Hand- und Selbergemachtes verkaufen, ob über das Internet oder auf Märkten und Basaren – die Welle des Selbermachens, die seit 2006 auch in Deutschland beständig an Fahrtwind aufnimmt, macht immer mehr Hobbydesignern, DIYlern und Bastlern das Verkaufen ihrer bislang für den Eigenbedarf gefertigten Produkte schmackhaft. // von Anissa Stetter
Zu verlockend sind die Erfolgsgeschichten von Kreativen, die sich über ihr Hobby ein zweites Standbein, wenn nicht sogar eine eigene Existenz aufgebaut haben. Zu schön der Gedanke, von daheim nebenher doch noch ein wenig mehr Geld auf dem Konto zu haben. Und das mit nur wenigen Klicks. Denn die braucht es gerade einmal, um einen Shop auf einem der immer zahlreicher werdenden Internetmarktplätze für Selbstgemachtes und Unikate zu eröffnen.
Nur Selbermachen und Herzeigen war gestern.
Nicht nur im Netz ausstellen, sondern Geld verdienen mit dem was man gerne tut, und dann noch von daheim oder aus dem eigens eingerichteten kleinen Studio – davon träumen mittlerweile viele Kreative in Deutschland. Und es sieht auch alles so einfach aus, wenn man die kreativen Blogs aus aller Welt mitverfolgt: da sieht man schöne Produkte, toll eingerichtete Nähzimmer, man sieht, wie beliebt die Kreativen sind und wie toll sie verkaufen. So schwer kann es doch dann nicht sein, denken sich viele, und eröffnen ihren eigenen Onlineshop auf einem der Marktplätze für Hand- und Selbergemachtes wie DaWanda oder Etsy, dokumentieren ihr kreatives Schaffen auf einem eigenen Blog und netzwerken auf Facebook. Doch spätestens wenn die erste Abmahnung ins Haus flattert, oder wenn auf Blogs und Marktplatzforen wieder berichtet wird, wer per kostenpflichtiger Abmahnung zu einer saftigen Geldstrafe verdonnert wurde, kommen viele Kreative knallhart in der Realität an. Denn was vielen nicht bewusst ist: Es gehört mehr zum Verkaufsgeschäft als nur das Produzieren von Produkten und dem Einrichten eines Shops im Internet. Aber darüber bloggt und berichtet keiner. Und manchmal hat es einfach den Anschein, als existiere das, was man nicht sieht, für viele Kreative einfach nicht.
Trau dich. Aber mach Deine Hausaufgaben.
Tatsächlich aber gibt es viel zu erledigen, bevor man sich mit selbstgefertigten Produkten in den Verkauf wagen sollte. Und das wiederum hat alles noch nichts mit frohen Stunden im kreativen Kämmerlein zu tun. Es ist die Arbeit hinter den Kulissen; die Behördengänge für Gewerbeschein & Co, das Beratungsgespräch bei einen Steuerberater, die gründliche Recherche nach Lizenzen, Copyrights und anderen rechtlichen Dingen; das sorgfältige Überprüfen eventueller sicherheitstechnischer Anforderungen an die geplanten Produkte und letztendlich eben auch noch der ein oder andere Gedanke über Marketing und PR. Über diese Dinge ist freilich wenig zu finden in der Kreativblogwelt. Aber sie existieren und gehören zum Business dazu wie sorgfältig gefertigte Produkte.
Seitdem The New Handmade, die Alternative zum Konsum massengefertigter Güter, auch in Deutschland im Mainstream angekommen ist -und das ist seit ungefähr 2009 der Fall, also gut drei Jahre, nachdem DaWanda als erster deutscher Kreativmarktplatz an den Start gegangen ist- scheinen sich die Abmahnungen im Kreativbereich zu häufen.
Unfair finden das die einen, kein Wunder denken sich die anderen. Da werden Abmahnungen ausgesprochen für den Gebrauch von Stoffen und anderen Kurzwaren, deren Weiterverarbeitung nur für den privaten, nichtgewerblichen Bereich erlaubt ist; Schnittmuster und Bastelvorlagen, die lediglich für den privaten Gebrauch bestimmt sind, sowie Bastelmaterial wie Stempel und Servietten, die oftmals geschützt sind und für die gewerblich Handelnde erst einmal Lizenzen erwerben müssten, stehen auch ganz oben auf der Liste. Und dann wären da ganz generell noch Designs und Motive, die geschützt und somit ebenfalls tabu sind.
Die Abmahnungen kommen selten als freundlicher Warnschuss, sondern sind oft sofort mit einer Kostennote versehen, die in die Tausende gehen kann. Und sie haben auch sonst häufig unangenehme Folgen für die Abgemahnten – der Ruin für alle, die eigentlich “nur” ein paar Euro dazuverdienen wollten.
