das sind maximal 1,40 Euro pro Buch.
Beispielrechnung
Verkaufspreis inkl. 7 % MwSt: 12,95 EUR
./. MwSt 7 %: 0,91 EUR
= netto VK: 12,04 EUR
./. Lagerhaltung, zielgerichtete Vermarktung und Plattform 5 % v. netVK: 0,60 EUR
./. Rabatt 50 % v. netVK: 6,02 EUR
= netto EK: 6,62 EUR
Amazon zahlt dem Verlag 5,42 EUR.
Wer bekommt wie viel, wenn ich ein Buch bei Amazon, beim Buchhändler oder direkt beim Verlag kaufe:
Während Amazon 55 % für Lagerung und Rabatt verlangt, liegt der Anteil für Buchhändler zwischen 30 % und 45 % weitaus niedriger. Der Rabatt ist Großteils davon abhängig, ob die Bücher direkt vom Verlag oder über einen Großhändler (Barsortiment) in die Läden gehen. Gerade kleine Verlage können mit etwas Verhandlungsgeschick bei den Buchhändlern geringe Rabatte erzielen, sodass sie durchaus über zwei Drittel des Buchpreises bekommen können.
Vorteil: Fette Kundenzahlen
Dass so gut wie jeder kleine Verlage trotzdem in den sauren Apfel beißt und seine Bücher auf Amazon anbietet, verwundert nicht. Zu groß ist der Vorteil dieser Internet-Plattform, denn Deutschlands stärkste Marke lockt mit der Anzahl von Kunden. Nicht ohne Grund ist Amazon so populär. Nach einer Studie der BBDO trumpft Amazon bei den Kunden mit Bekanntheit, Sympathie, Bedürfnisorientierung, Vertrauen, vielfältigem Sortiment und einem guten Preis-Leistung-Verhältnis.
Durch den Zusammenschluss mit Facebook kann die angezeigte Produktpalette bei Amazon noch genauer auf den Kunden zugeschnitten werden. Mir werden also Bücher angezeigt, die nicht nur mich, sondern auch meine Freunde interessieren. Denn ohne den Nutzer zu Fragen gibt Facebook auch die Daten der Freundesliste an Amazon weiter. Höchstbedenklich aus Sicht des Datenschutzes. Aber eine Chance für große und kleine Verlage mit einem ganz eigenen Profil gezielt Kunden anzusprechen. Bücher, die wohl sonst in der Masse verschwinden, präsentieren sich mir persönlich auf Amazon je nach meinem ganz eigenen Geschmack.
Fazit: Support your Publisher
Wie kann ich nun mein schlechtes Gewissen erleichtern? Ich stöbere weiterhin beim Buchladen um die Ecke oder schau in die Produktpalette von Amazon. Lasse mir dort Bücher zeigen, die mir oder meinen Freunden gefallen würden. Doch kaufen sollte ich das Buch direkt beim Verlag. Fast jeder Verlag bieten im Internet die Möglichkeit an, Bücher auf der eignen Verlagsseite zu bestellen. Davon profitieren besonders kleine Verlage, die damit den hohen Margen der Zwischenhändler, Amazon und Co., entgehen können, ganz nach dem Prinzip des fairen Handels.
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Schlagwörter: amazon, buch, verlag
12 comments
Danke für diesen Super-Artikel! Ich würde mich freuen, wenn diesen auch viele Webseiten-Betreiber lesen würden, die Amazon-Shops eingerichtet haben. Der Gigant Amazon zockt ab wo es geht…pro verkauftes Buch erhält der Werbende auf der Webseite ganze 3 %. Doch durch die große Menge dieser Werber macht Amazon Mio & Mio -Umsätze. Die Autoren und kleinen Verlage gehen wie Du schreibst fast pleite…Die kleinen Verlage sollten sich stärker öffnen für Webseiten und mit denen direkt das Geschäft abwickeln…
Danke für den Artikel. Zu bedenken wäre allerdings, dass die Buchhändler aussterben würden, wenn jeder direkt beim Verlag bestellt. Das macht bei kleinen Verlagen vielleicht Sinn, doch bei den großen Verlagsgruppen eher weniger.
Außerdem empfehle und verkaufen ich als Buchhändler auch mal 20 Exemplare von einem Titel von kleinen Verlagen und gebe mich dann auch mit 30% Buchhandelsrabatt zufrieden. Ein gutes Buch und ein guter Autor ist einem das einfach wert! Also denkt nicht allzu schwarz und weiß da draußen ;-)
„Ich stöbere weiterhin beim Buchladen um die Ecke, lasse mir dort Bücher zeigen, doch kaufen sollte ich das Buch direkt beim Verlag“ und das soll FAIR sein ?????? Die teure Lagerhaltung und das Personal des Buchhändlers ausnutzen. Für mich ist das üble Schmarotzerei auf Kosten der oft noch inhabergeführten Ladengeschäfte.
