Enterhaken oder Entertaste?

PiratDie große Angst geht um. Das Internet frisst die Buchstabenverdreher und die Piraten frisst das linke Establishment. Nun hofieren sogar die konservativen Kräfte das vor lauter Zaubertrank umhertaumelnde Völkchen in seinem kleinen gallischen Dorf.

Rund um eine Gruppe von 5-10.000 betroffenen, wirklich freischaffenden Künstlern und Autoren, die in der Kunst ihr täglich Brot verdienen, ist ein medialer Schattenboxkampf entbrannt. Keiner gegen keinen, aber alle wollen mit dem Zeigefinger als Erster auf den Bösewicht zeigen, wenn er oder sie denn ausgemacht ist. Man braucht Bösewichter, um gute Politik zu machen. Politik sollte Gestaltung des öffentlichen Lebens umfassen. Mangels Substanz könnte jedoch diese gesellschaftliche Gestaltung ausfallen. Darin haben etablierte Parteien leider viel Übung. Und sie finden immer den Bösewicht. Auch wenn der gerade sechs Jahre ahnungslos im Ausland weilte. Die Guten kann man daran erkennen, dass sie sehr still agieren und über Unsummen verfügen. Herkunft unbekannt. Aber wahrscheinlich sind sie einfach sehr gebildet und deswegen so (einfluß)reich.

Wo wir gerade bei gesellschaftlicher Gestaltung und Bildung sind: Man betrachte den Bologna-Prozess, also aus Sicht der Studenten der Abbau der etablierten deutschen akademischen Ausbildung (einer der ganz wenigen Bodenschätze der hiesigen Republik). Das Projekt des einheitlichen Hochschulraumes hat für die Deutschen nichts gebracht außer Konfusion und schlechteren Absolventen. Alles ist verschult, Eigeninitiative wird klein geschrieben und die freie Lehre und Forschung ist ein Popanz. Unis hinterziehen Sozialversicherungsbeiträge von wissenschaftlichen Angestellten (Promovierende) und liefern als Gegenleistung mangelhafte akademische Weihen aus.

Der Euro wird aus ähnlichen Erwägungen und mit ähnlichem Ergebnis zu einem harmonischen europäischen Ganzen geschmiedet. Eine Währung sie zu knechten. Eine Ausbildung sie zu einen.

Jetzt neu: Eine Ansicht sie zu unterjochen: Das Internet muss frei sein.

Mal ganz unter uns. Jeder kann seinen Hammer benutzen wie er das will, es sei denn, er benutzt den Hammer im Internet. Dort kann der Eigentümer des Hammers vorgeben, welcher Gebrauch von dem Hammer zu machen ist. Wer sich den Hammer dort leiht, muss zukünftig weniger Schaden zahlen, weil der Eigentümer bald eine Mitschuld tragen soll. Zumindest möchte so etwas der harmoniegeprägte Verband der Welthandelsvertreter. Überhaupt ist Harmonisierung viel einfacher. Keine Schlangen mehr zum Geldwechseln. Keine Übersetzung mehr von Zeugnissen. Keine aufwendigen Tests an Versuchspersonen in jedem Land bei Einführung neuer Medikamente. Jetzt wird alles Europa, also flotter.

Und das kleine gallische Dorf in den großen Städten macht sich zum Anwalt der wachsenden Sekte der Digitalisten. Das klingt toll. So toll, dass besagte linke Parteien aus dem etablierten Umfeld das Heulen und Zähneklappern bekommen. Bliebt nur die Frage offen, wer die Rechnungen bezahlt? Wer hat etwas davon, wenn die Piraten der CDU helfen? Also ist es schlau, denen viele Vorlagen zu geben für die nächsten Monate. Dann schießen die einfach das Fort der SPD, der Linken und der Grünen sturmreif. Naja, es sind eher kleinere Wehrdörfer.

Und Mutti hat keinen Pfennig dazubezahlt. Das machen alles die Verlage in vorauseilender Genickstarre. Klingt wie ein veritables Gefangenen-Dilemma.

Foto: clker

  ist seit 1999 als Freier Autor und Freier Journalist tätig für nationale und internationale Zeitungen und Magazine, Online-Publikationen sowie Radio- und TV-Sender. (Redaktionsleiter Netzpiloten.de von 2009 bis 2012)


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