Mark Heywinkel: „Weil uns unsere Inhalte heilig sind“

Mark Heywinkel ist studierter Journalist und hat sich mit seinem Freund Henning Ohlsen, nach deren gemeinsamen Volontariat, dazu entschieden ein eigenes Magazin in Deutschlands Medienlandschaft einzubetten. Das Spielplatz-Magazin wird sich dabei dem Gamessektor widmen und sich gesamtheitlich mit Social- und Mobilegames sowie weiteren Themen und Protagonisten, die sich neben diesen Segmenten bewegen, beschäftigen. In diesem Interview habe ich Mark einmal zu dem neuen Magazin, wie es finanziert werden kann und welchen Anspruch die beiden Chefredakteure haben, befragt.


Am kommenden 4. Juni erscheint die Erstausgabe eures mobilen Gaming-Magazins „Spielplatz“, welches rundum Mobile- und Social-Games berichtet. Spiele, die gemeinhin eher den Ruf haben, als Zeitvertreiber zu gelten und weniger den Anschein machen, als ob sich da eine Szene hinter bewegt, die ein Magazin braucht. Was ist dran an diesem Vorurteil?

Mark HeywinkelDiesem Vorurteil begegnen Henning und ich außerhalb der Gamesbranche tatsächlich ziemlich häufig. Wir haben uns angewöhnt, ganz salopp mit dem Landlust-Beispiel darauf zu reagieren: Vor dieser Zeitschrift hat wohl auch niemand damit gerechnet, dass es eine so große Leserschaft geben könnte, die jeden Monat erneut mit Landthemen versorgt werden möchte. Von derart explodierenden Leserzahlen, wie sie die Landlust derzeit verzeichnen kann, wollen wir zwar nicht träumen. Aber wir sind sicher, dass es auch für uns eine große Szene gibt. Spiele wie „FarmVille“ auf Facebook, „Angry Birds“ auf dem Smartphone oder „Wii Fit“ auf Nintendos Heimkonsole brechen Nutzerrekorde und erreichen Menschen, die sich bislang kaum für Games interessiert haben. Und viele dieser neuen Spieler stellen sich die Frage, ob ihre Daten beim Online-Spielen abgegriffen werden oder ob sich der Kauf von „Wii Fit“ wirklich lohnt, um ein paar Pfunde verlieren zu können. Die Antworten finden sie nicht in der GameStar oder beim Spiegel, sie finden sie bei uns. In unserer ersten Ausgabe spüren wir aber auch dem Frauenbild in Videospielen nach, wir fragen unsere Lieblingsbands nach ihren Games-Tipps aus, wir besuchen das Entwicklerstudio InnoGames und fragen nach Jobchancen für junge Menschen – kurz: Wir behandeln nicht nur Social- und Mobile-Games, sondern wir werfen einen globalen Blick auf das Thema Spiele. Mit mindestens einem Thema dürften wir jeden Geschmack bedienen. Deshalb lautet unser Slogan auch „Games für alle“.

Was hat euch dazu bewogen, dieses e-Paper zu entwickeln? Und welche Wege musstet Ihr gehen um in dieser kurzen Zeit eine Zeitschrift an den Start zu bringen. Ich habe erfahren, dass Ihr gerade einmal seit April daran arbeitet? Der Zeitraum erscheint mir sehr ehrgeizig.