Du gehst von vornherein davon aus, dass der Verlag den größtmöglichen Anteil haben muss. Wieso soll das automatisch FAIR sein? Wer den Buchhändler um die Ecke liebt, wird auch dort bestellen, oder? Und ich weiss auch nicht, ob die Verlage ohne ihre „early adopters“ (die Buchhändler) wirklich glücklich werden …
Wo findest du denn da bitte die Fairness? Wenn du beim Buchhändler nur anschaust (wahrscheinlich nicht nur mit den Augen), aber nichts kaufst, dann kannst du auf kurz oder lang dort auch bald nichts mehr anschaun, denn dann ist der Laden bald zu. Immerhin handelt es sich hier um eine Buchhandlung und nicht um eine gemeinnützige Bücherausstellung, die nicht vom Verkaufen lebt. Schonmal drüber nachgedacht?
Es gibt ein sehr interessantes Buch, vielleicht auch in deiner Buchhandlung, „König Kunde zerstört sein Land“. Weshalb veröden unsere Städte, auch Kunden, die ihren Händlern treu bleiben möchten, können diese Linie bald nicht mehr halten, das Angebot wird immer dünner, der Branchenmix stimmt nirgends mehr. Aber sind es wirklich die Kunden, sind es Amazon und Co.? Es gibt keine wirkliche Antwort, wohl aber Lösungen. Nachdenken!
Vielleicht denkt der Verfasser dieser Zeilen auch einmal darüber nach, wer die Gewerbesteuern bezahlt, von denen seine Stadt das eine oder andere Angebot finanzieren kann, das auch ihm nützlich ist. Mit seinem Verhalten trägt er nicht nur mit dazu bei, daß die Innenstädte und Vororte immer mehr veröden oder von großen Filialisten dominiert werden, wie Bernd ja schon angemerkt hat, sonder auch dazu, daß die Gewerbesteuer irgendwo kassiert wird – nicht jedoch an seinem Wohnort. Im Falle von amazon sogar nicht mal in Deutschland. Manchmal wäre es schon ganz schön, die Menschen würden nicht ausschließlich an ihren persönlichen Geldbeutel oder Vorteil denken, sondern auch daran, daß sie Teil eines Gemeinwesens sind, zu dessen Wohl und Wehe sie im Kleinen auch beitragen können!
Was noch fehlt: Die Steuern für die satten Amazon-Gewinne landen nicht in Deutschland, sondern in Luxenburg, wo Amazon seinen Sitz hat.
Da macht es auch nichts, wenn der Kunde in Deutschland ist und von einem deutschen Händler auf einer deutschen Webseite (amazon.de) ein deutsches Buch von einem deutschen Verlag kauft, das von einem deutschen Autor geschrieben wurde.
Aber solange die Buchhändler und die Verlage noch immer Versandgebühren bei Online-Verkäufen verlangen, wird Amazon weiter wachsen. Und solange Verlage die kleineren Buchhändler mehr als eine Woche auf ein bestelltes Buch warten lassen, wird Amazon weiter wachsen.
Kleine Anmerkung am Rande:
Die Mehrwertsteuer wird vom Netto-Preis berechnet, nicht vom Brutto.
12,95 € brutto sind 107%
Netto: 12,10 €, davon 7%: 0,85 €
Diesem Artikel sind mindestens zwei Dinge hinzuzufügen: Wenn der „Büchhändler um die Ecke“ zufällig Thalia oder so heißt, dann kassiert dieser Buchhändler auch schon mal über 50 % Rabatt. Zweitens: In den hübschen Diagrammen oben fehlen die Druckkosten :-) Da geht noch weit mehr ab als die Steuer fürs Finanzamt. Gerade bei kleinen Verlagen machen die Druckkosten häufig einen großen Anteil aus. Da kostet bereits der Buchdruck z. B. schon 5 Euro pro Exemplar oder mehr. Hinzu kommen weitere Ausgaben. Wäre die Realität wirklich so, wie in den Diagrammen dargestellt, könnte der Verleger selbst bei der Amazon-Variante recht gut damit leben :-)
Weder im Diagramm noch im Text noch in irgendeinem Kommentar wird thematisiert, wie viel der Autor dabei verdient, nämlich immer die selben 10%. Finde ich sehr bezeichnend. Jede Berufsgruppe verdient so viel, dass sie davon leben kann, vom Verlag, Großhändler, Buchvertreter, Buchhändler… Nur der, der den so genannten „Content“ liefert, kann im allgemeinen nicht annähernd davon leben… Schon mal drüber nachgedacht?