Mittlerweile häufen sich Diskussionen zu diesen Themen auf Bastelseiten und in den Foren von Internetmarktplätzen; die Stimmung geht von eingeschüchtert-ratlos bis wütend-aufwiegelnd. Sieht man einmal von Abmahnungsfällen ab, bei denen es ohnehin schon um fragwürdige Praktiken geht, also zum Beispiel offensichtliche Geldscheffelei, so zeigen die meisten Kreativen kein Verständnis für Abmahnungen, die schon mit einer Kostennote ins Haus geflattert kommen. Geradezu hitzig werden die Diskussionen online, da zum einen in der Regel die Abmahnungen über Anwälte abgewickelt werden, die Betroffenen also nicht einmal persönlichen Kontakt zum eigentlichen Abmahner bekommen. Zum anderen wird die kostenpflichtige Abmahnung von sogenannten “Grossen” an “die Kleinen” als unmoralisch empfunden, da Kleinstunternehmer im Kreativmarkt sehr oft über keine finanziellen Puffer verfügen, von denen sie Abmahnkosten bezahlen, geschweige denn einen etwaigen Prozess vor Gericht bestreiten könnten. Und so wird bereits gefordert, dass gerade kleine Anbieter erst einmal schriftlich verwarnt werden sollten, bevor sie eventuell doch noch zur Kasse gebeten werden müssen.
Gerade die Diskussionen im kreativen Web machen deutlich, wie sehr das Rechtsgefühl Einzelner und tatsächliches Recht auseinander klaffen: Als besonders unmoralisch werden Abmahnungen empfunden, die von kreativen Mitbewerbern kommen, welche unter Umständen auch noch auf demselben Internetmarktplatz verkaufen wie die Abgemahnten. Menschlicher soll es daher zugehen. Für den Marktplatz DaWanda haben sich einige Nutzer bereits einen verbindlichen “Ehrenkodex” gewünscht, der allen Streitigkeiten ein klärendes Gespräch voranstellen soll.
DIY-Welle meets Professionalität. Und wie geht es weiter?
Gerade die aktuelle DIY-Welle vermittelt oft den, leider falschen, Anschein, als greife das Gesetz hier nicht. Als gäbe es kein Urheberrecht, kein Steuerrecht und kein Wettbewerbsrecht. Aber das ist natürlich nicht so – es liegt einfach an der Kommunikation. Internetmarktplätze wie DaWanda und vonDir verstehen sich lediglich als vermittelnde Instanz, also als Verkaufsplattform, und sahen sich bislang daher verständlicherweise nicht in der Pflicht, ihren Nutzern auch noch das Einmaleins des gewerblichen Handelns beizubringen. Und Nutzer missverstehen das Nichtbesprechen gewerblicher Pflichten als ein Nichtzutreffen.
Aber hier empfiehlt es sich, etwas umzudenken, denn die handmade-Szene zeichnet sich nicht nur durch kreative Gemeinsamkeiten aus, sondern auch durch den Community-Gedanken. Man redet miteinander. DaWanda zum Beispiel hat dies aber mittlerweile erkannt und bietet für das Nachholbedürfnis vieler Nutzer nun Hilfestellung in Form eines neuen Rechtsportals an. Etsy, der US-Marktplatz für Handgemachtes, der im Jahr 2010 den europäischen Markt in Angriff genommen hat, hielt im vergangenen September sogar eine Konferenz in Berlin ab, auf der es unter anderem um rechtliche Themen ging, die für den hiesigen Markt relevant waren. Diese sogenannten “Creative Summits” sind in den USA schon seit Jahren erfolgreich, während die deutsche Kreativszene auf Vergleichbares ebenso lange warten musste.
Hilfestellungen und Veranstaltungen dieser Art sind es, die die deutsche und europäische handmade-Szene verstärkt braucht, um kleinen Anbietern und Hobbyisten gleichermaßen den Rücken in rechtlichen, gewerblichen und grundsätzlich professionellen Sachen zu stärken. Mit Veranstaltungen dieser Art muss außerdem gezielt auf die Kreativen zugegangen werden; sie müssen darauf aufmerksam gemacht werden. Wenn Kreative sich ihrer Rechte und Pflichten erst einmal bewusst(er) sind, wird die Lage auf dem Abmahnmarkt vielleicht auch etwas entschärft. Einfach deshalb, weil viele Regelverstöße, die aus Unwissenheit passieren, so gar nicht erst entstehen.
Dieser Beitrag von Anissa Stettner ist zuerst erschienen im Feed-Magazin und vor kurzem ein zweites mal auf Anissas eigenem Blog handmade 2.0.
Teaser & Image Handmade Napkin Rings(…) (adapted) by Elin B (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Abmahung, dawanda, etsy, Handmade 2.0, Kreativszene
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