Das wäre wirklich ein ziemlich enger Zeitplan, wenn wir erst im April mit Spielplatz angefangen hätten. Aber seit April arbeiten Henning und ich lediglich Vollzeit in Berlin an unserem Magazin. Spielplatz gibt es schon viel länger. Während unseres Studiums haben wir bereits darüber nachgedacht, ein eigenes Medium zu entwickeln. Eines, das unsere Handschrift trägt, hinter dem wir zu 100 Prozent stehen können, das wir gerne lesen würden. Die Motivation, das Ding umzusetzen, haben wir dann vor einem Jahr in Hamburg während unserer Volontariate gefunden. Und das war eine taffe Sache und wohl das schwierigste Stück des Weges: sich neben dem eigentlichen Job jeden Tag aufs Neue dazu aufzuraffen, Stunde um Stunde in etwas zu stecken, von dem man nicht genau weiß, was daraus wird. 2011 haben wir damit verbracht, das Konzept zu verfeinern, unser Team freier Mitarbeiter aufzustellen, mit unserer wunderbaren Grafikerin das Design zu entwerfen, die Sprache des Magazins zu festigen sowie viele, viele Gespräche mit etlichen Leuten aus der Games- und Medienbranche zu führen. Was nun seit April in Berlin passiert, ist das Zusammenführen aller Stränge.

Und warum Berlin?

Warum denn nicht Berlin? Die Club-Mate gibt’s beim Späti eisgekühlt, und in Friedrichshain tummeln sich zig Mal mehr Jutebeutelträger als in der Hamburger Schanze – ich fühle mich also ganz wohl (lacht). Aber natürlich war die Entscheidung für Berlin nicht nur eine Wohlfühlentscheidung, sondern vor allem eine strategische. Giovanni di Lorenzo hat bei einer Podiumsdiskussion im vergangenen Jahr gesagt, keine Redaktion käme mehr ohne Büro in Berlin aus. Und meinte damit: Man muss an der Quelle für Themen sitzen. In Berlin treiben sich nicht nur die Großen der Politik und Künste herum, sondern auch der Gamesbranche. Hier sind die Start-ups, die die Spiele entwickeln, über die wir schreiben wollen. Hier sind die Hochschulen, die Game-Entwickler und -Designer ausbilden. Hier sitzt das Computerspielemuseum, und hier wird der Computerspielpreis verliehen. Berlin ist auch unser Themenquell.

Nun habt Ihr euch dazu entschieden „Spielplatz“ ausschließlich online anzubieten. Sowohl Mobil als auch im Web, was sicherlich nicht zuletzt auch aus finanzieller Sicht, also bezüglich dem Startkapital, erst einmal schlau ist. Habt Ihr dennoch den Anspruch vielleicht irgendwann eine Printausgabe anzupeilen? Oder steht Print außer Frage, weil sich euer Leser per se mehr in der digitalen anstatt in der analogen Welt tummeln?

Beim Teaser Magazine aus Hamburg konnten wir genau diese Entwicklung vom Online- zum Print-Medium zuletzt sehr gut mitverfolgen: Zuerst gab es das Modemagazin ebenso wie Spielplatz kostenlos als App für iPad und iPhone sowie zum Blättern auf der Website. Mit der neuesten Ausgabe liegt Teaser jetzt als Kauftitel am Kiosk, und auch die App ist kostenpflichtig. Vor einem Jahr hätte ich womöglich geantwortet, dass das der Weg ist, den ich mir für Spielplatz auch wünsche, sobald wir ihn finanzieren können. Darüber bin ich aber hinweg. So sehr ich Print-Produkte mag, inzwischen schreibe ich als Journalist lieber für Online-Medien, weil ich da meine Artikel teilen und einem viel breiterem Publikum zeigen kann. Und so geht es mir auch als Leser: Diese Sofortness, dass ich etwas lesen, an meine Freunde weiterleiten und dann auch noch über Links weitere Informationen bekommen kann, ohne das Medium zu wechseln, ist großartig. Und das ist auch das große Plus, das wir mit Spielplatz ausreizen wollen. Unsere Leser können direkt vom Artikel zum Spiel kommen und losspielen. Ohne Zeitverzögerung. Ohne den Gang ins Geschäft. Das ist natürlich auch für die Games-Publisher interessant.

Ich nehme an Ihr werdet euch dann über Werbung finanzieren? Gab es Überlegungen wie viel Ihr euren Lesern davon zumuten wollt? Es gibt ja durchaus so Magazine, bei denen man erst einmal zehn Seiten umblättern muss, bevor man die ersten redaktionellen Inhalte vor sich wieder findet.

Cover Spielplatz-MagazinFakt ist: Um ein qualitativ so hochwertiges Produkt wie Spielplatz kostenlos anbieten zu können, brauchen wir Geld. Und solange die Piratenpartei noch kein Modell etabliert hat, mit dessen Hilfe Unternehmen ihre Produkte gratis anbieten und gleichzeitig überleben können, wird es auch in Spielplatz Werbung geben. Mehr Anzeigen als redaktionellen Content wird es aber niemals geben. Nicht nur, weil wir die Leser nicht vergrätzen wollen, sondern weil uns unsere Inhalte heilig sind. Sie sind das Wichtigste an Spielplatz und müssen auch so in Erscheinung treten. Wenn ich über deine angesprochene Werbe-Überflutung nachdenke, finde ich aber auch weniger die Anzahl der Anzeigen entscheidend als vielmehr deren Präsentation und Inhalt. Wenn sich online irgendwo in einem Tab ein Video mit Autoplay öffnet und mir eine Autoversicherung andrehen will, dann nervt mich das extrem: Der Sound des Videos überschattet womöglich meinen aktuellen Spotify-Track, ich finde das doofe Tab nicht, um es zu schließen, und ich habe nicht mal ein Auto, gehöre also gar nicht der Werbezielgruppe an.

Wenn die Spex allerdings alle zwei Seiten das neue Album einer hippen neuen Band abbildet, dann ist das okay, weil ich Musik mag und die Spex ja gerade lese, um auf neue Bands aufmerksam gemacht zu werden. Also: Obwohl wir mit einem digitalen Magazin wie Spielplatz die Möglichkeit dazu hätten, werden wir niemals eine Werbeform zulassen, die das Leseerlebnis stört. Stattdessen werden wir ganzseitige Anzeigen im Heft haben, von der wir glauben, dass sie den Lesern einen Mehrwert bieten, weil sie zu ihren Interessen passt. Damit dürften beide Seiten zufrieden sein.

Ich hatte vor einiger Zeit einmal dieses Thema mit Sascha Koesch, dem Herausgeber von De:bug, in einem kurzen Gespräch angerissen. Er hatte eine ähnliche Sicht der Dinge und meinte auch, dass Werbung in Magazinen oftmals gar nicht als Reklame vom Leser wahrgenommen wird, solange sie zielgerichtet ist und als Mehrwert zu redaktionellen Themen verstanden wird. Das ist ja beispielsweise typisch für Modemagazine. 30 – 40 Prozent darin sind Werbeflächen. Merkt nur keiner.

Ab einem gewissen Punkt wird der Leser das schon merken und sich fragen, ob er wirklich Geld ausgeben möchte für eine Zeitschrift, deren Anzeigenanteil dermaßen hoch ist. Bis dahin kann Werbung aber auch richtig Spaß machen. Vor allem auf dem iPad kommen die ganzseitigen Anzeigen mit Videos in Spielplatz sehr gut zur Geltung. Ich hoffe, dass wir in dem Bereich unter Wahrung der journalistischen Unabhängigkeit mit unseren Kunden in Zukunft noch tolle Dinge zaubern können.

Das hoffe ich auch. Und bin gespannt, welche Formate ihr wählt und wie das Zusammenspiel dann aussieht. Was mir gerade auffällt ist, das wir die ganze Zeit nur vom iPad reden. Unsere Android-Freunde werden sich sicherlich schon lange fragen, ob Ihr auch eine Version für das Galaxy Tab & Co. bereitstellt. Habt Ihr auch an diese Leser gedacht?

Aber klar! Als Android-Fan möchte ich Spielplatz natürlich auch so schnell wie möglich auf dem Galaxy Tab oder dem Sony-Tablet sehen. Leider bietet unser App-Entwickler noch keine Version für Android an. Das kommt aber noch. Und bis dahin kann man Spielplatz ja auch mit dem Browser ansurfen und durchblättern.

Vom Angebot eurer App-Entwickler mal abgesehen. Warum habt Ihr euch zuallererst für das iPad entschieden? Und hattet Ihr eigentlich Probleme in den App-Store zu kommen? Ist ja doch sehr elitär dort hab ich gehört (lacht).

Ja (lacht), ein bisschen elitär kommt einem der Auswahlprozess schon vor. Aber natürlich hat er auch seinen Sinn. Weil sich unser App-Entwickler hauptsächlich darum gekümmert hat, gab es bei uns kaum Stress mit der Aufnahme. Es mussten von der Grafik lediglich viele Thumbnails für alle unterschiedlichen iOS-Geräte erstellt werden. Und dann, an einem Mittwoch, konnte Henning vermelden, dass wir es in den App Store geschafft hatten. Das haben wir dann auch mit ein bisschen Bier begossen. Zu der Entscheidung für das iPad kann ich nur sagen, es gibt Prognosen, nach denen 2015 oder 2016 mehr Geräte mit Googles Betriebssystem auf dem Markt sein könnten als mit Apples iOS. Das mag hinkommen, im Moment ist aber immer noch das iPad mit fast zwei Millionen Verkäufen das Endgerät, auf dem wir die größte Zielgruppe erreichen können. Wir wollen Android-Nutzer auf keinen Fall ausschließen, wir müssen aber auch irgendwie unsere Frühstückssalami verdienen. Und einem Kunden Anzeigen in einem neuen Magazin auf einer Plattform zu verkaufen, die in zwei, drei Jahren mal die marktdominante sein könnte, ist mal gar nicht so einfach.

Lieber Mark, zu guter Letzt, da unsere Zeit dem Ende zugeht. Was denkst du wohin sich der Spielemarkt, in den nächsten, sagen wir fünf bis zehn Jahren, entwickeln wird. Denkst du beispielweise, dass Social-Games Klassiker wie Call of Duty oder Starcraft aus den Verkaufscharts verdrängen werden? Und was wird technisch so möglich sein?

Ich glaube, dass sich in den kommenden Jahren vor allem die Distribution von Spielen verändert wird. Das erleben wir ja schon: Auf allen Plattformen habe ich die Möglichkeit, Spiele online zu kaufen. Dementsprechend werden wir uns daran gewöhnen müssen, immer weniger Vollpreistitel im Laden zu kaufen, die wir uns ins Regal stellen können. Wie es auch schon bei Musik geschehen ist, werden wir wohl auch Games zunehmend online kaufen. Wahrscheinlich werden wir sie auch immer seltener installieren müssen, sondern sie aus der Cloud streamen. Dadurch werden Endgeräte zunehmend austauschbarer. Ich werde „Call of Duty“ an der Heimkonsole starten, in der Bahn auf dem Tablet fortsetzen und bei meinem Kumpel auf dessen Rechner gemeinsam mit ihm zu Ende bringen. Weil wir Games immer mehr online spielen, gehe ich auch davon aus, dass sie immer sozialer werden. Um Spiele zu lösen, werden wir zunehmend gemeinsam spielen. Also, Blockbuster wird es immer geben. Aber in der Gamesbranche wird sich wie überall sonst auch viel verändern – und wir werden in Spielplatz darüber viele spannende Artikel bringen.

In diesem Sinne wünsche ich dir und Henning auf jeden Fall alles Gute, dass Spielplatz zur offiziellen Landlust der geneigten Gamer wird und danke dir außerdem für das Gespräch.

(lacht) Ich danke dir!

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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1 comment

  1. Spielen ist seit Jahrtausenden sozial, trägt zur Sozialisation bei, schult die Akteure, simuliert Erfahrungs- und Phantasiewelten. Im digitalen Umfeld bekommt jetzt dieses Kulturphänomen langsam seinen gebührenden Platz. Schön, dass das Spielplatz-Magazin sich dieses umfassenden Themas annimmt :-)

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